OGH 1Ob122/07h

OGH1Ob122/07h22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo F***** S***** W*****, vertreten durch Dr. Ingrid Schwarzinger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mihaela R***** K*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2007, GZ 40 R 254/06h-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Juli 2006, GZ 54 C 91/06t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit EUR 812,52 (darin enthalten EUR 135,42 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Hauptmieter einer Wohnung, die die Streitteile während ihrer mittlerweile aufgelösten Lebensgemeinschaft gemeinsam mit dem am 5. 9. 2004 geborenen Sohn bewohnten. Die alleinige Obsorge hinsichtlich des Sohnes steht der Beklagten zu. Der Kläger leistet für ihn einen monatlichen Unterhalt von EUR 328 und bezahlt darüber hinaus die Kosten einer privaten Krankenversicherung. Mit Schreiben vom 31. 1. 2006 widerrief der Kläger gegenüber der Beklagten das Prekarium hinsichtlich der während der Lebensgemeinschaft gemeinsam benutzten Wohnung und forderte die Beklagte zur Räumung bis längstens 10. 2. 2006 auf. Dem Sohn gegenüber erfolgte ein gleichlautender Widerruf am 14. 3. 2006.

Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm die Wohnung binnen 14 Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Die Beklagte wandte ein, sie benutze die Wohnung auf Grund eines Rechts sui generis, das sich daraus ergebe, dass sie gemeinsam mit dem Kläger beschlossen habe, in der Wohnung als Familie zu leben. Daraus ergebe sich rechtlich ein für die Dauer des Bedarfs der Beklagten begrenztes Wohnungsbenützungsrecht. Darüber hinaus habe der gemeinsame Sohn dem Kläger gegenüber ein Wohnrecht und davon abgeleitet auch die Beklagte als Obsorgeberechtigte, um ihrer Pflege- und Erziehungspflicht nachkommen zu können.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die Beklagte releviert einerseits, dass sie ein aus der Lebensgemeinschaft erfließendes Wohnrecht sui generis habe, und andererseits, dass ihr im Hinblick auf die ihr obliegende Obsorge für den gemeinsamen Sohn ein von dessen Wohnrecht abgeleitetes Recht zum Verbleib in der Wohnung zukomme.

1. Zum Wohnrecht „sui generis":

Die von der Beklagten behauptete partnerschaftliche Vereinbarung über die Berechtigung, die Wohnung für die Dauer des Bedarfs des gemeinsamen Sohnes bzw der Beklagten zu benutzen, ergibt sich nicht aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Auf eine solche vertragliche Vereinbarung eines Rechts zur Benutzung der Wohnung kann sich die Beklagte daher nicht stützen.

Da mit der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft allein weder dingliche und obligatorische, noch familienrechtliche Beziehungen entstehen, kann der Lebensgefährte, der Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist, die die Lebensgefährten bewohnen, jederzeit, jedenfalls aber nach Aufhebung der Gemeinschaft, die Räumung verlangen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der ehemalige Lebensgefährte einen von der Lebensgemeinschaft unabhängigen Rechtstitel besitzt. Ein solcher kann im Zweifel nicht angenommen werden (RIS-Justiz RS0011874; RS0010337). Im Verlangen der Räumung liegt auch nichts Sittenwidriges, weil ein schikanöses Begehren, das ausschließlich den Zweck verfolgte, jemand anderen zu schädigen, weder behauptet wurde noch ersichtlich ist (vgl RIS-Justiz RS0010345). Angesichts der eindeutigen Rechtslage und Rechtsprechung wird mit der Behauptung eines - nicht nachgewiesenen - „Rechts sui generis" eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen. Beim Vorbringen, die Parteien lebten „nunmehr wieder seit geraumer Zeit in Lebensgemeinschaft", handelt es sich um eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung.

2. Zum abgeleiteten Wohnrecht:

Der Unterhaltsanspruch von Kindern, gleichviel ob ehelich oder unehelich, die im Haushalt des Unterhaltspflichtigen leben, ist grundsätzlich auf Naturalunterhalt gerichtet und verwandelt sich nach der Rechtsprechung erst bei getrenntem Haushalt oder Verletzung der Naturalunterhaltspflicht in einen Anspruch auf Geldunterhalt (RS0034807). Der aus dem Familienrecht abgeleitete Anspruch des unterhaltsberechtigten Kindes auf Naturalunterhalt durch Wohnversorgung wandelt sich nicht schon dadurch in einen solchen auf Geldunterhalt, dass der Unterhaltspflichtige aus der Wohnung auszieht. In einem solchen Fall hat das Kind das Recht, die Wohnung weiter zu benutzen und dennoch darüber hinaus zur Befriedigung seiner übrigen Bedürfnisse Geldunterhalt zu verlangen (RS0047463). Nun kennt die österreichische Rechtsordnung keine Bestimmung, die einem Minderjährigen ein Wohnrecht im Sinne eines Anspruchs auf Benutzung einer bestimmten Wohnung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen einräumt. Es kann lediglich ein Anspruch auf Wohnversorgung im Rahmen des Naturalunterhaltsanspruchs eines unterhaltsberechtigten Kindes bestehen. Hat sich ein - nicht obsorgeberechtigter - Lebensgefährte von seiner zur Obsorge für das gemeinsame Kind verpflichteten Lebensgefährtin getrennt, bedarf das minderjährige Kind gewiss der Betreuung im Haushalt der Mutter (SZ 70/134). Das bedeutet aber nicht, dass ein - nicht aus § 97 ABGB abgeleiteter - Anspruch des Kindes auf Weiterbenützung der bisher gemeinsam, von Kind und Mutter aber nur prekaristisch genutzten Wohnung des Vaters bestünde. In einem solchen Fall besteht weder eine Verpflichtung des außerehelichen Vaters, noch ein Recht des außerehelichen Kindes zur bzw auf Gewährung der zuvor bestandenen Wohnmöglichkeit. Wird nach Auflösung der (außerehelichen) Lebensgemeinschaft von Eltern und der häuslichen Gemeinschaft mit dem unterhaltsberechtigten Kind dessen Unterhaltsbedarf in Geld gedeckt, steht dem Kind nicht zusätzlich das Recht zu, die Wohnung des Vaters zu benutzen. Mangels eines solchen Anspruchs besteht auch ein daraus abgeleiteter Anspruch der Beklagten auf Benutzung der Wohnung, um der Pflege und Erziehung im Rahmen ihrer Obsorgeverpflichtung nachzukommen, nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO, wobei ein Rechenfehler im Kostenverzeichnis der Revisionsbeantwortung zu berichtigen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte