OGH 1Ob150/24a

OGH1Ob150/24a19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 52.160,83 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Juli 2024, GZ 14 R 12/24y‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00150.24A.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Der Kläger macht Amtshaftungsansprüche wegen Mobbings (Bossings) geltend, vor allem mit der Behauptung, seine Gesundheitsdaten seien im Zusammenhang mit seiner Versetzung in den Ruhestand aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit ohne Rechtsgrundlage an die Dienstbehörde übermittelt worden.

[2] 1. Nur eine unvertretbare Rechtsanwendung begründet Amtshaftungsansprüche (RS0050216; RS0049955). Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit ein Verschulden des Organs wird in der Regel verneint, wenn sie auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RS0049974 [T2], RS0050216 [T1]). Der Beurteilung der Richtigkeit der Vorgehensweise eines Organs kommt daher im Amtshaftungsprozess keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, wenn das Handeln des Organs – ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung – als jedenfalls vertretbar beurteilt wurde (RS0049951 [T12]).

[3] Die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837).

[4] 2. Eine solche zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf.

[5] Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass §§ 52 iVm 14 BDG eine ausreichende gesetzliche Grundlage (iSd § 54 Abs 2 Z 1 ÄrzteG) für die Übermittlung des in Auftrag gegebenen ärztlichen Gutachtens einschließlich der Diagnose samt weiteren Gesundheitsdaten an den Dienstgeber bilde, weil aufgrund eines bloßen Leistungskalküls ohne Befund eine Überprüfung der Schlüssigkeit der Gutachtensergebnisse nicht möglich wäre.

[6] Der Revisionswerber wendet sich unter Hinweis auf Art 2 und Art 8 EMRK ausschließlich gegen die Richtigkeit dieser Beurteilung. Dabei übersieht er aber, dass das Berufungsgericht es als zumindest vertretbar angesehen hat, dass sich die Dienstbehörde auf dieser Grundlage die Gesundheitsdaten des Klägers hat übermitteln lassen, zumal sie auch nach der Judikatur des VwGH die Schlüssigkeit eines Gutachtens kritisch zu prüfen habe (vgl VwGH Ro 2014/12/0010).

[7] Dem setzt der Revisionswerber nichts Stichhältiges entgegen. Vielmehr verweist er selbst darauf, dass aus der (höchstgerichtlichen) Judikatur nicht hervorgehe, wie weit die Übermittlungspflicht nach § 52 BDG reiche und ob diese Bestimmung die Veranlassung der uneingeschränkten Übermittlung von Gesundheitsdaten an die Dienstbehörde erlaube.

[8] Anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Entscheidung 1 Ob 199/22d. Dort stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass allein aus behaupteten Verstößen gegen Schutzpflichten nach Art 2 und Art 8 EMRK (dort: durch unzureichende Informationen) mangels unmittelbarer Wirkung für die Verwaltung und damit für das konkrete behördliche Handeln keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können (RS0134356). Zwar ist nicht auszuschließen, dass Art 8 EMRK auch für die Auslegung von § 52 BDG relevant sein könnte. Auch das ist aber eine Frage der Richtigkeit des vom Kläger beanstandeten Verhaltens. Dass dieses Verhalten aus diesem Grund unvertretbar wäre (etwa wegen einschlägiger Judikatur des EGMR) zeigt die Revision nicht auf.

[9] 3. Für Mobbing (Bossing) ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung und dergleichen (RS0124076 [T2]). Ob Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen als Bossing zu qualifizieren sind, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0124076 [T6]).

[10] Nach Ansicht der Vorinstanzen bietet der festgestellte Sachverhalt keinen Anhaltspunkt für eine systematische Herabsetzung oder eine prozesshafte Ausgrenzung des Klägers durch die Dienstbehörde.

[11] Dem hält der Revisionswerber konkret bloß entgegen, dass er das „Gefühl“ gehabt habe, der Behörde „komplett egal“ zu sein, und dieses Gefühl einen Verdrängungseffekt und damit die Qualifikation der Ruhestandsversetzung als Schikane begründen könne. Dabei übergeht er aber, dass es gerade nicht auf sein subjektives Empfinden, sondern auf die objektive Eignung der vom Vorgesetzten gesetzten Maßnahme ankommt, beim Untergebenen einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (RS0124076 [T7, T9]).

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