Spruch:
1. Der Revisionsrekurs des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
2. Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das Begehren der beiden Antragsteller auf Einräumung eines bestimmten Notwegs ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 iVm § 64 Abs 1 AußStrG zulässig sei.
Dagegen erhoben die Erst‑ bis Drittantragsgegner und die Siebt‑ bis Elftantragsgegner Revisionsrekurse, die jeweils von den Antragstellern beantwortet wurden.
1. Gemeinsamer Revisionsrekurs des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin:
Den Beschluss des Rekursgerichts erhielt der Vertreter des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin am 8. 5. 2012 (Zustellzeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG idF BGBl I 2012/26) im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt und brachte den Revisionsrekurs in derselben Form am 5. 6. 2012 ein.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist verspätet:
Die Frist für den Revisionsrekurs beträgt gemäß § 9 Abs 3 NWG iVm § 65 Abs 1 AußStrG vierzehn Tage. Die vierzehntägige Frist für die Erhebung des Revisionsrekurses endete mit Ablauf des 22. 5. 2012. Der erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebrachte Revisionsrekurs ist daher verspätet. § 46 Abs 3 AußStrG (Berücksichtigung verspäteter Rechtsmittel unter bestimmten Voraussetzungen) wurde durch Art 15 Z 3 BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, aufgehoben. Diese Bestimmung ist hier nicht mehr anzuwenden, weil das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 30. 6. 2011 liegt (§ 207h AußStrG).
Gemäß § 25 Abs 1 NWG idF des AußStr‑BegleitG kommt in Verfahren über die Einräumung (oder Erweiterung) von Notwegen ausnahmslos nur noch eine Kostenersatzpflicht der Eigentümer des notleidenden Grundstücks, hier also der Antragsteller, in Betracht (3 Ob 76/08k; 3 Ob 154/09g; Obermaier, Kostenhandbuch² [2010] Rz 823). Ein Kostenersatz an die Antragsteller ist somit generell ausgeschlossen.
2. Zurückstellung der Akten an das Erstgericht:
a.) Die Vertreterin der Elftantragsgegnerin gab den Revisionsrekurs am 21. 5. 2012 (rechtzeitig) zur Post. Die Rechtsvertreterin unterließ in der nicht im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe die Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141). Für den damit mit einem Formmangel behafteten Rechtsmittelschriftsatz ist vom Erstgericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen.
Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1).
Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen, das die Elftantragsgegnerin gemäß § 9 Abs 3 NWG iVm § 10 Abs 4 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung ihres Revisionsrekurses durch die Rechtsvertreterin im elektronischen Rechtsverkehr aufzufordern hat. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 erster Satz AußStrG). Da die Antragsteller bereits eine Revisionsrekursbeantwortung zum mit einem Formmangel behafteten Revisionsrekurs der Elftantragsgegnerin einbrachten, wird durch die allfällige Verbesserung dieses Rechtsmittels keine neue Frist zur Revisionsrekursbeantwortung ausgelöst.
b.) Der Fünfzehntantragsgegner ist seit 26. 9. 2011 volljährig. Der Beschluss des Rekursgerichts wurde jedoch nicht ihm, sondern am 10. 5. 2012 Gerald R***** zugestellt. Eine Zustellvollmacht des Fünfzehntantragsgegners an Gerald R***** ist nicht aktenkundig. Mangels rechtswirksamer Zustellung des zweitinstanzlichen Beschlusses an den Fünfzehntantragsgegner begann für ihn die vierzehntägige Frist für den Revisionsrekurs (§ 65 Abs 1 AußStrG) noch nicht zu laufen.
Die Akten sind daher dem Erstgericht auch zurückzustellen, um die Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts an den Fünfzehntantragsgegner zu veranlassen. Nach Ablauf der Revisionsrekursfrist sind die Akten wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
c.) Der zweitinstanzliche Beschluss wurde der Siebtantragsgegnerin am 10. 5. 2012 durch Hinterlegung zugestellt, nachdem sie an ihrer Wohnadresse nicht anzutreffen war. Sie übernahm den Beschluss am 14. 5. 2012 und erhob durch ihren nunmehrigen Vertreter am 29. 5. 2012 einen Revisionsrekurs. Darin brachte sie vor, dass sie bis einschließlich 13. 5. 2012 (Sonntag) an ihrem Zweitwohnsitz gewesen sei und die hinterlegte Sendung erst am 14. 5. 2012 (Montag) beheben habe können, wodurch gemäß § 17 Abs 3 letzter Halbsatz ZustG erst an diesem Tag die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels begonnen habe. Abweichend von ihrem Vorbringen erklärte sie in der beigelegten Urkunde „eidesstaatlich“, sich bis 14. 5. 2012 im Zweitwohnsitz aufgehalten zu haben.
Die Zustellvorschriften sind zwingendes Recht; ihre Einhaltung hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen (RIS‑Justiz RS0036440). Besteht über die Zustellung durch Hinterlegung eine öffentliche Urkunde, macht diese zunächst vollen Beweis darüber, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge eingehalten wurden. Der Gegenbeweis ist zulässig (RIS‑Justiz RS0040471). Die Siebtantragsgegnerin hat Umstände vorgebracht, die im Hinblick auf ihre frühere zeitweilige Ortsabwesenheit berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs aufkommen lassen, sodass der Oberste Gerichtshof den Zustellvorgang zu prüfen hat.
Gemäß § 9 Abs 3 NWG iVm § 71 Abs 4 und § 51 Abs 2 AußStrG sind bei behaupteten Zustellmängeln vom Gericht erster Instanz vor Vorlage der Akten die notwendigen Erhebungen durchzuführen. Die Akten sind daher dem Erstgericht auch zurückzustellen, um die erforderlichen Erhebungen zur behaupteten Ortsabwesenheit im Sinn des § 17 Abs 3 ZustG durchzuführen, damit die Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses der Siebtantragsgegnerin beurteilt werden kann.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)