European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00123.75.0702.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Antragsgegner schuldig ist, der Antragstellerin als Heiratsgut den. Betrag von S 120.000,--, davon S 60.000,--binnen 6 Monaten, den Rest in 6 Monatsraten zu je S 10.000,-- die erste Rate an dem auf die Rechtskraft des Beschlusses folgenden siebenten Monatsersten, die weiteren Raten jeweils am Ersten der folgende Monate-zu bezahlen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Antragstellerin ist die am * 1945 geborene Tochter des Antragsgegners aus erster Ehe; die Mutter der Antragstellerin ist im Jahre 1959 verstorben. Der Antragsgegner ist * und publiziert laufend auf dem Kunststoffsektor. Die Antragstellerin studierte zwei Jahre lang, um Dolmetsch der französischen Sprache zu werden. Sie gab das Studium im Sommer 1966 auf und besuchte im zweiten Halbjahr 1966 mit Billigung und auf Kosten des Antragsgegner einen Stenotypiekurs. Seit 1. 1. 1967 ist sie berufstätig. Am * 1966 lernte sie H* kennen, den sie am * 1970, als sie ein Kind erwartete, heiratete; im Mai 1974 promovierte er zum Doktor der Medizin und ist derzeit als Arzt an der Landesnervenklinik * tätig. Da der Antragsgegner der Antragstellerin kein Heiratsgut übergab, begehrte sie im Mai 1972 die gerichtliche Zuerkennung eines solchen in der Höhe von S 500.000,--. Der Antragsgegner wendete dagegen ein, er sei mit der Eheschließung der Antragstellerin nicht einverstanden gewesen und erst im nachhinein von der Eheschließung verständigt worden; H* sei unzuverlässig und habe der Hausverwaltung des Hauses *, in dem der Antragsgegner eine Wohnung gemietet hatte, erzählt, daß der Antragsgegner in dieser nicht wohne; H* habe zudem die zweite Ehegattin des Antragsgegners unhöflich behandelt.
Das Erstgericht erkannte den Antragsgegner für schuldig, der Antragstellerin S 120.000,-- binnen sechs Monaten als Heiratsgut zu bezahlen; das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte im wesentlichen fest: Bald nach dem 1. 12. 1966 sei H* in die Familie des Antragsgegners gekommen und habe sich mit der Antragstellerin, nachdem er beim Antragsgegner um ihre Hand angehalten hatte, verlobt; der Antragsgegner sei gegen die Verlobung gewesen, weil H* als Student nichts verdient habe. Im Jahre 1967 habe die Antragstellerin mit ihrer Schwester B* in der Wohnung *, gewohnt; als Hauptmieter habe der Antragsgegner als Nachfolger nach der verstorbenen ersten Ehegattin gegolten. Da die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, wäre der Antragstellerin ideell ein Viertel der Mietrechte zugestanden. Sie habe H* Vollmacht erteilt, der etwa Anfang 1967 beim Hausverwalter vorgesprochen und diesem erzählt habe, daß sich der Antragsgegner nicht in der Wohnung aufhalte, sondern bei seiner zweiten Ehegattin in der K*gasse befinde. Im Mai 1967 habe die zweite Gattin des Antragsgegners die Wohnung in der W*gasse aufgesucht und in den Sachen der Antragstellerin hantiert; sie habe dabei offenbar das Verlobungsgedicht entnommen. In diesem Augenblick sei H*, der Schlüssel zur Wohnung gehabt habe, eingetreten; nach einer frostigen Begegnung habe die zweite Ehegattin des Antragsgegners das Zimmer verlassen. Die Folge seien Vorhalte des Antragsgegners an die Antragstellerin gewesen. Es sei zum Bruch gekommen, am 22. 5 1967 sei die Antragstellerin ausgezogen und habe mit ihrem Verlobten eine Untermietwohnung bezogen; bei Auszug habe der Antragsgegner seiner Tochter ein Sparbuch mit ca. S 7.000,-- Einlage, die nicht aus seinem Vermögen gestammt habe, übergeben. In der Folge habe die Antragstellerin gelegentlich ihrem Vater geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Als sie im Frühjahr 1970 schwanger geworden sei, habe sie versucht, über ihre Schwester an den Antragsgegner heranzukommen, doch habe dieser abgewinkt. Die kein Datum der Hochzeit enthaltende Heiratsanzeige vom 22. 4. 1970 sei erst nach dem Hochzeitstag am 2. 5. 1970 beim Antragsgegner eingelangt. Im Jahre 1970 habe der Antragsgegner S 198.256,-- netto (S 16.561,-- netto monatlich) verdient. An Vermögen habe er damals eine Briefmarkensammlung im Werte von S 22.750,--, eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von S 150.000,-- , Wertpapiere im Werte von S 100.000,-- und Münzen im Werte von S 1.000,-- gehabt. Obwohl die Antragstellerin ihren Vater nicht um die Zustimmung zur Eheschließung ersucht habe, habe der Antragsgegner keine Versagungsgründe. Im April 1970 sei die Antragstellerin schwanger gewesen, habe ihren Verlobten seit Jahren gekannt und mit ihm zusammengewohnt; die Antragstellerin habe verdient, ihr Verlobter habe von seinem Vater S 2.000,-- monatlich erhalten und sei in der Mitte des Medizinstudiums gestanden. Der Vater des H* sei Maturant und Amtsdirektor gewesen. H* sei nicht unzuverlässig; daß er sein Studium gewechselt habe, mache ihn nicht unglaubwürdig. Daß er nichts verdient habe, sei nicht besonders auffällig; Studentenehen seien meist so. Im Zeitalter der Emanzipation sei es nichts Besonderes, wenn die Frau die Familie erhalte. Daß die Antragstellerin Nachforschungen über ihr Mietrecht angestellt habe, sei ihr gutes Recht gewesen. Die wahre Mitteilung an den Hausverwalter, der die tatsächlichen Verhältnisse ohnehin gekannt haben dürfte, sei nicht gravierend. Die Antragstellerin habe damals selbst kein Interesse gehabt, die Wohnung zu verlieren; der Gedanke auszuziehen sei am 22. 5. 1967 abrupt über sie gekommen. Die unhöfliche Behandlung der zweiten Ehegattin des Antragsgegners sei eine bedeutungslose Angelegenheit; schließlich sei sie überrascht worden, wie sie in den Sachen der Antragstellerin hantiert habe. Die Finanzverwaltung betrachte ein Heiratsgut als angemessen, wenn es den halben Jahresnettogehalt des Pflichtigen betrage; das werde als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Unter Berücksichtigung des Vermögens des Antragsgegners sei ein Heiratsgut von ca. acht Monatsgehältern angemessen. Die Leistungsfrist sei so kurz zu bemessen, weil der Antragsgegner seit Mai 1972 um die Forderungen seiner Tochter gewußt habe.
Das Rekursgericht gab einem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und änderte über den Rekurs des Antragsgegners in dessen teilweiser Stattgebung den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antragsgegner zur Bezahlung des Heiratsgutes von S 120.000,-- zu zwölf Monatsraten zu je S 10.000,-- verhielt; die erste Rate sollte am Monatsersten nach Rechtskraft des Beschlusses, die weiteren Raten jeweils am Ersten der Folgemonate bezahlt werden. Das Rekursgericht trat der Auffassung des Erstgerichtes bei, hielt jedoch die Bezahlung des Heiratsgutes in monatlichen Raten für angemessen, damit der Antragsgegner nicht zu einer weitgehenden Veräußerung seines nicht in Bargeld bestehenden Vermögens gezwungen und in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen, in eventu den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag zur Gänze abgewiesen werde, in eventu ein Heiratsgut von nicht mehr als S 30.000,-- zu bestellen und dieses in S 5.000,--Monatsraten vorzuschreiben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes wurde dem Vertreter des Antragsgegners am 8. 4. 1975 zugestellt. Die 14-tägige Rechtsmittelfrist lief am 22. 4. 1975 einem Dienstag, ab. Der Revisionsrekurs langte erst am 28. 4. 1975 dem folgenden Montag, beim Erstgericht ein. Es mußten daher Bedenken gegen die Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses bestehen. Gemäß § 108 Abs. 3 Geo. hatte der Leiter der Geschäftsabteilung durch einen neben dem Eingangsvermerk anzubringenden Vermerk festzuhalten, wann das Rechtsmittel laut Postaufgabestempel zur Post gegeben worden war; war der Poststempel undeutlich, hatte er durch einen Vermerk darauf hinzuweisen und den Briefumschlag im Akt zu belassen. Dieser Verpflichtung kam der Leiter der Geschäftsabteilung nicht nach; es ist weder erkennbar, wann das Rechtsmittel zur Post gegeben wurde noch befindet sich ein Briefumschlag im Akt. Vom Erstgericht aufgefordert , die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels nachzuweisen, behauptete der Vertreter des Antragsgegners, das Rechtsmittel am 22. 4. 1975 zur Post gegeben zu haben, konnte dies aber, da er die Sendung nicht eingeschrieben aufgegeben hatte, nicht nachweisen. Aus den oben aufgezeigten Gründen ist die Verspätung des Rechtsmittels nicht mit völliger Gewißheit erweislich. Ein Rechtsmittel hat nun aber die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich und muß entgegengenommen und sachlich erledigt werden, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist; die Ergebnislosigkeit von Erhebungen wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (EvBl 1974/30 u.a.).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist, da keine vollständige bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vorliegt, ohne die Beschränkungen des § 16 Abs. 1 AußStrG zulässig (SZ 26/254 u.a.), im wesentlichen aber nicht berechtigt.
Besitzt eine Braut kein eigenes, zu einem angemessenen Heiratsgut hinlängliches Vermögen, so ist primär der Vater verpflichtet, der Tochter bei ihrer Verehelichung ein Heiratsgut zu geben (§ 1220 ABGB). Von der Hingabe eines Heiratsgutes ist er allerdings befreit, wenn die Tochter ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen sich verehelichte und das Gericht die Ursache der Mißbilligung begründet findet (§ 1222 ABGB). Der Grund für die Versagung des Dotierungsanspruches liegt darin, leichtfertige Ehen zu verhindern. Der Revisionsrekurs hält es als offenbar dem Gesetze zuwider, daß die Antragstellerin ein Heiratsgut beanspruchen kann, obwohl er einer ihm unpassend erscheinenden Verbindung und einem gemeinsamen Wohnen ohne Eheschließung widersprochen habe. Schließlich habe H* seine Studienrichtung geändert, sei zumindest in den Augen seines sorgenden Vaters unzuverlässig erschienen, habe die Trennung der Tochter von der Familie angeregt, kein Vermögen besessen und sich sogar seinen Eltern widersetzt; dies sei wenige Monate nach der Bekanntschaft gewesen. Als Vater hätte er seine Meinung drei Jahre danach ändern können; die Antragstellerin hätte sich die Verständigung von der Eheschließung nicht ersparen dürfen. Die Verständigung von der Hochzeit könne nicht ersetzt werden, eine Tochter, die nicht einmal diese geringe Mühe aufwende, habe ihren Anspruch auf Heiratsgut verwirkt. Diese Auffassung ist nicht richtig. Der Heiratsgutanspruch geht auch bei einer Eheschließung ohne Wissen des Vaters nur verloren, wenn der Vater nachweist, er hätte zureichende Gründe gehabt, die Ehe zu mißbilligen (SZ 37/142 u.a.). Die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches geben keinen unmittelbaren Aufschluß darüber, welche Gründe eine Mißbilligung der Eheschließung rechtfertigen. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu bereits ausgeführt, es sei nicht zu bezweifeln, daß jene Gründe nicht ausreichen, die bei einem Minderjährigen zur Ersetzung der elterlichen Zustimmung durch das Gericht im Sinne des § 3 Abs. 3 EheG, und der §§ 190 f AußStrG führen; daraus folge, daß nur triftige Gründe anerkannt werden können (§ 3 Abs. 3 EheG), daß sie sich auf das Vermögen und die Einkünfte sowie auf die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse des künftigen Ehegatten sowie auf die reifliche Überlegung des Entschlusses beziehen können (§ 190 Abs. 1 AußStrG) und daß das Wohl des Kindes im Vordergrund stehe (§ 190 Abs. 2 AußStrG), also nicht die Interessen der Eltern (7 Ob 189/73). Ob die Mißbilligungsgründe triftig sind, muß, ausgehend vom ersichtlichen Zweck und Wesen der Ehe, objektiv geprüft werden (vgl. JB1 1968, 370; EvBl 1957/361 u.a.); beim volljährigen Kind müssen aber selbstverständlich andere Maßstäbe gesetzt werden als beim minderjährigen. Insbesondere sind Streitigkeiten zwischen einem der Verlobten und den Eltern, die schon bei einem Minderjährigen nur am Rande von Bedeutung sein können, weil sie das Wesen der beabsichtigten Ehe kaum berühren (SZ 26/73 u.a.), in der Regel nicht beachtlich. Es scheidet also jedenfalls schon die Auseinandersetzung des H* mit der zweiten Ehegattin des Antragsgegners, die dazu noch nicht grundlos geschah, völlig aus, aber auch dessen Gespräch mit dem Verwalter des Hauses *, von dem nicht einmal feststeht, ob es irgendwelche nachteilige Folgen für den Antragsgegner hatte. Sonst soll gewiß nicht übersehen werden, daß der Antragsgegner berechtigte Einwände gehabt haben muß, als sich die wenig mehr als 21-jährige Antragstellerin, die gerade erst in das Berufsleben eingetreten war, mit einem Studenten, der noch lange nicht mit einem Einkommen, das die Erhaltung einer Familie garantieren konnte, zu rechnen hatte, nicht nur verlobte, sondern auch eine Lebensgemeinschaft begründete. Wenn dann aber die Antragstellerin ein Kind erwartete, das Studium des Verlobten erfolgversprechende Fortschritte machte und auch die finanzielle Grundlage einer Ehe durch das Arbeitseinkommen der Antragstellerin und Beiträge der Eltern des Verlobten in bescheidenem Maße gesichert war, hatte der Antragsgegner im Jahre 1970 dennoch gewiß keine triftigen Gründe, die Eheschließung der Antragstellerin in einer Weise zu mißbilligen, daß er deswegen von der Bezahlung eines Heiratsgutes befreit werden könnte. Den Untergerichten ist daher darin beizupflichten, daß die Antragstellerin ihren Anspruch auf Heiratsgut nicht verwirkte.
Zur Höhe des Anspruches enthält der Revisionsrekurs nur allgemeine Ausführungen. Bedenken gegen die untergerichtlichen Erwägungen und Schlußfolgerungen bestehen nicht. Der Antragsgegner kann insbesondere nicht darauf verweisen, daß er den gesamten Betrag in einem Jahr von seinem Einkommen ersparen müßte. Abgesehen davon, daß er Vermögenswerte besitzt, die er liquidieren könnte, soll nicht übersehen werden, daß er seit Jahren zumindest mit der Möglichkeit von Zahlungen an die Antragstellerin rechnen müßte, so daß er sich darauf viel besser vorbereiten konnte als die meisten Väter, die sonst oft sehr plötzlich zur Bezahlung eines Heiratsgutes verpflichtet sind. Im Recht ist der Revisionsrekurs nur insoweit, als er bemängelt, daß das Rekursgericht das dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge gab, die Zahlungsbedingungen des Antragsgegners nicht insoferne verändern durfte, daß es zwar die Bezahlung des Heiratsgutes in zwölf Monatsraten bewilligte, den Antragsgegner aber gleichzeitig verpflichtete, fünf Monatsraten zu je S 10.000,-- bereits vor Ablauf von sechs Monaten zu bezahlen, obwohl das Erstgericht die gesamte Zahlung erst binnen sechs Monaten aufgetragen und ihm damit die Möglichkeit gegeben hatte, während eines längeren Zeitraumes Vorsorge für die Beschaffung der Geldbeträge (eventuell durch Kreditaufnahme o.ä.) zu treffen. Dem Antragsgegner ist daher in teilweiser Stattgebung seines Revisionsrekurses die Bezahlung von S 60.000,-- binnen sechs Monaten und erst die des Restes in sechs Monatsraten aufzutragen. Im übrigen ist dem Revisionsrekurs aber ein Erfolg zu versagen.
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