European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00169.23V.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben:
Der angefochtene Beschluss wird insoweit als Teilbeschluss bestätigt, als ausgesprochen wurde, dass die Antragstellerin in den der Benutzung der bisherigen Ehewohnung zugrunde liegenden Mietvertrag anstelle des Antragsgegners eintritt.
Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen samt der Kostenentscheidungen aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung über die von der Antragstellerin begehrte Ausgleichszahlung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Parteien heirateten am 19. 5. 2007. Die Ehe wurde mit Urteil vom 14. 1. 2021 (rechtskräftig seit 5. 7. 2021) aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft wurde spätestens am 16. 6. 2015 aufgelöst. Der Mann zog bereits zuvor aus der gemeinsamen Ehewohnung – einer Mietwohnung – aus. Er zahlte als alleiniger Hauptmieter auch nach seinem Auszug weiterhin die Miete, die Haftpflichtversicherung und die Liftkosten für die Wohnung, in der die Frau mit den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern verblieb.
[2] Die Frau beantragte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse durch Zuweisung der vormaligen Ehewohnung an sie. Außerdem begehrte sie – soweit in dritter Instanz maßgeblich – vom Mann dafür, dass sie dessen Schulden „bzw jene seines Unternehmens“ (einer GmbH) getilgt habe, eine Ausgleichszahlung. Konkret habe sie einen Kredit „betreffend das Unternehmen des Antragsgegners“ von 45.000 EUR und einen solchen von 60.000 EUR „für den Antragsgegner“ aufgenommen gehabt. Dafür habe sie auch ein in die Ehe eingebrachtes Sparbuch mit einem Einlagenstand von 50.000 EUR, welches ihr von ihren Eltern geschenkt worden sei, verwendet. Der Mann habe außerdem das „Familienauto“ um 18.000 EUR verkauft, wovon ihr die Hälfte zustehe.
[3] Der Mann wandte sich nicht gegen die Zuweisung der Ehewohnung an die Frau. Er bestritt aber, dass die Frau Schulden für ihn oder seine Gesellschaft eingegangen sei oder getilgt habe. Außerdem wandte er ein, nach seinem Auszug aus der Ehewohnung weiter den Mietzins und einen Teil der Betriebskosten bezahlt zu haben, wofür ihm eine Ausgleichszahlung zustehe. Bei dem von der Frau angesprochenen Fahrzeug habe es sich um ein Firmenfahrzeug gehandelt.
[4] Das Erstgericht sprach aus, dass die Ehewohnung der Antragstellerin zur alleinigen Benützung zugewiesen werde. Im Übrigen wies es „alle weiteren Aufteilungsanträge“ (also jene auf Leistung einer Ausgleichszahlung) ab.
[5] Es stellte zusammengefasst –über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus und soweit in dritter Instanz relevant –fest, dass die Frau einen (Kontokorrent‑)Kredit aufgenommen habe, für den auf einer von ihr in die Ehe eingebrachten (nach Auflösung der Ehegemeinschaft verkauften) Eigentumswohnung ein Höchstbetragspfandrecht von 45.000 EUR verbüchert worden sei. Der Kredit sei wirtschaftlich dem Mann „bzw seinem Unternehmen“ zugute gekommen. Er sei von der Frau –gemeinsam mit anderen Bankschulden –mehrfach umgeschuldet worden. 2019 hätten insgesamt Kreditverbindlichkeiten der Frau von rund 40.000 EUR bestanden. Dieser Betrag sei im Rahmen einer weiteren Umschuldung aufgestockt worden. Die Frau zahle den Kredit nach wie vor in Raten zurück. Was mit dem der Frau von ihren Eltern geschenkten Sparbuch geschehen sei, habe nicht festgestellt werden können.
[6] Die Frau habe zuletzt monatlich rund 2.800 EUR und der Mann etwa 1.900 EUR verdient. Während der Ehegemeinschaft habe vor allem die Frau den gemeinsamen Haushalt geführt und die gemeinsamen Kinder betreut. Die vom Mann für die Ehewohnung bezahlte Miete habe ab 2022 monatlich 1.434,59 EUR und zuvor 1.317,76 EUR betragen. Die von ihm übernommene Prämie für die Haushaltsversicherung habe sich 2020 auf 276 EUR belaufen.
[7] Ob und welches Fahrzeug die Parteien bei Auflösung der Ehegemeinschaft hatten und ob der Mann ein „Familienauto“ verkauft habe, habe nicht festgestellt werden können.
[8] Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Frau auf die Wohnung angewiesen und ihr diese daher – wogegen sich der Mann auch nicht ausgesprochen habe – zuzuweisen sei. Es nahm im Wesentlichen gleichwertige Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft an und legte seiner Entscheidung daher einen Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 zugrunde. Für die Frage der Ausgleichszahlung berücksichtigte es einerseits, dass die Frau Schulden in Höhe von 45.000 EUR „für den Mann bzw sein Unternehmen getragen“ habe, weshalb ihr „grundsätzlich“ ein Ausgleich in dieser Höhe zustehe. Andererseits habe der Mann seinerseits jahrelang den Mietzins (einschließlich der Liftbetriebskosten) sowie die Haushaltsversicherung bezahlt. Da Mietzins‑(rück‑)forderungen nach drei Jahren verjährten, seien nur die vom Mann getragenen Aufwendungen von März 2020 bis März 2023 in Höhe von 50.250,54 EUR „beachtlich“. Davon seien 25 % abzuziehen, da dieser Betrag bereits im Kindesunterhaltsverfahren zugunsten des Mannes (Vaters) berücksichtigt worden sei. Ihm stehe daher ein Ausgleich von 37.678,90 EUR zu. Insgesamt ergebe sich daher ein Überhang zugunsten der Frau von 7.321,11 EUR. Da ihr aber die Ehewohnung verbleibe und sie diese seit Jahren gratis nutze, entspräche es nicht dem Gebot der Billigkeit, ihr eine Ausgleichszahlung zuzuerkennen.
[9] Das nur von der Frau angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Frau in das Mietverhältnis an der Ehewohnung als Hauptmieterin eintrete. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentlichen Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[10] Der von der Frau in zweiter Instanz angestrebte Aufteilungsschlüssel von 60 : 40 zu ihren Gunsten sei nicht gerechtfertigt. Sie habe in erster Instanz kein Vorbringen zu einem solchen Aufteilungsverhältnis erstattet, und es habe auch kein Anlass bestanden, von der Zweifelsregel, wonach eine gleichteilige Aufteilung der Billigkeit entspreche, abzugehen. Nach den Feststellungen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die ehelichen Beiträge der Frau jene des Mannes „eklatant“ überwogen hätten.
[11] Bei der nachehelichen Aufteilung sei jener Gebrauchsvorteil auszugleichen, den ein Ehegatte dadurch erlangt habe, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart habe. Dabei komme es auch darauf an, ob dieser Ehegatte die Wohnung allein oder gemeinsam mit aus der Ehe stammenden Kindern bewohnt habe. Im vorliegenden Fall habe der Mann seit Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft den Mietzins, einen Teil der Betriebskosten sowie die Haftpflichtversicherung für die Ehewohnung bezahlt. Dieser Vorteil der Frau sei bei der Aufteilungsentscheidung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Miete für die der Frau zugewiesene Wohnung unter jener liege, die für gleichartige Wohnungen üblicherweise zu bezahlen sei. Auch wenn der „Wohnvorteil“ der Frau – da sie die Wohnung mit den drei gemeinsamen Kindern nützte – zu „aliquotieren“ gewesen sei, entspreche die erstinstanzliche Entscheidung daher im Ergebnis der Billigkeit.
[12] Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu beurteilen seien.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zulässig, weil die erstinstanzlichen Feststellungen keine abschließende Beurteilung der Frage zulassen, ob und in welcher Höhe der Frau eine Ausgleichszahlung zuzuerkennen ist. Das Rechtsmittel ist mit seinem hilfsweisen Aufhebungsantrag auch teilweise berechtigt.
I. Zur Zuweisung der Ehewohnung:
[14] 1. Die Frau ficht den Beschluss des Rekursgerichts „seinem gesamten Inhalt nach“ an. Ihre Rechtsmittelausführungen beziehen sich aber nur auf die Frage der Ausgleichszahlung. Dass das Erstgericht der Frau die Ehewohnung (Mietwohnung) „zuwies“ und das Rekursgericht dies mit der Maßgabe bestätigte, dass sie in das Mietverhältnis an dieser Wohnung eintrete, wird von ihr inhaltlich nicht bekämpft. Auch der Mann ließ dies unbekämpft. Damit sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Punkt (Eintritt der Frau in die Mietrechte an der vormaligen Ehewohnung) als Teilbeschluss zu bestätigen.
[15] 2. Die verfahrensrechtliche Zulässigkeit eines solchen Teilbeschlusses ergibt sich aus § 36 Abs 2 AußStrG (vgl auch 5 Ob 285/06g). Dass im Aufteilungsverfahren Teilregelungen materiell‑rechtlich grundsätzlich möglich sind, folgt aus § 85 EheG. Solche Teilregelungen dürfen zwar Ausgleichsmöglichkeiten für die Endentscheidung in Ansehung der verbleibenden aufzuteilenden Vermögensmasse nicht verschließen oder solche entgegen dem in § 94 Abs 1 EheG aufgestellten Grundsatz der Subsidiarität auf Geldzahlungen beschränken (RS0007209 [T3]; RS0008537). Dies ist hier bei einer Teilregelung zur Ehewohnung aber nicht der Fall, zumal kein Zweifel daran besteht, dass die Frau nach dem Willen beider Parteien in den bestehenden Mietvertrag an der vormaligen Ehewohnung eintreten soll.
[16] 3. Zur Kostenentscheidung hinsichtlich des Teilbeschlusses wird auf Punkt II.6. verwiesen.
II. Zur Ausgleichszahlung:
[17] 1. Der Mann strebte in erster Instanz zwar eine Ausgleichszahlung durch die Frau an. Da er die Entscheidungen der Vorinstanzen, in denen ihm keine solche Zahlung zuerkannt wurde, unangefochten ließ, ist im Revisionsrekursverfahren aber nur mehr über das Ausgleichszahlungsbegehren der Frau zu entscheiden.
[18] 2. Der von den Vorinstanzen angenommene Aufteilungsschlüssel begegnet keinen Bedenken:
[19] 2.1. Bei der Aufteilung ist in erster Linie auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG; vgl auch RS0057923). Als solcher Beitrag ist auch die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder sowie jeder sonstige eheliche Beistand zu werten (§ 83 Abs 2 EheG; vgl RS0057651 [T3]; RS0057969 [insb T8]). Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 entspricht bei gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, sofern nicht im Einzelfall gewichtige Umstände die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]).
[20] 2.2. Dies ist hier nicht der Fall:
[21] Die Frau stützt den von ihr angestrebten Aufteilungsschlüssel von 60 : 40 zu ihren Gunsten darauf, neben ihrer beruflichen Tätigkeit den Haushalt geführt und sich weit überwiegend um die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder gekümmert zu haben.
[22] Das Erstgericht stellte zwar fest, dass die Frau zuletzt berufstätig war und monatlich rund 2.800 EUR verdiente. Demgegenüber verdiente der Mann monatlich etwa 1.900 EUR. Allerdings brachte die Frau selbst vor, 2014 (und 2016) in Karenz gewesen zu sein und vor 2014 nur ein monatliches Gehalt von 324,37 EUR bezogen zu haben. Lediglich 2015 habe sie (offenbar monatlich) 1.078,66 EUR verdient. Sie sei erst ab Dezember 2016 – sohin nach Auflösung der Ehegemeinschaft – wieder Vollzeit beschäftigt gewesen. Auf dieser Basis kann für den Zeitraum der ehelichen Lebensgemeinschaft – auch unter Einbeziehung ihrer Haushalts‑ und Erziehungsbeiträge – aber kein wesentlich höherer Beitrag der Frau im Sinn des § 83 Abs 1 EheG angenommen werden. Dass die Vorinstanzen ihren Entscheidungen einen Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 zugrundelegten, bedarf daher keiner Korrektur (vgl etwa 1 Ob 49/20t; 1 Ob 166/22a; 1 Ob 98/23b zu Mehrfachbelastungen eines Ehegatten).
[23] 3. Die Frau wendet sich auch gegen den von den Vorinstanzen aufgrund ihres Verbleibs in der vom Mann finanzierten (Miet‑)Wohnung angenommenen „Wohnvorteil“:
[24] 3.1. Wie dargelegt gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Frau eine Ausgleichszahlung in Höhe von 45.000 EUR zustehe, weil sie einen wirtschaftlich „dem Mann bzw seinem Unternehmen zugute gekommenen“ Kredit getilgt habe. Diesem Ausgleichsanspruch stellten sie jene Vorteile gegenüber, die der Frau deshalb entstanden seien, weil sie auch nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Ehewohnung verblieb, für die der Mann weiter die Mietkosten trug. Außerdem kommt der Frau nach Ansicht des Rekursgerichts zugute, dass die Miete für die ehemalige Ehewohnung günstiger sei, als eine für eine gleichartige Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt üblicherweise zu zahlende Miete. Dies sei „wohl“ der Grund dafür, dass die Antragstellerin den Eintritt in den Mietvertrag anstrebe.
[25] 3.2. Die Frau hält dem entgegen, dass ihr jener Vorteil, den sie dadurch erlangt habe, dass sie nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft weiter in der bisherigen Ehewohnung verblieb, nur anteilig (mit einem Viertel) zuzurechnen sei, weil auch die drei gemeinsamen Kinder in dieser Wohnung gewohnt hätten. Im Übrigen sei es eine bloße – rechtlich nicht maßgebliche – Mutmaßung, dass sie den Eintritt in den Mietvertrag wegen des angeblich günstigen Mietzinses anstrebe.
[26] 3.3. Zur Berücksichtigung des „Wohnvorteils“ des nach Aufhebung der Ehegemeinschaft in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten wurden in der Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt:
[27] 3.3.1. Bei der nachehelichen Aufteilung kann auch jener Vorteil berücksichtigt werden, den ein Ehegatte dadurch erlangt hat, dass er nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft (1 Ob 46/19z) –und auch während des Aufteilungsverfahrens – die Ehewohnung weiter benutzt (RS0131883). Eine „generelle“ Zurechnung dieses Vermögensvorteils wird vom Fachsenat allerdings abgelehnt (1 Ob 46/19z). Jenem Teil, dem vom anderen die Nutzung der bisherigen Ehewohnung überlassen wurde, kann für diesen Gebrauchsvorteil vielmehr nur im Rahmen der Billigkeit ein (pauschaler; vgl 6 Ob 33/04b) Ausgleich auferlegt werden (RS0131883). Demnach scheidet insbesondere die Zuerkennung eines (fiktiven) Benützungsentgelts für den Gebrauch der ehemaligen Ehewohnung durch einen Ehegatten –etwa in Höhe eines fiktiven Mietzinses (1 Ob 200/17v mwN) –aus (1 Ob 68/00g; 6 Ob 94/04y; 1 Ob 65/18t; 4 Ob 72/19w; vgl auch RS0105635). Dies wird damit begründet, dass sich das Wohnrecht des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten aus § 97 ABGB ableitet und dieses Recht im Aufteilungsanspruch fortbesteht (1 Ob 68/00g; 7 Ob 105/09f; 4 Ob 72/19w mwN; vgl auch RS0113119). Demnach kommt dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten auch während des Aufteilungsverfahrens ein – wenngleich nicht kostenfreier (1 Ob 202/21v) – Wohnungserhaltungsanspruch zu. Zu 1 Ob 46/19z nahmen die Vorinstanzen zwar einen „Wohnvorteil“ des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten in Höhe der vom anderen Teil aufgewendeten Mietkosten an. Ob dies im Einzelfall der Billigkeit entsprach, musste der Oberste Gerichtshof dort aber nicht beurteilen. Ein „Automatismus“, wonach der in der Wohnung verbliebene Ehegatte jedenfalls die vom anderen Teil aufgewendeten Mietkosten zu ersetzen habe, kann der Rechtsprechung jedenfalls nicht entnommen werden.
[28] 3.3.2. Maßgeblich für die Berücksichtigung des Gebrauchsvorteils des die Ehewohnung weiterhin nutzenden Ehegatten ist nach ständiger Judikatur, dass sich dieser den Aufwand für eine andere Wohnmöglichkeit erspart (RS0057765 [T2, T9]). Wird die Wohnung gemeinsam mit aus der Ehe stammenden Kindern bewohnt, ist nur ein anteiliger Vorteil des Ehegatten anzunehmen (1 Ob 200/17v; siehe auch 1 Ob 35/21k). Es ist auch zu berücksichtigen, ob jener Teil, der die Ehewohnung verließ, überhaupt Aufwendungen für eine eigene Wohnmöglichkeit tätigen musste (1 Ob 200/17v; 1 Ob 44/18d). Zu 1 Ob 233/20a wurde im Rahmen der Billigkeit auch berücksichtigt, aus welchem Grund ein Ehegatte die Wohnung verließ, ob er dazu (während der Ehe) berechtigt war und ob in der Nutzung der Ehewohnung durch den anderen Ehepartner ein Wohnen im Rahmen des diesem zustehenden Naturalunterhalts liege. Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung ist auch zu berücksichtigen, ob das für die Wohnung vom darin verbleibenden Teil zu leistende Entgelt unter jenem liegt, das für gleichartige Wohnungen (unter Berücksichtigung gesetzlicher Höchstmietzinse) üblicherweise bezahlt wird (RS0057574 [T6]).
3.4. Für den vorliegenden Fall folgt daraus:
[29] Eine der Frau gegebenenfalls (siehe Punkt 4.) zustehende Ausgleichszahlung wäre im Hinblick auf die Weiterbenützung der Ehewohnung nur im Rahmen der Billigkeit zu mindern. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wären dabei nicht „schematisch“ die vom Mann aufgewendeten Mietkosten abzuziehen. Diese könnten für die Bemessung des „Wohnvorteils“ der Frau nur – als die ihr zugekommene Ersparnis – als erste Orientierungshilfe für einen im Rahmen der Billigkeit vorzunehmenden Ausgleich herangezogen werden. Der Vorteil, dass die Frau die Ehewohnung nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft weiterhin nutzte, wäre ihr auch bloß anteilig mit einem Viertel zuzurechnen, benutzte sie diese doch gemeinsam mit den drei gemeinsamen Kindern.
[30] Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bestünde aber andererseits kein Grund, den länger als drei Jahre vor Entscheidung erster Instanz im Aufteilungsverfahren zurückliegenden „Wohnvorteil“ (gänzlich) unberücksichtigt zu lassen. Im Rahmen der Billigkeit wäre auch zu berücksichtigen, ob dem Mann überhaupt Aufwendungen für eine eigene Wohnmöglichkeit entstanden und ob er „berechtigt“ aus der Ehewohnung auszog, wozu bisher keine Feststellungen getroffen wurden. Gleichermaßen wäre zu berücksichtigen, ob die bisherige Ehewohnung aufgrund des Auszugs des Mannes die Bedürfnisse der Frau (und der bei ihr verbliebenen Kinder) übersteigt, weil das Außerachtlassen dieses Umstands nicht der Billigkeit entspräche. Auch dazu lässt sich dem Sachverhalt nichts entnehmen. Dass der Mietzins für die Ehewohnung, in den die Frau eintritt, den marktüblichen Mietzins für vergleichbare Mietobjekte (unter Berücksichtigung allfälliger gesetzlicher Mietzinsbeschränkungen) deutlich unterschreitet, kann entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht als „notorisch“ angenommen werden und bedürfte ebenfalls konkreter Feststellungen.
[31] 4. Ob es auf den „Wohnvorteil“ der Frau überhaupt ankommt, kann derzeit aber noch nicht beurteilt werden:
[32] 4.1. Aufgrund der von ihr erhobenen Rechtsrüge ist die Frage, ob der Frau eine Ausgleichszahlung zukommt, einer umfassenden rechtlichen Prüfung zu unterziehen (RS0043352). Stünde ihr eine solche unabhängig von einem Gebrauchsvorteil an der Ehewohnung nicht zu, käme es auf dessen „Anrechnung“ zugunsten des Mannes nicht an.
[33] 4.2. Soweit die Frau ihren Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in erster Instanz aus dem behaupteten Verkauf eines gemeinsamen Fahrzeugs durch den Mann ableitete, kann dies schon aufgrund der dazu getroffenen Negativfeststellung keinen Vermögensausgleich rechtfertigen. Im Rechtsmittelverfahren kommt sie darauf auch nicht mehr zurück.
[34] 4.3. Primär leitete die Frau ihren Anspruch auf eine Ausgleichszahlung daraus ab, dass sie einen Kredit von 60.000 EUR „für den Mann“ sowie einen weiteren Kredit von 45.000 EUR „für sein Unternehmen“ aufgenommen und bezahlt habe. Das Erstgericht stellte dazu fest, dass auf einer von der Frau vor Eheschließung erworbenen (nach Auflösung der Ehegemeinschaft verkauften) Liegenschaft ein Höchstbetragspfandrecht von 45.000 EUR einverleibt gewesen sei. Dieser Hypothek sei ein Kontokorrentkredit zugrunde gelegen, der wirtschaftlich „dem Antragsgegner bzw dessen Unternehmen“ zugute gekommen und – so das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung – von der Frau „getragen“ worden sei. Auch wenn „diese Schulden“ bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr vorhanden gewesen wären, seien sie im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen. Der Frau stehe daher eine Ausgleichszahlung von 45.000 EUR zu. Welcher Kredit einem weiteren Pfandrecht von 60.000 EUR zugrunde gelegen und wem dieser zugute gekommen sei, habe nicht festgestellt werden können. Auf dieser Grundlage ging auch das Rekursgericht davon aus, dass der Frau – vorbehaltlich der Berücksichtigung ihres „Wohnvorteils“ –ein Ausgleich in Höhe von 45.000 EUR zustehe. Eine nähere Begründung dafür findet sich in der angefochtenen Entscheidung allerdings nicht.
[35] 4.4. Wäre der Kredit –wie die Frau in erster Instanz behauptete –dem Unternehmen (der Gesellschaft) des Mannes „zugute gekommen“ und eine Kreditrückzahlung aus ehelichen Mitteln erfolgt, wäre dies nach § 91 Abs 2 EheG zu berücksichtigen (RS0057528 [T6]). Diese Bestimmung sieht für den Fall, dass eheliches Vermögen in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet wurde, eine Einbeziehung des Werts des Eingebrachten oder Verwendeten in die Aufteilung vor. Dabei ist nach Satz 2 leg cit aber zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden und inwieweit die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammten. § 91 Abs 2 EheG ist auch auf die Tilgung unternehmensbezogener Schulden aus ehelichen Mitteln anzuwenden (RS0058268 [T10]).
[36] 4.5. Auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen kann aber (auch auf anderer rechtlicher Grundlage als jener des § 91 Abs 2 EheG) nicht beurteilt werden, ob (und gegebenenfalls in welcher Höhe) die von der Frau behauptete Tilgung jenes Kredits, der dem (Höchstbetrags‑)Pfandrecht von 45.000 EUR zugrunde lag, einen Ausgleichsanspruch gegen den Mann rechtfertigt. Die erstinstanzlichen Feststellungen lassen nicht erkennen, in welcher Höhe ein – dem Höchstbetragspfandrecht von 45.000 EUR zugrundeliegender – Kredit von der Frau getilgt wurde. Weder steht fest, mit welchem Saldo dieser Kontokorrentkredit bei (erster) Umschuldung aushaftete (aus dem Bestehen eines Höchstbetragspfandrechts kann darauf bei einem Kontokorrentkredit gerade nicht geschlossen werden), noch in welcher Höhe der zuletzt – nach mehrfacher Umschuldung – bestehende Kreditsaldo offen und dem ursprünglichen Kontokorrentkredit zuzurechnen ist. Nach den Feststellungen ist außerdem unklar, ob dieser Kontokorrentkredit wirtschaftlich „dem Unternehmen des Mannes“ (einer GmbH) zugute kam oder mit der ehelichen Lebensführung zusammenhängende Ausgaben betraf. Schließlich steht auch nicht fest, ob die Rückzahlung dieses Kredits (vor und nach Umschuldung) aus ehelichen Mitteln erfolgte.
[37] 5. Der erstinstanzliche Sachverhalt lässt somit keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob der Frau aufgrund der von ihr behaupteten Kredittilgung (hinsichtlich jenes Kredits, für den ein Höchstbetragspfandrecht von 45.000 EUR bestellt wurde) eine Ausgleichsforderung gegen den Mann zusteht. Es kann daher auch nicht beurteilt werden, ob es auf den von den Vorinstanzen angenommenen Mietvorteil (bzw den im Eintritt in einen „besonders günstigen“ Mietvertrag gelegenen Vorteil) – der zu einer Minderung einer solchen Ausgleichsforderung führen könnte – überhaupt ankommt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zur Erörterung und Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen (primär) zum angestrebten Ausgleich der Frau für die Tilgung von „für den Mann oder sein Unternehmen“ aufgenommenen Krediten aufzuheben. Erst wenn sich im fortgesetzten Verfahren ergäbe, dass der Frau dafür eine Ausgleichszahlung zustünde, wäre für deren Bemessung der ihr zugekommene „Wohnvorteil“ nach den dargestellten Grundsätzen zu berücksichtigen. Auch dazu bedürfte es dann im Hinblick auf die maßgeblichen Kriterien für die Berücksichtigung eines solchen Vorteils einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage.
[38] 6. Die Kostenentscheidung beruht darauf, dass noch keine die Sache zur Gänze erledigende Entscheidung im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt (RS0123011 [T5]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)