Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung durch den Senat aufgetragen.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 25. 2. 2009 geschieden.
Mit Antrag vom 10. 2. 2010 begehrte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 20. 8. 2010 die Ehewohnung der Antragstellerin zu, verpflichtete den Antragsgegner - Zug um Zug gegen Erhalt einer der Antragstellerin aufgetragenen Ausgleichszahlung von 70.000 EUR - zur Räumung und Abgabe aller Erklärungen, die zur Aufgabe all seiner bücherlichen und außerbücherlichen Rechte an dieser Liegenschaft erforderlich seien, und sprach aus, dass die Antragstellerin zur alleinigen Rückzahlung diverser hypothekarisch sichergestellter Darlehen bis zum Höchstbetrag von 50.000 EUR verpflichtet sei.
Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin Rekurs mit dem zusammengefassten Begehren, ihr keine Ausgleichszahlung aufzuerlegen und sie zur alleinigen Rückzahlung der hypothekarisch sichergestellten Darlehen auf der Liegenschaft bis zum Höchstbetrag von 63.384 EUR zu verpflichten. Der Antragsgegner beantragte in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Nach Vorlage des Akts an das Rekursgericht wurde mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 13. 12. 2010 über das Vermögen des Antragsgegners das Sanierungsverfahren eröffnet und Dr. Michael Kaintz zum Insolvenzverwalter bestellt (mittlerweile wurde mit Beschluss vom 6. 7. 2011 die Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren abgeändert).
Mit Senatsbeschluss vom 7. 2. 2011 stellte das Rekursgericht fest, dass das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG iVm §§ 7 und 8a IO unterbrochen sei, und stellte die Akten dem Erstgericht zurück.
Mit Schriftsatz vom 23. 2. 2011 beantragte die Antragstellerin die Fortsetzung des (Rekurs-)Verfahrens. Im vom Rekursgericht durchgeführten Verbesserungsverfahren zur Glaubhaftmachung „des Erlöschens“ des Unterbrechungsgrundes gab der Antragstellervertreter bekannt, dass dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht entsprochen werden könne; die Forderung der Antragstellerin sei im Sanierungsverfahren des Antragsgegners noch nicht angemeldet worden.
Daraufhin wies das Rekursgericht mit Beschluss vom 17. 5. 2011, der allein vom Vorsitzenden des nach der Geschäftsverteilung des Rekursgerichts zuständigen Senats gefasst wurde, den Fortsetzungsantrag der Antragstellerin ab und stellte deklarativ fest, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen sei. Rechtlich führte das Rekursgericht aus, die Antragstellerin habe das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung des Rekursverfahrens nicht fristgerecht nachweisen können, sodass ihr Antrag abzuweisen sei. Dieser Beschluss wurde dem Antragstellervertreter - wie im Revisionsrekurs zugestanden - am 24. 5. 2011 zugestellt.
Dagegen erhob die Antragstellerin mit einem am 6. 6. 2011 beim Rekursgericht elektronisch eingebrachten Schriftsatz „Rekurs“. Das Rechtsmittel leitete das Rekursgericht nicht an das Erstgericht weiter, sondern schaffte lediglich den erstinstanzlichen Akt bei.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Mit dem angefochtenen Beschluss verweigerte das Rekursgericht der Antragstellerin die Fortsetzung des unterbrochenen Rekursverfahrens. Dieser Beschluss ist gemäß § 26 Abs 4 AußStrG selbständig anfechtbar. Beim Rechtsmittel der Antragstellerin handelt es sich - entgegen der von ihr gewählten unrichtigen Bezeichnung - nicht um einen Rekurs, sondern um einen Revisionsrekurs. Die Antragstellerin ficht einen Beschluss an, der im Rahmen des - infolge Eröffnung des Sanierungsverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners unterbrochenen - Rekursverfahrens erging. § 62 AußStrG unterscheidet nicht zwischen Beschlüssen über die Sache, sonstigen Beschlüssen oder für selbständig anfechtbar erklärten verfahrensleitenden Beschlüssen. Zu letzteren zählt die Anordnung der Unterbrechung. Alle diese Beschlüsse unterliegen dem Regime des § 62 AußStrG. Daher ist im Außerstreitverfahren auch ein vom Rekursgericht gefasster Unterbrechungsbeschluss zwar grundsätzlich anfechtbar, allerdings nur unter der Voraussetzung des § 62 AußStrG (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 62 Rz 2; 6 Ob 77/07b = SZ 2007/85; 2 Ob 174/09s = Zak 2010/88, 58 [Geroldinger]).
Da die Antragstellerin die erstinstanzliche Aufteilungsentscheidung hinsichtlich der Auferlegung einer Ausgleichszahlung von 70.000 EUR bekämpft, übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts jedenfalls 30.000 EUR, sodass Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist.
2. Die Frist für den Revisionsrekurs beträgt gemäß § 65 Abs 1 AußStrG 14 Tage und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts. Im vorliegenden Fall endete diese Frist am 7. 6. 2011. Ein Revisionsrekurs ist beim Gericht erster Instanz zu erheben (§ 65 Abs 2 AußStrG). Die Tage des Postenlaufs werden in die Rechtsmittelfrist nicht eingerechnet (§ 89 Abs 1 GOG); dies gilt jedoch nur dann, wenn das Rechtsmittel an das richtige Gericht adressiert ist. Die unrichtige Adressierung einer fristgebundenen Eingabe schließt hingegen die Anwendung des § 89 GOG generell aus (RIS-Justiz RS0041608; RS0041753), was auch für das Außerstreitverfahren gilt (RIS-Justiz RS0006096; RS0041608 [T5]). Die Rechtsmittelfrist ist nur dann gewahrt, wenn ungeachtet der unrichtigen Adressierung der Schriftsatz noch innerhalb der offenen Frist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0041608 [T7, 12]; RS0041753 [T4]). Dies ist hier nicht erfolgt, weil das Rekursgericht den bei ihm am 6. 6. 2011 eingebrachten und an das Rechtsmittelgericht adressierten Revisionsrekurs nicht an das Erstgericht weiterleitete. Das Rechtsmittel ist somit verspätet.
3. Gemäß § 46 Abs 3 AußStrG - dessen Aufhebung durch Art 15 Z 3 Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111, gemäß § 207h AußStrG hier noch nicht zu berücksichtigen ist - können nach Ablauf der Rekursfrist Beschlüsse angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Diese Bestimmung gilt gemäß § 71 Abs 4 AußStrG auch im Verfahren über den Revisionsrekurs. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0104136 [T6, 8]; zuletzt 7 Ob 174/10d und 3 Ob 232/10d) § 46 Abs 3 AußStrG auf verspätete Rechtsmittel gegen eine Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nicht anzuwenden, weil dadurch in die Rechte des Rechtsmittelgegners eingegriffen würde, jedoch betrifft der angefochtene Beschluss über die Abweisung des Fortsetzungsantrags der Antragstellerin nicht die Aufteilungsentscheidung.
Nach der zutreffenden neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 252/09s = EvBl 2010/78 [zust Nunner-Krautgasser]) ist die Zulässigkeit der Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels gemäß § 46 Abs 3 AußStrG nicht mehr wie nach § 11 Abs 1 AußStrG 1854 in das Ermessen des Gerichts gestellt, weshalb die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht mehr Teil der anzustellenden Prüfung sind (vgl aber RIS-Justiz RS0007115 und RS0111098). Einziges Kriterium für die Berücksichtigung des nach Ablauf der (Revisions-)Rekursfrist erhobenen Rechtsmittels ist vielmehr, ob im Sinn des § 46 Abs 3 AußStrG die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses mit einem Nachteil für eine andere Person verbunden wäre. Eine andere Person ist grundsätzlich jeder vom (Revisions-)Rekurswerber verschiedene, am Verfahren Beteiligte. Er muss aber nicht immer Partei des Verfahrens sein. Voraussetzung für eine meritorische Behandlung des verspäteten Revisionsrekurses ist das Fehlen eines Nachteils für die materiellrechtliche oder die verfahrensrechtliche Stellung eines Dritten (RIS-Justiz RS0007180 [T8, 9 und 11]; Nunner-Krautgasser, Zur Berücksichtigung verspäteter Rekurse im Außerstreitverfahren, Zak 2009/94, 70 [72]). Durch die Abweisung des Fortsetzungsantrags der Antragstellerin haben aber weder der Antragsgegner noch dessen Insolvenzverwalter Rechte erworben, die durch eine Abänderung oder Aufhebung beeinträchtigt würden. Für diese ist kein Nachteil zu erkennen, strebt doch der Antragsgegner im Rekursverfahren die Bestätigung der erstinstanzlichen Aufteilungsentscheidung an, nach welcher er von der Antragstellerin Zug um Zug gegen Überlassung und Übertragung der Ehewohnung eine Ausgleichszahlung von 70.000 EUR erhalten soll. Auf den Revisionsrekurs der Antragstellerin ist daher gemäß § 46 Abs 3 AußStrG Bedacht zu nehmen.
4. Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels der Antragstellerin ist der Besetzungsmangel des Rekursgerichts, dessen Vorsitzender allein den Beschluss über die Abweisung der Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens fasste, aufzugreifen.
Im außerstreitigen Rekursverfahren hat das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss jedenfalls aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, wenn das (Erst-)Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 58 Abs 4 Z 3 AußStrG). Dabei handelt es sich um einen unvermeidlichen Aufhebungsfall, in dem eindeutig und schlechthin vom Grundsatz der Sachentscheidung abgegangen werden muss (ErlRV zu § 58 AußStrG, abgedruckt in Fucik/Kloiber aaO 214). Dieser schwerwiegende Mangel wirkt absolut, das heißt unabhängig davon, ob er im Einzelfall eine Auswirkung auf die Entscheidung haben konnte (Klicka in Rechberger, AußStrG § 58 Rz 2; Fucik/Kloiber aaO § 58 Rz 4). § 55 Abs 3 AußStrG bestimmt, dass das Rekursgericht aus Anlass eines zulässigen Rekurses das Vorliegen dieses Mangels selbst dann wahrzunehmen hat, wenn er von keiner Partei geltend gemacht wurde. § 71 Abs 4 AußStrG wiederum sieht (mit Ausnahme des § 50 Abs 1 Z 4 AußStrG) die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen über den Rekurs für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof - und damit auch jener des § 55 Abs 3 AußStrG - vor (5 Ob 249/07i = iFamZ 2008/85, 161 [Fucik]). Infolge des zulässigen Rechtsmittels der Antragstellerin ist daher die Verletzung der vorschriftsmäßigen Besetzung des Rekursgerichts vom Obersten Gerichtshof amtswegig wahrzunehmen.
Nach § 7 Abs 1 JN ist bei den Landes- und Handelsgerichten die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, sofern nicht andere Vorschriften Abweichendes anordnen, in zweiter Instanz durch Senate auszuüben, die aus einem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern bestehen. Da weder das AußStrG noch die §§ 7, 7a, 8a, 34 und 35 JN oder § 37 GOG abweichende Bestimmungen enthalten, ist für die Beschlussfassung über die Abweisung des Antrags auf Fortsetzung des unterbrochenen Rekursverfahrens der Senat des Rekursgerichts zuständig. Der Verstoß gegen die vorschriftsmäßige Besetzung des Rekursgerichts - Entscheidung durch dessen Vorsitzenden, obwohl dazu der Senat berufen ist - begründet einen absolut wirkenden Verfahrensmangel, der von Amts wegen aufzugreifen ist.
Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses der Antragstellerin ist daher der allein vom Vorsitzenden des Rekursgerichts gefasste Beschluss aufzuheben und dem Senat eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)