Normen
AHG §1
B-VG Art10 Abs1 Z7
AHG §1
B-VG Art10 Abs1 Z7
Spruch:
Eine Überschreitung der dienstlichen Befugnisse und Zuständigkeitsgrenzen schließt den inneren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit ebenso wenig aus wie der Mißbrauch der Amtsstellung zu strafbaren oder anderen rechtswidrigen Zwecken; ein Organ ist also auch dann noch als in Vollziehung der Gesetze tätig anzusehen, wenn es nur unter dem Anschein hoheitlichen Handelns Schaden zufügt
Angehörige von Wachkörpern im Revierdienst sind in der Regel für mehrere Rechtsträger tätig; diese haften dann nach dem AHG dem Geschädigten solidarisch
Der keiner bestimmten Verwaltungsmaterie außer der Sicherheitspolizei zuzuordnende Revierdienst eines Angehörigen eines Wachkörpers, der Bundesbeamter ist, dient auch der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG) und fällt daher auch in den Vollzugsbereich des Bundes, der damit Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 1 AHG ist
Eine während der Ausübung des Dienstes in Uniform begangene Tätlichkeit eines Angehörigen eines Wachkörpers an einer Person, mit der nur dienstlicher Kontakt bestand, ist im Zweifel auch dann noch als in Vollziehung der Gesetze geschehen anzusehen, wenn die Tätlichkeit etwas später als die Amtshandlung gesetzt wurde
OGH 20. Mai 1981, 1 Ob 14/81 (OLG Linz 3 R 8/81; LG Salzburg 8 Cg 317/80)
Text
Die Klägerin geht seit mehreren Jahren in Salzburg der Prostitution nach. Der Polizeibeamte Paul W erstattete gegen sie bereits am 20. Juni 1977 und 12. September 1978 Anzeige wegen Ausübung der Prostitution in der Öffentlichkeit, der Anstandsverletzung und der ungebührlichen Lärmerregung (§§ 1 bis 3 Salzburger Landespolizeistrafgesetz, LGBl. 58/1975, im folgenden SbgLPolStG). Paul W war am 5. August 1979 mit dem Motorrad auf Dienststreife.
Die Klägerin begab sich am 5. August 1979 in die Erste Chirurgische Abteilung der Landeskrankenanstalt in Salzburg, wo sie gegen 22 Uhr ambulant versorgt wurde. Als Verletzungsursache gab sie an, von einem Polizisten geschlagen worden zu sein. Das gegen die Klägerin über Anzeige der Bundespolizeidirektion Salzburg eingeleitete Strafverfahren wegen Verdachtes der Verleumdung endete mit Freispruch, der in Rechtskraft erwachsen ist. Hierauf stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg gegen Paul W Strafantrag wegen Vergehens der Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung, Vergehens der Verleumdung und der falschen Beweisaussage vor Gericht. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz war dieses Strafverfahren noch nicht beendet (inzwischen wurde Paul W durch das Berufungsgericht freigesprochen).
Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage begehrt die Klägerin von der Republik Österreich ein der Höhe nach unbestrittenes Schmerzengeld von 5000 S mit der Behauptung, daß sie am 5. August 1979 in Salzburg vom Polizeibeamten Paul W während der Ausübung seines Dienstes bei einer Kontrolle mißhandelt und verletzt worden sei. Der Polizeibeamte habe den Meldezettel der Klägerin verlangt und kontrolliert und sei damit im Vollzugsbereich der beklagten Partei tätig geworden.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil kein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten eines Organes des Bundes vorliege. Eine gegenüber der Klägerin rechtmäßig durchgeführte Amtshandlung hätte nur ihre Kontrolle als Prostituierte zum Gegenstand haben können. Diese Amtshandlung falle nicht in die Kompetenz des Bundes, sondern in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, so daß die beklagte Partei passiv nicht legitimiert sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest: Während der Dienststreife am 5. August 1979 habe Paul W die ihm bekannten Prostituierten Rosalia H und die Klägerin an der Ecke Ferdinand-Porsche- Straße/Elisabeth-Straße im Stadtgebiet von Salzburg stehen gesehen und aus ihrem Verhalten vermutet, daß sie dort der Straßenprostitution nachgehen wollten. Da er beabsichtigt habe, die beiden Frauen deswegen zu kontrollieren, sei er auf die Klägerin zugegangen und habe sie zur Vorweisung des Meldezettels aufgefordert. Die Kontrolle habe nicht den Zweck gehabt, die Einhaltung der Meldevorschriften durch die Klägerin zu überwachen, sondern sei ausschließlich wegen der vermuteten Tätigkeit als Prostituierte geschehen. Wegen des Inhaltes des Meldezettels sei es zwischen der Klägerin und Paul W zu einer wörtlichen Auseinandersetzung gekommen. Anschließend sei Paul W mit dem Dienstmotorrad wieder weggefahren. Nach den "Behauptungen" (gemeint wohl: den Aussagen der Klägerin als Beschuldigte bzw. als Zeugin in den gegen sie und Paul W durchgeführten Strafverfahren) soll Paul W etwas später wieder zurückgekehrt sein und der Klägerin zwei Schläge versetzt haben, wodurch sie verletzt worden sei.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß ein Schaden, der ein in Vollziehung der Gesetze handelndes Organ zugefügt habe, von jenem Rechtsträger zu ersetzen sei, für den das Organ funktionell tätig geworden sei. Der Kompetenztatbestand "Sittenpolizei" falle gemäß Art. 118 Abs. 3 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Dementsprechend bestimme auch § 6 Abs. 1 SbgLPolStG, daß die nach diesem Gesetz von der Gemeinde zu besorgenden Angelegenheiten solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde seien. Paul W sei daher bei der Kontrolle der Klägerin am 5. August 1979 funktionell nicht für die beklagte Partei, sondern für eine andere Gebietskörperschaft tätig geworden, so daß die beklagte Partei passiv nicht legitimiert sei.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil in seiner Abweisung des Schmerzengeldbegehrens unter Rechtskraftvorbehalt auf. Um ein konkretes Organverhalten einem Rechtsträger zurechnen zu können, müsse geprüft werden, ob es von einer Person in ihrer Eigenschaft als Organ gesetzt worden sei. Hiebei komme es zum geringsten Teil auf den ganz und gar im Inneren verlaufenden Willensakt an. Es sei vielmehr der äußere Tatbestand maßgebend. Sei die Handlung eines Organs lediglich die Äußerung einer Privatperson, könne sie dem Rechtsträger nicht als Organhandlung zugerechnet werden. Es genüge allerdings, daß die zum Schadenersatz verpflichtende Handlung mit den Geschäftsaufgaben eines Organes im Zusammenhang stehe. Stehe fest, daß der Schaden durch eine einem Rechtsträger zurechenbare rechtswidrige Organhandlung schuldhaft verursacht worden sei, sei zu klären, welcher Rechtsträger in Anspruch genommen werden könne; dies sei jener, in dessen Vollzugsbereich das betreffende Organ tätig geworden sei. Es sei also möglich, daß eine Person bald als Organ der einen, bald als Organ der anderen Körperschaft tätig werde. Ein Verhalten einer Person könne aber auch mehreren Körperschaften als Organhandlung zugerechnet werden, wenn das Organ ausnahmsweise für mehrere Rechtsträger tätig geworden sei. Für die Frage der Zurechnung des behaupteten Verhaltens des Polizeibeamten Paul W stehe somit nicht der vom Erstgericht festgestellte (und von der Klägerin bekämpfte) Zweck seiner Handlung (d. h. die von ihm damit verfolgte Absicht), sondern der gesetzte äußere Tatbestand im Vordergrund. Dieser sei aber noch zuwenig geklärt. Das Erstgericht habe sich damit begnügt, die von der Klägerin im Strafverfahren gegebene Darstellung des Vorfalles wiederzugeben, ohne Feststellungen darüber zu treffen, ob sie tatsächlich durch den Polizeibeamten Paul W verletzt worden sei. Es sei aber auch ungeklärt geblieben, auf welche Weise der Polizeibeamte Paul W die vom Erstgericht festgestellte (und von der Berufungswerberin bekämpfte) Absicht, sie wegen verbotener Straßenprostitution zu kontrollieren, nach außen hin zu erkennen gegeben habe. Nach der vom Erstgericht wiedergegebenen Darstellung der Klägerin habe sich Paul W nach der wörtlichen Auseinandersetzung zunächst entfernt; er soll erst später wiedergekommen sein und die Klägerin bei diesem Zusammentreffen geschlagen haben. Es stehe daher nicht fest, als Organ welches Rechtsträgers Paul W bei diesem zweiten Kontakt mit der Klägerin tätig geworden sei oder ob hier allenfalls (nur) ein privater Racheakt vorliege. Das Erstgericht werde auch festzustellen haben, welchen dienstlichen Auftrag Paul W für die betreffende Streifenfahrt hatte, also welche polizeiliche Tätigkeit für welchen Rechtsträger dieser Auftrag umfaßte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Vorinstanzen gingen zutreffend davon aus, daß für die Frage, welcher Rechtsträger für die Schädigung durch ein Organverhalten haftbar gemacht werden kann, die funktionelle Zuordnung der Organtätigkeit entscheidet. Es kommt daher nicht darauf an, wessen Organ der angeblich Schuldtragende nach seiner dienstrechtlichen Stellung war, sondern in wessen Namen und für wen er funktionell tätig wurde. Entscheidend ist damit der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ tätig war (JBl. 1979, 487; SZ 51/126; EvBl. 1978/39; SZ 43/78; EvBl. 1963/184; SZ 26/51; 1 Ob 4/79; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts[3], 327; Adamovich, Handbuch[6], 417, Loebenstein - Kaniak, KommzAHG, 39; Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 272 f.; Spanner, ÖJZ 1950, 51; Hellbling, JBl. 1949, 183). Die Frage, welchem Rechtsträger ein bestimmtes Organverhalten zuzurechnen ist, ist bei Organhandlungen von Mitgliedern eines Wachkörpers von besonderer Problematik. Die in Art. 10 Abs. 1 Z. 14 und Art. 102 Abs. 5 B-VG genannten Wachkörper sind nämlich keine Verwaltungsbehörden mit einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Kompetenzbereich, sondern Hilfsorgane mehrerer Behörden und Rechtsträger und haben in der Regel keine eigene Entscheidungs- und Verfügungskompetenz (VfSlg. 4692/1964). Sie haben vielmehr die Anordnungen der Behörden, denen sie beigegeben sind, zu vollziehen und sind damit nicht zwangsanordnende, sondern bloß zwangsausübende Organe; ihre Akte sind der Behörde und dem Rechtsträger zuzurechnen, als deren Hilfsorgane sie im einzelnen Fall tätig werden (Walter - Mayer a. a.O., 196).
Damit besteht gerade in diesem Bereich der Vollziehung der Gesetze in ganz besonderem Maße die Möglichkeit, daß ein Organ bald für den einen und bald für einen anderen Rechtsträger, aber auch gleichzeitig für mehrere Rechtsträger tätig wird. In diesem Fall kann das Verhalten einer Person, wie das Berufungsgericht richtig hervorhob, als Organhandlung auch mehreren Rechtsträgern zugerechnet werden (1 Ob 4/79). Es besteht dann Solidarhaftung der betreffenden Rechtsträger mit Rückgriffsmöglichkeit untereinander (EvBl. 1980/199; Loebenstein - Kaniak a.a.O., 39, 71). Dies ist auch der Standpunkt der deutschen Lehre und Rechtsprechung zu der vergleichbaren Bestimmung des § 839 BGB. Befindet sich ein Amtsorgan - funktionell - in einer "Doppelstellung" und verletzt es gleichzeitig die Pflichten aus beiden Amtern, so haften beide Rechtsträger (Kreft in BGB-RGRK[12], § 839 RdZ 59, 61 mwN). Es kann aber auch vorkommen, daß für ein bestimmtes Organhandeln, wie etwa bei einem von einem Gedarmeriebeamten auf der Heimfahrt von einer mehreren Zwecken dienenden Patrouillenfahrt verschuldeten Unfall, eine besondere funktionelle Zuordnung der schadenstiftenden Handlung überhaupt nicht möglich ist. Auch hier hat die Solidarhaftung der in Betracht kommenden Rechtsträger einzutreten (EvBl. 1980/199; ebenso Kreft a.a.O., RdZ 61, der für die Solidarhaftung der beteiligten Rechtsträger eintritt, wenn sich nicht feststellen läßt, ob die - feststehende - Pflichtverletzung im Rahmen des einen oder des anderen Amtes erfolgt ist).
Soweit eine besondere funktionelle Zuordnung möglich ist, kommt es auf den Vollzugsbereich des betreffenden Rechtsträgers, als dessen Hilfsorgan das Mitglied eines Wachkörpers jeweils tätig ist, sowie allenfalls auch auf dem Organ im Einzelfall erteilte dienstliche Aufträge an. Nicht entscheidend kann es hingegen, wie die zweite Instanz ebenfalls zutreffend ausführte, sein, was die subjektive Absicht der als Organe handelnden physischen Personen, also der "ganz und gar im Inneren verlaufende Willensakt" (Loebenstein - Kaniak a.a.O., 38), war. Es kommt vielmehr - ebenso wie für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt ein zurechenbares Organhandeln vorliegt (vgl. dazu insbesondere Antoniolli a.a.O., 274 f.) - auf den äußeren Tatbestand (bzw. den äußeren Anschein) der vorgenommenen Handlung (Loebenstein - Kaniak a.a.O., 38) und dabei insbesondere auf die vom Organ abgegebenen Erklärungen an.
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die vom Polizeibeamten Paul W bei der Klägerin vorgenommene Meldezettelkontrolle (auch) als Amtshandlung nach dem Meldegesetz, BGBl. 30/1973 (kurz: MeldeG 1972), und damit als eine in den Vollzugsbereich des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG) fallende Organhandlung anzusehen. Gemäß § 10 Abs. 1 MeldeG 1972 hat der Meldepflichtige auf Verlangen ... von
Sicherheitsorganen ... seine Identität und die Richtigkeit der zur Erfüllung der Meldepflicht erforderlichen Meldedaten durch Vorlage geeigneter Urkunden nachzuweisen. Eine solche Kontrolle ist kein notwendiger Bestandteil einer Amtshandlung nach § 3 Abs. 1 SbgLPolStG, da dessen Straftatbestand keine Merkmale enthält, die mit der Meldepflicht wegen Unterkunftnahme in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb (§ 1 Abs. 1 MeldeG 1972) in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Auch eine Vorlage des Meldezettels als bloßes Hilfsmittel zur Identitätsprüfung scheidet im konkreten Fall aus, da der Polizeibeamte Paul W die Klägerin kannte.
Daraus folgt aber, daß der Polizeibeamte Paul W bei seiner Amtshandlung, was immer auch sonst noch ihr Gegenstand gewesen sein mag, jedenfalls auch im Vollzugsbereich des Bundes tätig geworden ist, so daß es nicht erforderlich ist, die Frage zu prüfen, ob er nach außen hin einen Vollzug weiterer, nicht in den Vollzugsbereich des Bundes fallender Aufgaben zu erkennen gegeben hat. Sollte die behauptete Mißhandlung der Klägerin bei dieser Amtshandlung erfolgt sein, hätte jedenfalls auch der Bund zu haften.
Nach dem bisher vom Erstgericht nur wiedergegebenen, aber nicht zum Gegenstand von Feststellungen gemachten Beweisergebnissen besteht aber auch die Möglichkeit, daß Paul W nach Beendigung der erwähnten Amtshandlung mit dem Dienstmotorrad wegfuhr und etwas später wieder zur Klägerin zurückkehrte und sie bei dieser Gelegenheit mißhandelte.
Damit stellt sich auch die - systematisch vor dem Problem der Zuordnung einer Organhandlung zum Verantwortungsbereich eines bestimmten Rechtsträgers stehende - Frage der Zuordnung eines Verhaltens als Organhandlung schlechthin. Daß in dem behaupteten Vorgehen des Polizeibeamten Paul W nicht nur ein rechtswidriges, sondern sogar ein strafgesetzwidriges Handeln läge, schließt eine Zurechnung als Organhandlung nicht aus (§ 1 Abs. 1 AHG; SZ 33/86). Die Amtshaftung gilt vielmehr gerade auch für solches rechtswidriges Handeln von Organen von Rechtsträgern bei Vollziehung der Gesetze. Nur wenn ein Organ Handlungen vornimmt, die mit den Aufgaben seines Amtes in keinem Zusammenhang stehen, kommt eine Zurechnung dieser Handlungen an den Rechtsträger selbst dann nicht in Betracht, wenn die betreffende physische Person als Organ auftreten wollte und auch tatsächlich aufgetreten ist. Eine Überschreitung der Zuständigkeit allein kann hingegen die Qualifikation als Organhandlung nicht ausschließen. Eine schuldhafte Gesetzesverletzung, für die der Rechtsträger zu haften hat, liegt vielmehr sogar in der Regel gerade darin, daß das Organ nicht im Rahmen seiner gesetzlichen Pflichten handelte. Eine Überschreitung der dienstlichen Befugnisse und Zuständigkeitsgrenzen schließt den inneren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit ebensowenig aus wie der Mißbrauch der Amtsstellung zu strafbaren oder anderen rechtswidrigen Zwecken. Das Organ ist also auch dann noch als "in Vollziehung der Gesetze" tätig anzusehen, wenn es das Gegenteil dessen tut, was seine dienstliche Pflicht ist (vgl. BGHZ 11, 181, 185), oder selbst das tut, was es anderen zu wehren hat (Kreft a.a.O., RdZ 77 mwN), wenn es nur unter dem Anschein hoheitlichen Handelns Schaden zufügt, insbesondere sich der Form behördlicher Erledigungen bedient, sich auf seine Amtsstellung beruft oder dem Geschädigten rechtlich oder tatsächlich nicht jene Vorsicht und Gegenwehr zugemutet werden kann, mit der er eine Schädigung dieser Art durch einen privaten Schädiger abwehren könnte (Antoniolli a.a.O., 275). Der Staat muß den äußeren Anschein gegen sich gelten lassen, so wie er selbst Vertrauen in die äußeren Zeichen seiner Macht wie etwa in die Uniform fordert (Antoniolli a. a.O., 274). Ein Organ der Exekutive, das sich durch das Tragen einer Uniform als im Dienst befindlich ausweist, wird daher in aller Regel eine Organhandlung setzen, auch wenn es von dem ihm vorgeschriebenen Verhalten abweicht. Nur wenn es eindeutig außerhalb seines Aufgabenkreises handelt, wird eine Zurechnung entfallen. Daraus ergibt sich, daß im Falle einer Mißhandlung anläßlich einer Meldezettelkontrolle jedenfalls im Zweifel ein innerer Zusammenhang zwischen der Dienstverrichtung und der schadenstiftenden Handlung anzunehmen ist. Auch dann, wenn der Polizeibeamte Paul W nur bei einem ersten Zusammentreffen mit der Klägerin Amtshandlungen vorgenommen und erst "etwas später" zurückgekehrt wäre und bei diesem zweiten Zusammentreffen keine weiteren Amtshandlungen vorgenommen, sondern die Klägerin nur mißhandelt hätte, müßte ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der einem Rechtsträger zuzurechnenden Dienstverrichtung angenommen werden, wenn Paul W mit der Klägerin offenbar nur in Ausübung seines Dienstes Kontakt bekommen hatte und sich immer noch im Streifen- (Revier-)dienst befand. Nur wenn er gegenüber der Klägerin deutlich gemacht hätte, daß er sich nicht mehr als in Amtsausübung befindlich betrachte - wofür bisher jeder Anhaltspunkt fehlt -, käme ein keinem Rechtsträger zuzurechnender, bloß privater Racheakt (vgl. Kreft a. a.O. RdZ 124 mwN) in Frage.
Sollte danach auch die bei einem zweiten Zusammentreffen angeblich erfolgte Mißhandlung der Klägerin an sich als Organhandlung zuzurechnen sein, wäre für diese schon wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der vorherigen Amtshandlung wiederum (auch) der Bund verantwortlich. Mit der Führung der allgemeinen Sicherheitspolizei sind im übrigen Bundesbehörden betraut (Walter, System des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 420). Als im Streifendienst tätiges Organ der der Bundespolizeidirektion Salzburg angegliederten Bundessicherheitswache oblag dem Polizeibeamten Paul W unabhängig von allfälligen konkreten dienstlichen Aufträgen im Einzelfall, die schon begrifflich nur dort gegeben werden konnten, wo ein konkreter Anlaß zu einem polizeilichen Einschreiten vorweg bekannt war - auch die Wahrnehmung der Agenden der allgemeinen Sicherheitspolizei. Zur Sicherheitspolizei gehört die Abwehr von Gefahren, die nicht typischerweise in bezug auf ein bestimmtes Verwaltungsrechtsgut auftreten, sondern losgelöst von einem solchen entstehen. Die Ausübung der allgemeinen Sicherheitspolizei durch den Bund wird nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch den Kompetenztatbestand "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG) gerechtfertigt. Dazu gehören jene vorbeugenden Maßnahmen, die der Abwehr und der Unterdrückung der allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung im Inneren dienen. Eine Gefahr ist auch dann eine allgemeine, wenn sie keiner bestimmten Verwaltungsmaterie (außer der Sicherheitspolizei) zugeordnet werden kann, wenn sie also nicht nur innerhalb einer bestimmten Verwaltungsmaterie auftritt (VfSlg. 3201/1957). Die Sicherheitspolizei ist nur für die örtliche Sicherheitspolizei in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache und fällt dann in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeide (Art. 15 Abs. 2 und 118 Abs. 3 Z. 3 B-VG) und steht der Verwaltungspolizei gegenüber (VfSlg. 6262/1970 u. a.; Walter - Mayer a.a.O., 198).
Ist einer Bundespolizeibehörde eine Bundessicherheitswache beigegeben, darf für diesen örtlichen Wirkungsbereich von einer anderen Gebietskörperschaft kein Wachkörper eingerichtet werden (Art. 102 Abs. 5 B-VG). Daraus folgt aber, daß die Bundessicherheitswache, deren Aufgabe die Versehung des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist (§ 16 BehUG; Antoniolli a.a.O., 237), sowohl im Bereich der allgemeinen als auch im Bereich der örtlichen Sicherheitspolizei tätig wird. Die auf Abwehr allgemeiner Gefahren gerichtete, noch nicht einer bestimmten Verwaltungsmaterie zuzuordnende Tätigkeit eines Organs der Bundessicherheitswache fällt daher (auch) in den Vollzugsbereich des Bundes.
Damit hätte der Bund auch dann zu haften, wenn eine - noch als Organhandlung schlechthin anzusehende - Mißhandlung der Klägerin bei einem zweiten Zusammentreffen mit dem Polizeibeamten Paul W erfolgt wäre, ohne daß dieser außerdem eine konkrete, bereits einer bestimmten Verwaltungsmaterie zuzuordnende neue Amtshandlung vorgenommen hätte. Unter den dargestellten, von der Klägerin behaupteten Voraussetzungen - Feststellungen über die näheren Umstände der angeblichen Mißhandlung fehlen bisher - wäre von einer Verantwortlichkeit des Bundes für die behaupteten Mißhandlungen der Klägerin auszugehen. Da Feststellungen über die behauptete Schadenszufügung und deren näheren Umstände fehlen, hat es im Ergebnis bei der bekämpften Aufhebung zu bleiben.
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