OGH 1Ob127/02m

OGH1Ob127/02m13.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes W*****, vertreten durch Dr. Christian Butschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 - 19, wegen 58.225,30 EUR (= S 801.197,60) sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Februar 2002, GZ 14 R 91/01g-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. März 2001, GZ 31 Cg 38/00m-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit der am 30. 11. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger den Ersatz der aus dem fehlerhaften Tätigwerden eines Gerichts entstandenen Schäden. Auf Grund des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Gerichts sei eine in seinem Hälfteeigentum befindliche Liegenschaft versteigert worden und der Versteigerungserlös hinter dem Schätzwert zurückgeblieben. Unter Bedachtnahme auf eine Verschuldensteilung von 1 : 1 sei im Vermögen des Klägers ein Schaden von S 257.500 (= 18.713,25 EUR) entstanden. Die Hälfte der Exekutionskosten, für die der Kläger hafte, betrage S 32.104,60 (= 2.333,13 EUR), und auch dieser Schaden sei durch das Gericht rechtswidrig und schuldhaft verursacht worden. Schließlich habe die Mutter des Klägers bereits im Jahre 1993 zur Abwendung der drohenden Versteigerung der Liegenschaft S 750.000 an eine Bank bezahlt, wobei hiefür eine Kreditaufnahme erforderlich gewesen sei. Er sei zur Rückzahlung dieses Betrags und auch der aufgelaufenen Zinsen und Nebenspesen verpflichtet, was seit dem Tag der Zwangsversteigerung feststehe. Er begehrte daher den Ersatz der Hälfte des zurückzuzahlenden Kapitals (S 375.000) sowie die Hälfte der aufgelaufenen Zinsen und Nebenspesen (S 126.563), also insgesamt aus diesem Titel S 511.593 (rechnerisch richtig S 501.563 = 36.450 EUR).

Die beklagte Partei wendete Verjährung der Klagsansprüche und zudem gegen den aus der Kreditaufnahme resultierenden Schaden ein, dass diesbezüglich bereits ein Vergleich geschlossen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Sämtliche Klagsansprüche seien von dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Vergleich umfasst, lediglich wegen der Zinsen und Nebenspesen (S 126.563) sei ein Anspruch "grundsätzlich denkbar". Die geltend gemachten Ansprüche seien aber allesamt verjährt.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Ansprüche des Klägers bereits durch Vergleich erledigt worden seien, und die beklagte Partei habe zum "Versteigerungsschaden" überhaupt nicht eingewendet, dass diese Ansprüche verglichen worden seien. Die geltend gemachten Schäden stellten zwar Folgeschäden aus einer rechtswidrigen Vorgangsweise des Gerichts dar, die aber zum Zeitpunkt des Eintritts des Primärschadens nicht vorhersehbar gewesen seien, weshalb der Kläger auch nicht zur Erhebung eines Feststellungsbegehrens genötigt gewesen sei. Beim "Kreditschaden" sei auch der Zeitpunkt des Schadenseintritts fraglich und das widersprüchliche Klagsvorbringen aufklärungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist unzulässig.

Die beklagte Partei bestreitet gar nicht, dass es an einem Einwand mangelt, der geltend gemachte "Versteigerungsschaden" sei von dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Vergleich umfasst gewesen. Lediglich zum "Darlehensschaden" behauptet sie nach wie vor, dass er von der Vergleichswirkung umfasst gewesen sei (S 4 des Rekurses), ohne den Ausführungen des Berufungsgerichts entgegenzutreten, dass aus dem Urteil des Erstgerichts nicht nachvollziehbar sei, welche Ansprüche des Klägers bereits verglichen sein sollen und über welche kein Vergleich geschlossen worden sei. Soweit das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung im Feststellungsbereich für ergänzungsbedürftig erachtet, kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten; insofern - welche Ansprüche also durch die vergleichsweise Zahlung der beklagten Partei abgegolten sein sollen - liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Auch die Lösung der Verjährungsfrage wirft keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Es gab einen einzigen Schadensfall (Fehler des Gerichts), der einen Primärschaden (Wegfall der erhöhten Mietzinse zur Abdeckung des aufgenommenen Kredits) bereits im Jahre 1987 hervorgerufen hat. Die vom Kläger mit der hier vorliegenden Klage geltend gemachten Schäden stellen - wie das Berufungsgericht richtig dargestellt hat - Folgeschäden aus der einmaligen rechtswidrigen Vorgangsweise des Gerichts dar, nämlich neue schädigende Wirkungen dieses Schadensfalls ("gemäßigte Einheitsschadentheorie"; siehe JBl 1999, 605; SZ 68/238). Bei solchen Folgeschäden hängt der Beginn der Verjährungsfrist davon ab, ob die neuen schädigenden Wirkungen des Schadensfalls vorhersehbar waren. War dies nicht der Fall, beginnt die Verjährungsfrist erst vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme der neuen schädigenden Wirkungen an zu laufen (RdW 2000, 148; bbl 1999, 204; JBl 1999, 605; JBl 1998, 454; JBl 1997, 43; SZ 68/238).

Ob ein Schaden vorhersehbar war, ist stets im Einzelfall zu entscheiden und keiner Verallgemeinerung zugänglich. Das Berufungsgericht hat in logisch einwandfreier Form die Vorhersehbarkeit des aus der Zwangsversteigerung resultierenden Schadens verneint und zu den Schäden, die aus den Kosten des Exekutionsverfahrens resultieren sollen, die Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens angenommen. Aber auch zum "Darlehensschaden" erachtete das Berufungsgericht völlig zu Recht das Verfahren für ergänzungsbedürftig, zumal das Klagsvorbringen bzw das Klagebegehren widersprüchlich und daher aufklärungsbedürftig sei (S 12 f des Aufhebungsbeschlusses). Tatsächlich kann derzeit nicht verlässlich beurteilt werden, in welchem Umfang der "Darlehensschaden" bereits verjährt sein könnte.

Damit erweist sich der Rekurs der beklagten Partei als nicht zulässig und ist zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden.

Der Kläger hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen, zumal er auf die Unzulässigkeit des Rekurses der beklagten Partei nicht hingewiesen hat.

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