European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00114.18Y.0926.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger ist Inhaber eines Fischereirechts. Die Beklagte betreibt in seinem aus drei zusammenhängenden Fischrevieren bestehenden Fischwasser zwei bewilligte Wasserkraftanlagen. Im Jahr 2010 führte die Beklagte bei diesen Anlagen zur Durchführung einer Reparatur Vollabstauungen über mehrere Wochen durch. Zweckmäßigerweise nahm sie in dieser Zeit, aber nur an jeweils zwei Tagen pro Wasserkraftanlage, Baggerungen zur Herstellung einer Tiefenrinne vor. Diese dienten der Wiederherstellung des konsensmäßigen Zustands bei den (zwischenzeitig entstandenen) vorhandenen Anlandungen. Der ursprünglich hohe Fischbestand wurde stark reduziert und stellte sich nach rund drei Jahren sukzessive wieder ein.
Das Erstgericht erkannte dem Kläger – unter Berücksichtigung einer vertraglich vereinbarten und bereits bezahlten Entschädigung von 2.048,85 EUR für Schotterentnahmen – eine gemäß § 273 ZPO ausgemittelte Entschädigung in Höhe von 24.951,15 EUR für die dadurch verursachte vorübergehende Beeinträchtigung seines Fischereirechts zu; das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung weiterer 18.000 EUR wies es ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision kann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht aufzeigen:
1. Die Beklagte bemängelt, es sei das Berufungsgericht mit seiner objektiv-abstrakten Schadensberechnung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, wonach im österreichischen Schadenersatzrecht der Grundsatz der subjektiv‑konkreten Schadensberechnung gelte. Zudem steht sie auf dem Standpunkt, es habe bei einer bloß vorübergehenden Beeinträchtigung ein Ersatz überhaupt zu unterbleiben; jedenfalls gäbe es keinen für den Verlust (bloß) des Gebrauchs.
2. Damit wirft sie aber keine erhebliche Rechtsfrage auf:
2.1. Die verschuldensunabhängige Erfolgshaftung nach § 26 Abs 2 WRG dient dem Ausgleich für die aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile des Fischereiberechtigten, der sich als Betroffener gegen die vom Betrieb einer grundsätzlich rechtmäßigen Anlage (s dazu Raschauer , Wasserrecht § 26 Rz 6; 1 Ob 127/15f je mwN) ausgehenden Einwirkungen nicht oder nicht rechtzeitig zur Wehr setzen kann (1 Ob 41/80 mwN; RIS‑Justiz RS0082428; RS0082422). Nur auf diese Weise kann der Zweck des § 15 Abs 1 WRG, Fischereirechte unbeeinträchtigt zu lassen oder gemäß § 117 WRG (schon anlässlich der Bewilligung der Anlage) zu entschädigen, erreicht werden (RIS‑Justiz RS0082428 [T5]). Diesem Zweck widerspräche es – wird doch ein Fischereirecht selbst (außer durch dauerhafte Beseitigung des gesamten Fischwassers) nicht wie eine Sache „beschädigt“ und typischerweise auch nicht „repariert“ –, Störungen, die nach einem gewissen (mehr oder weniger langen) Zeitverlauf durch natürliche Regeneration wieder entfallen, als bloß vorübergehende Störungen des Gebrauchs ohne Ausgleich zu lassen. Der Kern des Fischereirechts liegt eben gerade darin, dass dem Inhaber die Ausübung des Fischens eingeräumt ist, er also – grundsätzlich jederzeit – fischen kann.
Die Revisionswerberin beruft sich für die von ihr vertretene Rechtsfolge des Entfalls einer Entschädigung bei bloß vorübergehenden Gebrauchseinschränkungen auf Judikate, die vom zu beurteilenden Gegenstand her gesehen nicht vergleichbar sind. In ihnen ging es um die Beschädigung körperlicher Sachen (Liegenschaften/Häuser oder Autos) und den neben der Sanierung oder den Reparaturkosten zusätzlich geltend gemachten Ansprüchen wegen Einschränkungen im Gebrauch, während es beim Fischereirecht nach § 15 Abs 1 WRG um den Ersatz der Fischereiberechtigten für die „nachteiligen Folgen für ihre Fischwässer“ geht. Auch in der hier anzuwendenden Bestimmung des § 26 Abs 2 WRG wird auf diesen naturgemäß gegebenen Unterschied zwischen körperlichen Sachen und dem Fischereirecht eingegangen, indem angeordnet wird, dass der Wasserberechtigte dann haftet, wenn durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage eine Liegenschaft oder ein Bauwerk (unvorhergesehen) beschädigt oder … ein älteres Wasserbenutzungsrecht … oder ein Fischereirecht [...] beeinträchtigt wird . Raschauer (aaO Rz 7) weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass unter einer Beeinträchtigung [des Fischereirechts] – argumentum e contrario zu „beschädigt“ – nicht nur eine Beschädigung von Anlagen zu verstehen sei, sondern jede nicht nur geringfügige Einschränkung der Möglichkeit der Ausübung bzw Nutzung des betreffenden Rechts, wie sie zB mit einer Gewässerverunreinigung einhergehen kann.
2.2. Dass grundsätzlich nur bei dauerhaften Eingriffen zu entschädigen sei, ist jener Bestimmung nicht zu entnehmen und steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Höchstgerichts (zur Ersatzpflicht nach § 26 Abs 2 WRG nicht nur bei dauernder, sondern auch einmaliger Beeinträchtigung: 1 Ob 33/78 = SZ 51/164; RIS‑Justiz RS0082377; zeitlich befristeter „Bauschaden“ mit den Folgen einer mechanischen Verletzung und des Verscheuchens von Fischen sowie Gewässertrübung: 1 Ob 57/15m). Ebensowenig Bedenken bestehen dagegen, bei nicht vorhergesehenen Störungen (durch außerplanmäßige Reparaturen) des konsensmäßigen Zustands einen Ersatz zuzusprechen, weil denknotwendig in die Festsetzung der anlässlich der Bewilligung zuerkannten (oder aufgrund einer damals geschlossenen Vereinbarung bezahlten) Entschädigung nur der Vergleich zwischen dem natürlichen Zustand mit demjenigen, wie er durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage samt den vorhergesehenen Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen während der (gesamten) Dauer ihrer Bewilligung erwartet wurde, einfloss und hier die Reparatur nicht etwa wegen einer Naturkatastrophe, sondern wegen eines technischen Gebrechens notwendig war.
2.4. Der Unterschied zwischen der von der Wasserrechtsbehörde gemäß § 117 Abs 1 WRG (ursprünglich, also schon im Zuge oder in Folge der Bewilligung der Anlage oder nach Inanspruchnahme der sukzessiven Kompetenz durch das Gericht) festgesetzten Entschädigung und jener nach § 26 Abs 2 WRG ausgemittelten besteht eben darin, dass es bei ersterer um den Ausgleich für die vorhergesehenen Folgen geht, beim Ersatz nach § 26 Abs 2 WRG aber um jene nachteiligen Wirkungen, mit deren Eintritt bei der Erteilung der Bewilligung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfange gerechnet worden ist, die also anlässlich der Bewilligung nicht vorhergesehen wurden (vgl RIS‑Justiz RS0082428 [T4]). Eine unterschiedliche Bemessung der Entschädigung wäre demnach nicht einsichtig. Auch die Revisionswerberin räumt ein, dass es sich um einen „entschädigungsähnlichen“ Schadenersatzanspruch handelt. Es bleibt demnach unverständlich, wenn sie ausführt, es sei in jenem Bereich herrschende Rechtsprechung, dass der Schaden nicht objektiv-abstrakt, sondern subjektiv-konkret zu berechnen sei; für den „Eigenbedarf“ (samt Zurverfügungstellung an Bekannte) des Klägers seien doch noch genug Fische vorhanden gewesen.
Auch zu diesem Gesichtspunkt stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen in Einklang mit der Rechtsprechung, wonach sich die angemessene Entschädigung nach den – insoweit konkret – bestehenden Verwendungs möglichkeiten bestimmt (vgl zur Enteignungsentschädigung RIS‑Justiz RS0053403; „bestehende wirtschaftliche Möglichkeiten“: RS0057984; „relevante Nutzungsmöglichkeit“ beim Ersatz nach § 26 Abs 2 WRG für den Ausfall von Fischen und Fischnährtieren: 1 Ob 278/00i; RS0030843; zuletzt zur Entschädigung des Fischereiberechtigten nach der „Einschränkung ihrer Nutzungsmöglichkeit“ 1 Ob 57/15m). Es geht im vorliegenden Fall also um den Wert des Fischereirechts ohne die Beeinträchtigung im Vergleich zum Wert, wie er sich aufgrund des schädigenden Ereignisses ergibt (1 Ob 26/86) und die Bemessung dieser Wertverringerung bezogen auf den Zeitraum der Einschränkung.
2.5. Ausgehend von diesen Grundsätzen gelingt es der Revisionswerberin nicht, Zweifel an der von den Vorinstanzen nach § 273 ZPO vorgenommenen Schätzung zu wecken. Sie behauptet dazu, es fehlten Feststellungen zur konkreten Entnahme von Biomasse (Gewichtsmenge an Fisch) durch den Kläger in der Vergangenheit oder dazu, welche konkrete Menge an Fisch der Kläger hypothetisch ohne die Beeinträchtigung entnommen hätte. Solcher bedarf es aber nicht, spiegelt sich doch der Wert des Fischereirechts – schon gar in einem Salmonidenrevier – nicht absolut in der Masse oder dem Gewicht der (entnommenen) Fische wider, sondern vielmehr in der – abhängig vom Zustand des Fischwassers – mehr oder (eben viel) weniger gegebenen Chance in einer bestimmten Zeiteinheit auch kapitale Fische (bestimmter Arten) zu fangen. Dieser Wert der (konkreten) Verwendungsmöglichkeit (des Klägers den Fischfang insoweit ungestört ausüben zu können), kann anhand der Fischbiomasse (vor allem aber unter Berücksichtigung der Altersstruktur) als aussagekräftiges „Messinstrument“ für die Wahrscheinlichkeit der Erfolgschance auf Fang solcher Fische (bestimmter Größen und Alters) in einer bestimmten Zeit annäherungsweise bemessen werden. Die extensive Bewirtschaftung des Klägers hatte auch das Ziel, einen guten Fischbestand mit einem hohen Anteil an kapitalen Fischen zu erreichen. Biomasse und Individuendichte waren im betroffenen Gewässer (im Vergleich zu anderen Gewässern dieser Fischregion) vor den Maßnahmen der Beklagten auf sehr hohem Niveau (und sind dies nun wieder), weshalb das Gewässer eine hohe fischereiliche Attraktivität hat(te). Die Beklagte nimmt bei ihrem Zitat der Feststellungen allein darauf Bezug, dass die mechanische letale Schädigung von Fischen im Zuge des Abstauvorgangs gering gewesen sei, sie lässt aber die Feststellungen zum zuvor erwähnten Ziel des Klägers, der Attraktivität seines Fischreviers, den nachteiligen Veränderungen bei den Habitaten durch die Maßnahmen (etwa bei den Buhnen und dem Verlust von Rinnern und Kolkbereichen) weg, wie auch jene, dass es durch die Baggerungen zu Trübungsbelastungen, zur Verschüttung von Teilbereichen der vorhandenen Buhnen und Uferlinien mit gewässereigenem Sohlsubstrat, vor allem aber, dass es (trotz der Bergung von im Turbinenbereich eines der Kraftwerke eingeschlossenen Fischen durch den Kläger) zu einer starken Reduktion dieses ursprünglich hohen Fischbestands gekommen war, der sich erst nach drei Jahren wieder einstellte, dass während des Vollabstaus bei den Kraftwerksanlagen aufgrund der Veränderung des Wasserspiegels und der Beeinträchtigung der Zugänglichkeit die fischereiliche Nutzbarkeit stark eingeschränkt war und das Gewässer an fischereilicher Attraktivität verloren hatte. Eine genaue Quantifizierung dieser Schädigung war – trotz mehrfacher Gutachtensergänzung im Verfahren – nicht möglich gewesen.
Wenn das Berufungsgericht die Höhe des zuerkannten Betrags (welcher zwischen den beiden vom Gutachter nach Befundaufnahmen in den Jahren 2011 [niedrigeren] und 2014 [nach Regeneration des Fischbestands höheren] ermittelten Schadensbeträgen liegt) als eine in Ansehung der Gesamtsumme ausgewogene und alle wesentlichen Umstände berücksichtigende Schadensschätzung beurteilte, kann die Revisionswerberin mit ihrem auszugsweisen und damit verzerrenden Zitieren der Feststellungen keine offenbare Überschreitung der bei dieser Ermessensentscheidung bestehenden Grenzen aufzeigen. Im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels könnte aber die Frage der Richtigkeit der Anwendung des § 273 ZPO nur in einem solchen Fall, also einem an die Grenze des Missbrauchs gehenden Fehlers, an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0040494 [T4]; RS0007104 [T1]).
3. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, was keiner weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO)
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