European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120572
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin war Mehrheitseigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Mit Vertrag vom 4. 6. 2004 erwarben die Beklagten Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft zum Ausbau des Dachbodens. Im Zuge der Vertragsverhandlungen war unter anderem der Trittschallschutz zu der unterhalb des Dachbodens gelegenen Wohnung des Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin [Anmerkung: Top Nr 5 des Hauses] ein Thema, sodass letztlich folgende Klausel in den Kaufvertrag aufgenommen wurde:
„Die Käufer verpflichten sich, für den Aus‑ und Umbau die entsprechenden ÖNORMEN, insbesondere in Bezug auf die Trittschalldämmung, einzuhalten.“
Nach den Feststellungen verstanden die Streitteile darunter übereinstimmend eine „ordnungsgemäße, ausreichende Trittschalldämmung, dies auch im Hinblick auf die Wiener Bauordnung“.
Mit Teilurteil vom 26. 4. 2017 zu 1 Ob 214/16a hat der Oberste Gerichtshof der Revision der klagenden Partei zur Gänze und jener des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichts im Umfang der Abweisung des Hauptbegehrens, des ersten Eventualbegehrens, des zweiten Eventualbegehrens, eines Teils des dritten Eventualbegehrens sowie des Feststellungsbegehrens bestätigt. Insoweit als das dritte Eventualbegehren auch im Umfang der Klagestattgebung durch das Erstgericht, die Beklagten seien schuldig, eine dem Stand der Technik zum 4. 6. 2004 entsprechende Deckenkonstruktion, die einen Standard-Trittschallschutz gemäß ÖNORM B 8115‑2 (Stand 2002/09/01 dh bewerteten Standard‑Trittschallpegel kleiner gleich 48 dB) unter Berücksichtigung des Spektrumsanpassungswertes (gemäß ÖNORM B 8115‑1, 2002/02/01) für Trittschall CI 50‑2500 aufweist, herzustellen, abgewiesen wurde,wurde das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufgetragen, weil das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichts, wie die Parteien die oben wiedergegebene Vertragsklausel verstanden, ohne Beweiswiederholung entfallen lassen hatte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Endurteil hat das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung das Urteil des Erstgerichts auch insoweit bestätigt, als es dem dritten Eventualbegehren teilweise stattgab. Dagegen richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision der Beklagten, in der keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung angesprochen werden:
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt dann vor, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass sich dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vornehmen lässt oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Keiner dieser Tatbestände wird hier dadurch erfüllt, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Feststellungen Überlegungen des Erstgerichts zu Anhang B der ÖNORM B 8115 nicht übernommen und dennoch die teilweise Stattgebung des dritten Eventualbegehrens der Klage bestätigt hat. Das hindert die Überprüfung seiner Entscheidung nicht.
2. Nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit eine Nichtigkeit des Berufungsurteils vorliegen soll, weil dessen Spruch, der seinem Wortlaut nach der Berufung der Beklagten nicht Folge gibt, in sich widersprüchlich sei. Mit ihren Ausführungen zur Nichtigkeit, weil ein Widerspruch innerhalb des Spruchs der Entscheidung vorliege, zielen die Revisionswerber daher erkennbar auf das Ersturteil ab. Dabei kritisieren sie, dass sie zur Herstellung eines Fußbodenaufbaus verpflichtet werden sollen, der einem Standard-Trittschallpegel kleiner gleich 48 dB unter Berücksichtigung des niederfrequenten Bereichs (50 bis 100 Hz), ausgedrückt durch den Spektrumanpassungswert, entspricht. Nähere Ausführungen zur behaupteten Nichtigkeit können hier schon deshalb unterbleiben, weil die Beklagten die behauptete Widersprüchlichkeit erkennbar daraus ableiten, dass die Berücksichtigung dieses Werts ihrer Ansicht nach im Ergebnis zu einem höheren Trittschallschutz führt als es der Klassifizierung „Standard“ (laut ÖNORM B 8115‑5 [2012]) entspricht. Damit wenden sie sich in Wahrheit nämlich gegen die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen. Danach entsprach es bereits im Jahr 2004 dem Stand der technischen Wissenschaft, im Rahmen der bauphysikalischen Planung nicht nur den Standard-Trittschallpegel von 48 dB, der für den Messbereich über 100 Herz gilt, zu berücksichtigen, sondern auch den tieffrequenten Bereich miteinzubeziehen, was sich im Spruch der erstgerichtlichen Entscheidung widerspiegelt. Ausgehend davon ist auch der unter Hinweis auf die ÖNORM B 8115‑5 (2012) behauptete Begründungsmangel nicht zu sehen. Mit ihrer darauf aufbauenden Argumentation zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung weichen die Beklagten vom festgestellten Sachverhalt ab. Soweit sie in ihrer Rechtsrüge mit umfangreichen Ausführungen und Berechnungen darauf abzielen, dass der tieffrequente Bereich auch nach dem Stand des Jahres 2012 im Zusammenhang mit dem Standard-Trittschallpegel nicht zu berücksichtigen sei und ihnen daher die Herstellung eines solchen Standards nicht auferlegt werden könne, bekämpfen sie ebenfalls die durch die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens gestützte Beweiswürdigung der Vorinstanzen, ohne dass ein Verstoß des Sachverständigen gegen zwingende Denkgesetze erkennbar wäre (RIS‑Justiz RS0043320 [T2, T7]; RS0043404).
3. Entsprechend dem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs hat sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge der Revisionswerber abschließend auseinandergesetzt und nach Beweiswiederholung unter anderem durch Einvernahme der Parteien dargelegt, warum es die bekämpfte Feststellung des Erstgerichts, worauf die Parteien in der fraglichen Klausel des Kaufvertrags vom 4. 6. 2004 abzielten, übernahm und der Beweisrüge der Beklagten insoweit nicht zu folgen vermochte. Damit muss aber auch der Vorwurf der Revisionswerber ins Leere gehen, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang eine von ihnen gerügte Aktenwidrigkeit unerledigt gelassen. Soweit sie mit ihren Ausführungen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zu bekämpfen trachten, sprechen sie erneut Fragen der nicht revisiblen Beweiswürdigung an.
4.1 Bereits in der Entscheidung vom 26. 4. 2017 hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es im Zusammenhang mit der Kaufvertragsklausel vorrangig nicht um die Auslegung von ÖNORMEN, sondern um die Frage geht, welchen Inhalt die Parteien ihrer Vereinbarung durch den Verweis, dass die entsprechenden ÖNORMEN, insbesondere im Bezug auf die Trittschalldämmung, einzuhalten seien, tatsächlich gegeben haben, weil Willenserklärungen entsprechend dem übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten, also im Sinne ihres „natürlichen Konsenses“ zu verstehen sind (RIS‑Justiz RS0014167).
4.2 Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag war unbestreitbar zunächst ein Kaufvertrag nach § 1053 ABGB. Den Parteien steht es im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich frei, in einem solchen Vertrag über die gesetzlichen Vorgaben (§ 1062 ABGB) hinaus weitere Pflichten des Käufers zu vereinbaren (vgl Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1062 Rz 34). Der Umfang solcher vertraglich übernommenen Pflichten hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0042936). Steht nach dem nunmehr vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhalt fest, dass die Parteien mit der in Rede stehenden Vertragsbestimmung eine ordnungsgemäße, ausreichende Trittschalldämmung, dies auch im Hinblick auf die Wiener Bauordnung, verstanden haben, begründet es unter Berücksichtigung des Umstands, dass die im Auftrag der Beklagten errichtete Zwischendecke nicht dem Stand der Technik des Jahres 2004 entspricht, auch keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf den Aufhebungsbeschluss 1 Ob 214/16a zum Ergebnis gelangte, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrags übereinstimmend eine Bauausführung verstanden haben, die nach dem Stand der Technik zum damaligen Zeitpunkt ordnungsgemäß (im Sinne von einwandfrei) und ausreichend sein sollte. Nach den Feststellungen waren damit die tieffrequenten Schallgeräusche bei der bauphysikalischen Planung mitzuberücksichtigen.
5.1 Als Begründungsmangel und unrichtige rechtliche Beurteilung machen die Beklagten weiters geltend, dass das Berufungsgericht insgesamt von einem Kaufvertrag und nicht einem gemischten Vertragsverhältnis ausgegangen ist und damit die Anwendung werkvertraglicher Regeln auf die in Rede stehende Vertragsbestimmung unterlassen habe. Allenfalls stünden der Klägerin Schadenersatz-, nicht aber Erfüllungsansprüche zu. Mit dieser Argumentation zielen sie letztlich auf eine Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs ab.
5.2 Grundsätzlich zutreffend geben die Beklagten in diesem Zusammenhang die Judikatur des Obersten Gerichtshofs wieder, nach der im Allgemeinen bei gemischten Verträgen für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift heranzuziehen ist (vgl nur RIS‑Justiz RS0013941). Warum die von der Klägerin eingeforderte (vertraglich begründete) Maßnahme werkvertraglichen Regeln unterliegen sollte, vermögen die Revisionswerber nicht nachvollziehbar zu begründen; umso weniger als sie ausführen, sie wären gar nicht dazu verpflichtet gewesen, den Dachboden auszubauen. Die Beklagten schuldeten der Klägerin als Käufer von Miteigentumsanteilen und spätere Auftraggeber des Dachbodenausbaus nicht die Herstellung eines bestimmten Werks gegen Entgelt (§ 1151 Abs 1 ABGB) und waren ihr gegenüber daher auch nicht zu einer (mängelfreien) Ablieferung eines Werks verpflichtet, sondern haben nach der ausdrücklichen Vereinbarung dieser gegenüber beim Ausbau des Dachbodens in Bezug auf den Trittschall für die Einhaltung eines bestimmten Standards einzustehen. Sie sind also dazu verpflichtet, bei Ausbau des Dachbodens einen bestimmten Zustand in ihrer eigenen Sphäre herzustellen, nicht aber dazu, der Klägerin eine bestimmte Leistung zu übergeben. Damit schulden die Beklagten entgegen deren Ansicht der Klägerin auch nicht die auf Gewährleistung beruhende Verbesserung eines ihr mangelhaft erbrachten Werks, sodass auch keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darin liegt, dass es den von ihnen erhobenen Einwand der Verjährung verwarf, weil der Anspruch außerhalb der Frist des § 933 Abs 1 ABGB erhoben worden sei. Selbst bei Anwendung der Gewährleistungsregeln des ABGB wäre aber für die Beklagten nichts gewonnen, weil die Verjährungsfrist erst mit dem Tag der Ablieferung der Sache beim Gläubiger (§ 933 Abs 1 Satz 2 ABGB) beginnen würde. Das ist jener Zeitpunkt, in dem der Übernehmer die Leistung „in die Hand“ bekommt und damit überprüfen kann (vgl nur P. Bydlinski in KBB5 § 933 ABGB Rz 9 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Entgegen der Ansicht des Beklagten kann in ihrem Einzug in die Wohnung eine solche Ablieferung keinesfalls erblickt werden.
Mit diesem Vertragspunkt wird aber auch nicht eine bloße „Obliegenheitsbestimmung“ formuliert, wie sie meinen. Dagegen spricht schon, dass die Parteien die Formulierung „verpflichten sich“ verwendet haben und damit eindeutig die Übernahme einer bestimmten Verpflichtung zum Ausdruck brachten. Nach dem Inhalt des mit der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrags schuldeten die Beklagten daher zunächst die diesem Vertragstypus entsprechende Hauptleistung, also die Zahlung des Kaufpreises. Daneben haben sie die Einhaltung einer bestimmten Qualität beim Ausbau des Dachbodens zugesagt, die der Klägerin besonders wichtig war, und damit eine Nebenpflicht übernommen, deren Erfüllung selbst dann eingeklagt werden kann, wenn es sich um eine unselbständige Nebenleistungspflicht handelt (1 Ob 563/92 = RIS‑Justiz RS0020061). Es begründet daher auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht aus dieser Vertragsklausel nicht bloß Schadenersatzansprüche der Klägerin, die dann nach Ansicht der Beklagten verjährt wären, ableitete, sondern ihr aus der von den Beklagten im Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung, beim Ausbau des Dachbodens bestimmte Vorgaben (Trittschalldämmung) einzuhalten, einen Erfüllungsanspruch zuerkannte.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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