European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00145.14A.0918.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Zweitantragsgegners wird zurückgewiesen.
Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 370,28 EUR (darin 61,71 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Zweitantragsgegner ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren einer Aktiengesellschaft (im Folgenden: AG), die noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Liegenschaft an die Erstantragsgegnerin veräußert hatte, die daraufhin grundbücherlich als Eigentümerin einverleibt wurde. Die Antragsteller waren zum Zeitpunkt der Veräußerung Mieter einer Wohnung in dem auf dieser Liegenschaft befindlichen Haus und sind es auch heute noch. Im März 2014 teilte der Zweitantragsgegner den Antragstellern mit, dass der Kaufvertrag über die Liegenschaft aus verschiedenen Gründen nichtig (und darüber hinaus auch anfechtbar) sei und verwies dazu insbesondere auf ein Rechtsgutachten einer bekannten Universitätsprofessorin, das er den Mietern zur Kenntnis brachte. Wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrags sei die AG weiterhin Eigentümerin der Liegenschaft. Die Mieter mögen bei ihrer Mietzinszahlung auf diesen Umstand Bedacht nehmen.
Die Antragsteller beantragten daraufhin die Annahme des Erlags der monatlichen Mieten im Betrag von 1.410,60 EUR gemäß § 1425 ABGB zu Gericht. Beide Antragsgegner behaupteten, im Hinblick auf die geschuldeten Mietzinse forderungsberechtigt zu sein. Es könne ihnen als Mietern nicht zugemutet werden, die Entscheidung zu treffen, an wen tatsächlich zu bezahlen ist. Der Zweitantragsgegner drohe an, an die Erstantragsgegnerin bezahlte Beträge allenfalls neuerlich einzufordern.
Das Erstgericht nahm den Erlag beschlussmäßig an und verwies darauf, dass mehrere Forderungsprätendenten vorhanden seien, weshalb die Voraussetzungen des § 1425 ABGB erfüllt seien.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es bedürfe keiner weiteren Darlegung, dass bei einem Mieter, der von einem Insolvenzverwalter des „Voreigentümers“ mit möglichen Rechtsfolgen einer Vertragsanfechtung konfrontiert werde, wobei ihm angedroht werde, allenfalls ein weiteres Mal leisten zu müssen, erhebliche Bedenken an der Rechtszuständigkeit des Gläubigers entstehen müssten. Entgegen der Auffassung der Erstantragsgegnerin seien diese Bedenken auch nicht völlig unfundiert. Auch das Rekursgericht wäre nicht in der Lage, einwandfrei zu beurteilen, an welchen der beiden Anspruchsprätendenten der Mietzins derzeit mit schuldbefreiender Wirkung geleistet werden könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Erstantragsgegner erhobene Revisionsrekurs erweist sich entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Rechtsauffassung des Rekursgerichts als unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer iSd § 63 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage abhängt.
Auch die Revisionsrekursbeantwortung des Zweitantragsgegners ist als unzulässig zurückzuweisen. Die Erstantragsgegnerin strebt mit ihrem Rechtsmittel eine Abweisung des Erlagsantrags an. Dadurch wäre aber die materielle Rechtsstellung des Zweiterlagsgegners nicht beeinträchtigt (vgl nur 1 Ob 78/09s = RdW 2009, 590 = RIS‑Justiz RS0110881 [T7]), weshalb ihm nicht zuzubilligen ist, dem Rechtsmittel mit einer Rechtsmittelbeantwortung entgegenzutreten.
Gemäß § 1425 ABGB kommt eine gerichtliche Hinterlegung insbesondere dann in Betracht, wenn der Gläubiger unbekannt ist oder eine Schuld aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Dazu gehören insbesondere die Fälle des sogenannten „Prätendentenstreits“, wenn also mehrere Personen eine bestehende Forderung beanspruchen und trotz zumutbarer Prüfung nicht feststellbar ist, wem das Recht zusteht (vgl nur Koziol in KBB 4 § 1425 ABGB Rz 8 mit Judikaturnachweisen). Ob die wahre Rechtszuständigkeit auf Gläubigerseite vom Schuldner leicht zu erkennen ist, ist stets von der Beurteilung des konkreten Einzelfalls abhängig, sodass sich eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 63 Abs 1 AußStrG nicht stellt. Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass der vom Zweitantragsgegner erhobene Anspruch nicht offenbar unbegründet ist (RIS‑Justiz RS0033644), ist darin keine erhebliche Fehlbeurteilung zu erkennen, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Eine objektive Unklarheit der Rechtslage berechtigt wie insbesondere das Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten grundsätzlich zum Erlag nach § 1425 ABGB (RIS‑Justiz RS0033610).
Warum es von ausschlaggebender Bedeutung sein sollte, dass die Erstantragsgegnerin als Liegenschafts-eigentümerin im Grundbuch aufscheint, ist nicht nachvollziehbar, beruft sich der Zweitantragsgegner doch gerade darauf, dass diese Einverleibung aufgrund einer absoluten Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts unrichtig sei. In solchen Fällen kann der wahre Eigentümer ‑ und damit auch die Person des aktuellen Vermieters (vgl § 1120 ABGB) ‑ von einem Mieter eben gerade nicht unschwer ermittelt werden, bliebe doch im Falle einer absolut nichtigen Vereinbarung der Veräußerer Eigentümer, auch wenn ein Eigentumserwerb des Erwerbers im Grundbuch eingetragen wurde (vgl nur RIS‑Justiz RS0011117). Sobald nun ein Mieter von Veräußerer ‑ bzw dem insoweit handlungsbefugten Insolvenzverwalter ‑ darauf hingewiesen wird, dass ein Eigentumserwerb des Käufers aus bestimmten Gründen entgegen dem Grundbuchstand nicht stattgefunden habe, ist es dem Mieter in der Regel nicht zuzumuten, die damit zusammenhängenden schwierigen Rechtsfragen auf eigenes Risiko zu beantworten. Liegt zudem ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ ein Rechtsgutachten vor, das die vom Zweitantragsgegner behauptete Nichtigkeit des Veräußerungsgeschäfts bestätigt, kann dem Rekursgericht keinesfalls der Vorwurf einer unvertretbaren Einzelfallbeurteilung gemacht werden, wenn es die Erlagsvoraussetzungen des § 1425 ABGB als gegeben angenommen hat. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin kann daher im vorliegenden Fall nicht im Entferntesten die Rede davon sein, dass die Erleger durch Einsichtnahme in das Grundbuch Kenntnis und Rechtssicherheit erfahren könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragsteller haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit hingewiesen.
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