VwGH Ro 2014/12/0010

VwGHRo 2014/12/001030.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des S M in U, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. November 2013, 137.18/5-I/1/13, betreffend Ruhestandsversetzung gemäß § 14 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs2 idF 2012/I/120;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BDG 1979 §14 Abs2 idF 2012/I/120;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht seit seiner durch den angefochtenen Bescheid bewirkten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle im Aktivdienstverhältnis war die Polizeiinspektion U.

2 Mit Schreiben vom 15. Jänner 2013 ersuchte die Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: Dienstbehörde) die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: BVA) - unter Anschluss diverser ärztlicher Befunde und einer Beschreibung des Arbeitsplatzes des Revisionswerbers - um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens samt Leistungskalkül betreffend den Revisionswerber.

3 Über Auftrag der BVA erstatteten jeweils am 22. März 2013 Dr. H. ein neurologisch psychiatrisches Gutachten und Dr. P. ein ärztliches Gutachten.

4 Im neurologisch psychiatrischen Gutachten Dris. H. wird

auszugsweise Folgendes ausgeführt:

" ANAMNESE

...

Jetzige Krankheiten (Beginn, Verlauf):

Alkoholabusus seit mehreren Jahren, ein erster stationärer Entzugs- und Entwöhnungsaufenthalt erfolgt im Februar 2010 (Bad Hall). Dieser war durchaus erfolgreich, der Patient für zumindest 16 Monate völlig ‚trocken'.

Es gab zu dieser Zeit bereits erhebliche Eheprobleme (getrennte Schlafzimmer, etc.).

Trotz des erfolgreichen Alkoholentzuges kommt es im September 2012 zur Scheidung. In der Folge destabilisiert sich der Alkoholkonsum wieder massiv, von Dezember 2012 bis März 2013 erfolgen insgesamt 4 stationäre Behandlungen an der psychiatrischen Abteilung der LNK WJ Linz (siehe unten).

Seit 27.11.2012 ist der Patient in anhaltendem Krankenstand. Körperlich werden keinerlei Einschränkungen angegeben.

Psychisch fühlt sich der Patient ‚nicht fit'. Die Stimmung wäre eher gedrückt, jedenfalls stark schwankend, der Antrieb ‚nicht dort wie ich ihn wollte', insgesamt bin ich nicht 100 % leistungsfähig. ‚Heute habe ich eher nichts getrunken, gestern Abend habe ich mir ein Bier aufgemacht oder 2...'

...

DERZEITIGE THERAPIE

Medikation:

Sertralin 50 mg -0-0

Trittico 150 mg Retard 0-0-0-2/3 Delpral 300 mg 1-0-1 (dzt. nicht eingenommen) Praxiten 50 mg nach Bedarf

Antiepileptikum (Name nicht erinnerlich, nicht eingenommen) Andere Therapien (ambulant, Heilverfahren, etc.):

Tagesklinik ab 22.04.2013.

Vorbereitungsgruppe (Termine 12.03., 19.03., 26.03., 02.04., 09.04., 16.04.2013).

Termin bei Pro Mente Rohrbach geplant (noch nicht konkret vereinbart).

...

BEFUNDE

Entlassungsbericht Reha-Zentrum Bad Hall 19.02.2010

bis 02.04.2010

Amadeusklinik Bad Aussee 06.12.2011 bis 10.01.2012.

Psychiatrie LNK WJ Linz 12.12.2012 bis 23.12.2012.

Psychiatrie LNK WJ Linz 23.01.2013 bis 30.01.2013.

Psychiatrie LNK WJ Linz 15.02.2013 bis 21.02.2013.

Psychiatrie LNK WJ Linz 03.03.2013 bis 15.03.2013.

...

AUSFÜHRLICHER PSYCHOPATHOLOGISCHER STATUS Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, Ductus

kohärent, leicht umschweifig aber das Denkziel jeweils gut erreichend, die Stimmung leicht dysthym - gedrückt, der Antrieb intermittierend reduziert, Hang zu sozialem Rückzug, mit Trittico keine Ein- und Durchschlafstörungen, keine fassbaren Biorhythmusstörungen, anamnestisch SMG, aktuell keine präsuizidale / suizidale Einengung.

...

DIAGNOSEN (nach Relevanz gereiht, die führende Diagnose nach dem ICD-10-Code)

 

ICD-10-Code

1. Alkoholabhängigkeitserkrankung

2. Chronisch rezidivierend depressive Episode, aktuell mittelgradig ausgeprägt

F10.2

F33.1

  

...

LEISTUNGSDEFIZITE (Beschreibung der Leistungseinschränkungen als Folge von Funktionsdefiziten und deren Diagnosen)

Allgemeine Beurteilung (ausführliche und schlüssige Zusammenfassung)

Herr (Revisionswerber) leidet unter den oben angeführten psychiatrischen Erkrankungen.

Definitiv führend ist der Alkoholabusus, damit assoziiert und die Grunderkrankung perpetuierend die Affekterkrankung (depressive Episoden). Herr (Revisionswerber) ist bzgl. seiner Alkoholerkrankung in hohem Maße selbstkritisch und selbstreflektierend.

Die einschlägigen wiederholten stationären Behandlungen erfolgten jeweils auf Eigeninitiative, auch jetzt zeigt sich der Patient glaubhaft engagiert, sich dem Problem zu stellen.

Dennoch kann ggw. kein Zweifel bestehen, dass das Suchtverhalten anhaltend floride ist, von einer Abstinenz ist der Patient weit entfernt!

BEURTEILUNG DES KALKÜLS (mit Quantifizierung - ständig, überwiegend, fallweise)

Arbeitshaltung (sitzend, gehend, stehend) keine Einschränkung

Körperliche Belastbarkeit (leicht, mittel, schwer) keine Einschränkung

Hebe- und Trageleistungen (leicht, mittel, schwer)

keine Einschränkung

Zwangshaltung

keine Einschränkung

Exposition (Nässe, Kälte, Hitze, Staub)

keine Einschränkungen

Arbeitsart (Feinarbeit, Grobarbeit, Fingerfertigkeit)

keine Einschränkung

Arbeitstempo (Zeitdruck)

Maximal normales Arbeitstempo auf Basis Teilzeittätigkeit

möglich.

Psychische Belastbarkeit

Erheblich eingeschränkt und mit den durchschnittlichen

Anforderungen des Berufsprofils ggw. und bis auf weiteres nicht

kompatibel.

Geistiges Leistungsvermögen

keine Einschränkungen

Aufenthalt in (geschlossenen Räumen, im Freien, bei Lärm, höhenexponiert, allgemein exponiert)

keine Einschränkungen

Waffengebrauch (Hieb-, Stich- & Schusswaffen;

Beurteilung optional bei entsprechenden Berufen)

bis auf Widerruf ausgeschlossen.

Lenken eines KFZ

In nie beeinträchtigtem Zustand.

Nacht-/Schichtarbeit

-

Bildschirmarbeit

möglich

Kundenkontakt

grundsätzlich möglich

Anmarschweg

keine Einschränkungen

Übliche Arbeitspausen ausreichend

x ja

o nein

   

...

VORAUSSICHTLICHE ENTWICKLUNG

Besserung zu erwarten:

Nachuntersuchung empfohlen:

ja x

ja x

nein o

nein o wann: in 12 Monaten

   

Reha-Maßnahmen:

geplant

..."

5 Im ärztlichen Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin

Dris. P. wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

" ANAMNESE

...

Jetzige Krankheiten (Beginn, Verlauf):

rezid. depressive Störung seit 2006 (Panikattacken),

stationäre Therapie 2011, 2012, 2013

etwas Beschwerden Wirbelsäule

Derzeitige Beschwerden nach subjektiv empfundener

Wertigkeit gereiht:

Depression (dzt. ca. mittelgradig, derzeit fühlt er sich nicht dienstfähig, glaubt es wird besser in einigen Monaten, Ansuchen um Herabsetzung der Wochenarbeitszeit bzw. vorübergehende Befreiung von Wochenenddiensten läuft, Versetzung auf andere Dienststelle wäre möglich)

mäßige Wirbelsäulenbeschwerden

...

DIAGNOSEN (nach Relevanz gereiht, die führende Diagnose nach dem ICD-10-Code)

 

ICD-10-Code

1. Depression

2. Bandscheibenvorfall

F33.9

M51.9

  

...

LEISTUNGSDEFIZITE (Beschreibung der Leistungseinschränkungen als Folge von Funktionsdefiziten und deren Diagnose)

Allgemeine Beurteilung (ausführliche und schlüssige Zusammenfassung)

Aus allgemeinmedizinischer Sicht steht der Bandscheibenvorfall bei L5/S1 im Vordergrund mit Fehlhaltung und Schultertiefstand rechts, derzeit mit mäßigen Beschwerden und geringen Bewegungseinschränkungen, ohne neurologische Defizite, er hat keine Gehbehinderung, keine Gehhilfe. Das Hauptleiden ist sicherlich die psychiatrische Erkrankung (wiederkehrende Depression), die vom FA Dr. (H...) eingeschätzt wird.

Es bestehen daher nur geringe körperliche Einschränkungen, die Arbeit als Polizist wäre diesbezüglich weiter möglich und zumutbar. Er selbst sieht nach mehreren stationären Therapien und wöchentlicher Gesprächstherapie eine psychische Stabilisierung und sieht sich im Zeitraum von einigen Monaten wieder arbeitsfähig.

...

BEURTEILUNG DES KALKÜLS (mit Quantifizierung - ständig, überwiegend, fallweise)

Arbeitshaltung (sitzend, gehend, stehend) alle

Körperliche Belastbarkeit (leicht, mittel, schwer) mittel

Hebe- und Trageleistungen (leicht, mittel, schwer)

leicht

Zwangshaltung

ja tlw. bei PC-Arbeit

Exposition (Nässe, Kälte, Hitze, Staub)

alle

Arbeitsart (Feinarbeit, Grobarbeit, Fingerfertigkeit)

Feinarbeit

Arbeitstempo (Zeitdruck)

gering bis mittel zumutbar

Psychische Belastbarkeit

gering bis mittel zumutbar

Geistiges Leistungsvermögen

mittel

Aufenthalt in (geschlossenen Räumen, im Freien, bei Lärm, höhenexponiert, allgemein exponiert)

alle

Waffengebrauch (Hieb-, Stich- & Schusswaffen;

Beurteilung optional bei entsprechenden Berufen)

soll vom FA Psychiatrie beurteilt werden

Lenken eines KFZ

ja

Nacht-/Schichtarbeit

soll reduziert werden auf max. 3 ND/Monat, eventuell auch

Befreiung von Wochenenddiensten

Bildschirmarbeit

ja, ohne Einschränkung

Kundenkontakt

ja

Anmarschweg

möglich

Übliche Arbeitspausen ausreichend

x ja

o nein

   

...

VORAUSSICHTLICHE ENTWICKLUNG

Besserung zu erwarten:

Nachuntersuchung empfohlen:

ja x

ja x

nein o

nein o wann: siehe auch psychiatr. GA

   

Reha-Maßnahmen:

ja demnächst Kur wegen Wirbelsäule, laufend ambulante

Gesprächstherapie 1x/Woche

..."

6 Anhand dieser beiden Gutachten stellte die Oberbegutachterin der BVA Dr. W. - ohne eigene ergänzende Befundaufnahme - in ihrer zusammenfassenden Darstellung vom 17. April 2013 Folgendes fest:

"Diagnose (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)

  1. 1.

    Alkoholabhängigkeitserkrankung

  2. 2. Chronisch rezidivierende depressive Episoden, aktuell mittelgradig.

    3. Degenerative Veränderungen im Bereich des Stützapparates mit Bandscheibenschaden im Lendenbereich ohne klinische Hinweise auf radikuläre Ausfallserscheinungen

    Leistungskalkül

    Der Beamte leidet führend an psychiatrischen Funktionseinschränkungen, wobei das Alkoholabhängigkeitssyndrom ganz im Vordergrund steht. Assoziiert und durch die Suchterkrankung perpetuiert liegt eine depressive Episode (Affekterkrankung) vor. Hinsichtlich der Alkoholerkrankung ist der Beamte selbstkritisch und selbstreflektiert. Er hat wiederholt und von sich aus stationäre Behandlungen durchgeführt. Der Beamte zeigt sich glaubhaft engagiert sich dem Problem zu stellen. Dennoch besteht derzeit aus gutachterlicher Sicht kein Zweifel, dass das Suchtverhalten anhaltend floride und der Beamte von einer Abstinenz weit entfernt ist. Hinzu kommen altersbedingte degenerative Veränderungen im Bereich des Stützapparates. Hier wären regelmäßige physikalische Behandlungen und Rückenschulungen dringend anzuraten, um einer anhaltenden Einschränkung vorzubeugen.

    Zusammenfassend können demnach leichte, mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten ausgeführt werden. Exponierte Lagen sowie höhenexponierte Lagen sind keinesfalls zulässig. Es können leichte, mittelschwere und schwere grob- und feinmotorische Arbeiten ausgeführt werden. Besonders feine Arbeiten entsprechend einer Uhrmachertätigkeit sind aufgrund eines leichten Tremors ausgeschlossen. Greifsicherheit und Koordinationsvermögen sind uneingeschränkt. Bildschirmarbeiten am üblich gemischten Büroarbeitsplatz sind unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen zulässig. Aufgrund der Gesamtsituation können lediglich gering verantwortliche Tätigkeiten unter geringem Zeit- und Leistungsdruck ausgeführt werden. Die kognitiven Fähigkeiten sind für höhere verantwortliche Tätigkeiten, die zusätzlich besondere Flexibilität und Eigeninitiative erfordern, eingeschränkt. Alle Tätigkeiten die besondere Anforderungen an Flexibilität, hohe Anforderungen an Eigenverantwortlichkeit und Eigeninitiative stellen, können nicht mehr ausgeführt werden.

    Mehrstundenbelastungen, Nacht- und Schichtarbeiten sind nicht zulässig. Kundenkontakte und Parteienverkehr, ausschließlich fallweise konfliktzentriert aber nicht ständig, wären möglich. Weiters scheiden alle Tätigkeiten die den plötzlichen Einsatz körperlicher Gewalt oder Geschicklichkeit erfordern aus (wie etwa Festnahme Verdächtiger, Überwinden von Hindernissen oder aber längeres laufendes Verfolgen). Das Lenken eines KFZ und der Waffengebrauch sind ausgeschlossen.

    Der weitere Einsatz im Exekutivdienst ist aufgrund der psychiatrischen Erkrankung ausgeschlossen.

    Die psychiatrische Erkrankung (Alkoholabhängigkeit) wäre grundsätzlich behandelbar. Aus dem bisherigen Krankheitsverlauf ist zu schliessen, dass trotz stationärer Behandlungen und der Einsicht und Reflexionsfähigkeit des Beamten bislang keine nachhaltigen Erfolge hinsichtlich der Suchterkrankung erreicht werden konnten. Eine kalkülsrelevante Besserung ist demzufolge realistischerweise nicht zu erwarten.

    Ungeachtet dieser Prognose, sollte der Beamte weiterhin motiviert werden, seine Alkoholerkrankung zu behandeln, um eine rasche Progredienz und die Entwicklung von Secundärfolgen zu vermeiden."

    7 Mit Schreiben vom 7. Mai 2013 übermittelte die Dienstbehörde dem Revisionswerber das ärztliche Gutachten Dris. W vom 17. April 2013 und teilte ihm mit, dass er nach Ansicht der Dienstbehörde auf seinem aktuellen Arbeitsplatz nicht mehr dienstfähig sei. Sodann heißt es (ohne dass dem Akt diesbezüglich Ermittlungstätigkeiten der Dienstbehörde zu entnehmen wären), dass ihm im Wirkungsbereich der Dienstbehörde auch kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Sinn des § 14 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 zugewiesen werden könne. Der Revisionswerber wurde weiters darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, ihm im gesamten Bundesdienst mit seiner Zustimmung einen Alternativarbeitsplatz zuzuweisen. Die Dienstbehörde biete ihm einen solchen Alternativarbeitsplatz auf Grund seines Krankheitsbildes nicht an. Es sei daher beabsichtigt, ihn mit Ablauf des 30. Juni 2013 in den Ruhestand zu versetzen.

    8 Mit Schreiben vom 14. Mai 2013 sprach sich der Revisionswerber gegen die beabsichtige Versetzung in den Ruhestand aus und brachte vor, dass er seine Arbeit auf der Polizeiinspektion U. wieder aufnehmen wolle. Er sei am 6. November 2012 von Dr. M. untersucht und für voll exekutivdienstfähig erklärt worden. Es wisse nicht, weshalb ihm am 3. Dezember 2012 schriftlich mitgeteilt worden sei, dass er weiterhin im Krankenstand zu belassen sei. Das von Dr. W. erstellte Gutachten nehme er zur Kenntnis, es entspreche seines Erachtens aber nicht der vollständigen Wahrheit. Er kenne aber die von den untersuchenden Ärzten abgegebenen Gutachten nicht. Es seien ihm im Jahr 2013 keine Ausschreibungen von Planstellen im Bereich der Dienstbehörde zur Kenntnis gebracht worden.

    9 Mit Bescheid der Dienstbehörde vom 15. Juli 2013 wurde der Revisionswerber gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. August 2013 in den Ruhestand versetzt.

    10 In der Begründung hielt die Dienstbehörde zunächst fest, der Revisionswerber sei als Exekutivbeamter bei der Polizeiinspektion U. als Sachbearbeiter eingeteilt. Seine Verwendung bestehe in der hauptsächlichen Verrichtung von exekutivem Außendienst. Nach dem erstellten Leistungskalkül der leitenden Ärztin der BVA, Dr. W., sei sein weiterer Einsatz im Exekutivdienst auf Grund der psychiatrischen Erkrankung ausgeschlossen. Der Revisionswerber sei auf Grund seines Gesundheitszustandes auf seinem aktuellen Arbeitsplatz nicht mehr dienstfähig und es könne ihm im Wirkungsbereich der Dienstbehörde auch kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen Verfassung erfüllen könne und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne. Gemäß § 14 Abs. 3 BDG 1979 sei für die Beurteilung von Fragen, die in das Gebiet des ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fielen, ausschließlich die BVA-Pensionsservice zuständig. Wie bereits angeführt, habe die Oberbegutachterin der BVA-Pensionsservice als rechtlich zuständige Sachverständige festgestellt, dass ein weiterer Einsatz im Exekutivdienst auf Grund der psychiatrischen Erkrankung ausgeschlossen sei. Nach Wiedergabe der Ausführungen im Gutachten Dris. W. führte die Dienstbehörde sodann aus, dass die polizeiärztliche Untersuchung vom 6. November 2012 durch den Polizeiarzt Dr. M. für das laufende Ruhestandsversetzungsverfahren von Gesetzes wegen irrelevant sei. Außerdem sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Schluss auf die Dienstunfähigkeit nicht nur auf Grund ärztlicher Feststellungen, sondern insbesondere bei habituellen Charaktereigenschaften (Alkoholabhängigkeit) auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig.

    11 In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Revisionswerber zur Prognose im Gutachten Dris. W. vor, er habe in der Zeit vom 22. April 2013 bis 17. Mai 2013 im Linzer Wagner Jaureggkrankenhaus eine tagesklinische Entwöhnungsbehandlung durchgeführt. Für die Stabilisierung der Abstinenz besuche er die Ambulanz im oben genannten Krankenhaus sowie die Alkoholberatungsstelle in R. Weiters sei er bei Frau Mag. K. und Dr. S. in psychologischer bzw. medizinischer Behandlung. Der gesamte Bescheid bezüglich der Ruhestandsversetzung werde von ihm zur Gänze als unbegründet eingestuft.

    12 Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Ruhestandsversetzung mit Ablauf des Monatsletzten, der der Rechtskraft des Berufungsbescheides folge, wirksam werde.

    13 In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass die Berufungsausführungen des Revisionswerbers nicht in der Lage seien, die eindeutigen medizinisch-wissenschaftlichen Ausführungen im Gutachten der BVA vom 17. April 2013 zu erschüttern. Ausdrücklich werde festgestellt, dass die belangte Behörde auf Grund des vorliegenden Sachverständigenbeweises es als erwiesen annehme, dass der Revisionswerber in Folge seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, dessen Aufgaben er nach seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande sei und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne, weshalb er dauernd dienstunfähig sei.

    14 Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

    15 Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift mit dem Antrag vor, die Revision abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

16 Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am 21. Dezember 2013 zugestellt. Aus dem Grunde des § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013) war gegen diesen Bescheid die am 28. Jänner 2014 erhobene Revision zulässig. Für die Behandlung einer solchen Revision gelten die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG in der zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit einer - im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten - Maßgabe.

17 § 14 BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I. Nr. 120/2012 lautet auszugsweise:

"Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten - Befund und Gutachten einzuholen.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, wirksam.

(5) Die Ruhestandsversetzung tritt nicht ein, wenn der Beamtin oder dem Beamten spätestens mit dem Tag vor ihrer Wirksamkeit mit ihrer oder seiner Zustimmung für die Dauer von längstens zwölf Monaten vorübergehend ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen wird, dessen Anforderungen sie oder er zu erfüllen imstande ist. Mehrere aufeinander folgende Zuweisungen sind zulässig, sofern sie insgesamt die Dauer von zwölf Monaten nicht überschreiten. ..."

18 Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, die belangte Behörde sei weder auf sein Berufungsvorbringen noch auf das Gutachten vom 17. April 2013 eingegangen, was einen groben Begründungsmangel darstelle. Es wäre jedenfalls ein aktuelles Gutachten einzuholen gewesen. Wie der Revisionswerber in seiner Berufung ausgeführt habe, habe sich seine gesundheitliche Situation deutlich gebessert, weil er nun entwöhnt sei und er laufend daran arbeite, dass die Situation so bleibe. Es hätten sich daher wesentliche Umstände geändert, die er der Behörde zur Kenntnis gebracht habe. Zudem habe die belangte Behörde die Schlüssigkeit des Gutachtens weder kritisch geprüft noch einer sorgfältigen Beweiswürdigung unterzogen, sondern sie habe den Inhalt dieses Gutachtens ungeprüft übernommen. Wäre die belangte Behörde im Sinn der Verfahrensvorschriften vorgegangen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass er wieder voll dienstfähig sei und die Tätigkeiten an seinem bisherigen Arbeitsplatz verrichten könne.

19 Jedoch auch ausgehend von der Richtigkeit des Gutachtens vom 17. April 2013, welche er ausdrücklich bestreite, sei die belangte Behörde nicht gesetzeskonform vorgegangen. Die belangte Behörde führe selbst aus, dass der Revisionswerber uneingeschränkt für Bildschirmarbeiten am üblich gemischten Arbeitsplatz geeignet sei. Dennoch folgere sie daraus, dass ihm kein gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Ihm einen Alternativarbeitsplatz im Innendienst zuzuweisen, wäre hingegen leicht möglich gewesen und entspreche der gängigen Vorgehensweise in gleichartigen Fällen. Die belangte Behörde habe dadurch, dass sie nicht angebe, weshalb sie trotz vorerwähnten Gutachtensinhaltes die Möglichkeit seiner Verwendung auf einem Ersatzarbeitsplatz verneine, ihre Begründungspflicht verletzt.

20 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

21 In Bezug auf die seitens des Revisionswerbers bekämpfte Annahme der belangten Behörde, wonach ein tauglicher Verweisungsarbeitsplatz im Verständnis des § 14 Abs. 2 zweiter Fall BDG 1979 nicht zur Verfügung stehe, ist Folgendes auszuführen:

22 Im Rahmen der Sekundärprüfung spielt unter anderem die gesundheitliche Verfassung des Beamten und die Gleichwertigkeit des Verweisungsarbeitsplatzes eine Rolle. Dabei sind grundsätzlich alle Tätigkeiten der betreffenden Verwendungsgruppe und deren Anforderungen in physischer und psychischer Hinsicht im Wirkungsbereich der jeweiligen obersten Dienstbehörde anzuführen und anzugeben, ob der Beamte auf Grund der festgestellten Restarbeitsfähigkeit imstande ist, diese Tätigkeiten auszuüben. Von dieser Verpflichtung könnte die Dienstbehörde dann entbunden sein, wenn entweder überhaupt keine Restarbeitsfähigkeit des Beamten besteht oder dargelegt wird, dass überhaupt keine Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe frei sind, bzw., dass sämtliche freien Arbeitsplätze seiner Verwendungsgruppe der bisherigen Verwendung nicht gleichwertig oder aber nicht im Sinne des § 14 Abs. 2 BDG 1979 zumutbar sind (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, 2010/12/0136, mwN).

23 Keiner der genannten Fälle wurde im angefochtenen Bescheid dargetan. Von einer gänzlich fehlenden Restarbeitsfähigkeit ist angesichts des im angefochtenen Bescheid dargelegten Leistungskalküls im Übrigen auch nicht auszugehen. Das Fehlen jeglicher Ausführungen zur Frage eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes stellt einen Begründungsmangel dar und belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

24 Soweit der Revisionswerber der Annahme der belangten Behörde, wonach er im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung als dauernd dienstunfähig anzusehen sei, entgegentritt, ist Folgendes auszuführen:

25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehende Dienstunfähigkeit nur dann als dauernd zu werten, wenn - nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitpunkt - keine Heilungschancen bestehen, das heißt, wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2008, 2007/12/0047, mwN).

26 Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu erstellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1993, 92/12/0055).

27 Im Revisionsfall hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid damit begnügt, die Ausführungen im Gutachten Dris. W. auszugsweise wiederzugeben, wonach "eine kalkülsrelevante Besserung" realistischer Weise nicht zu erwarten sei. In den dieser abschließenden Einschätzung der Gutachterin vorangehenden Ausführungen hat diese die psychiatrische Erkrankung (Alkoholabhängigkeit) des Revisionswerbers grundsätzlich als "behandelbar" qualifiziert, die Frage, ob diesbezüglich hinreichend konkret absehbare Heilungschancen bestehen aber ausschließlich deshalb verneint, weil "trotz stationärer Behandlungen und der Einsicht und Reflexionsfähigkeit des Beamten bislang keine nachhaltigen Erfolge hinsichtlich der Suchterkrankung erreicht werden konnten".

28 Abgesehen davon, dass diese Prognose mit den in der Anamnese des neurologisch psychiatrischen Gutachtens Dris. H. enthaltenen Angaben, wonach der im Februar 2010 erfolgte stationäre Entzugs- und Entwöhnungsaufenthalt erfolgreich gewesen und der Revisionswerber danach für zumindest 16 Monate völlig "trocken" gewesen sei, in einem - von der belangten Behörde nicht aufgelösten - Spannungsverhältnis steht, hätte die belangte Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens, wonach der Revisionswerber nach der dem Gutachten zugrundeliegenden Befundaufnahme eine tagesklinische Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe, für die Stabilisierung der Abstinenz die Ambulanz dieser Klinik sowie eine Alkoholberatungsstelle besuche und zudem in psychologischer bzw. medizinischer Behandlung stehe, eine neuerliche medizinische Abklärung der Frage der Heilungschancen veranlassen müssen.

29 Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

30 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. Jänner 2017

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