European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00111.24S.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 552,66 EUR (darin 92,11 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens sind Vertretungskosten der Kläger in zwei zusammenhängenden Bauverfahren vor der beklagten Gemeinde als Baubehörde. Diese Kosten umfassen insgesamt 16 Positionen, von denen zwei (gesamt 1.821,80 EUR) dem ersten und die restlichen 14 (gesamt 13.868,38 EUR) dem zweiten Anlassverfahren zuzuordnen sind, an denen die Kläger jeweils als Nachbarn beteiligt waren.
[2] Die Kläger begehren – gestützt auf den Titel der Amtshaftung – den Ersatz dieser Kosten von insgesamt 15.690,18 EUR sA, die ihnen durch rechtswidriges und schuldhaftes Handeln der Organe der Beklagten in den beiden Bauverfahren entstanden sein sollen.
[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 9.557,78 EUR statt und wies ein Mehrbegehren von 6.132,39 EUR sA ab.
[4] Über Berufungen beider Seiten änderte das Berufungsgericht diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es mit Teilurteil den Klägern einen Betrag von 1.821,80 EUR sA zuerkannte und ein Mehrbegehren von 10.284,57 EUR sA abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei.
[5] Im Übrigen aber – also hinsichtlich eines Betrags von 3.583,80 EUR sA – hob es das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
[6] Das Erstgericht habe sich mit der Rechtswidrigkeit zweier (im zweiten Anlassverfahren ergangener) Bescheide nicht auseinandergesetzt, weil es sich diesbezüglich an die Auffassung des LVwG gebunden erachtet habe. Beim Fehlen einer Entscheidung des VwGH könne das Amtshaftungsgericht die Rechtswidrigkeit des angeblich schadensursächlichen Bescheids einer Verwaltungsbehörde zwar selbstständig verneinen, nicht aber – wie hier – ohne Anrufung des VwGH bejahen. Die Entscheidung über den Zuspruch der Kosten für die gegen diese Bescheide erhobene Berufung bzw Beschwerde hänge von der Rechtswidrigkeit der Bescheide ab. Die somit notwendige Anrufung des VwGH nach § 11 Abs 1 AHG sei Sache des Prozessgerichts, sodass das Urteil des Erstgerichts aufzuheben und diesem aufzutragen sei, einen Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide an den VwGH zu stellen.
[7] Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluss ließ das Berufungsgericht zu, weil eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur Frage geboten erscheine, ob nach § 11 Abs 1 AHG auch dann der VwGH anzurufen sei, wenn schon eine „Zwischeninstanz“ die Rechtswidrigkeit des zu beurteilenden Bescheids festgestellt habe.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der von der Beklagten beantwortete Rekurs der Kläger gegen den Aufhebungsbeschluss ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen (RS0048272 [T11, T12]).
[9] 1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096). Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RS0042741; RS0106759).
[10] Der Tatbestand des § 55 Abs 1 Z 1 JN ist nicht erfüllt, wenn die geltend gemachten Amtshaftungsansprüche auf jeweils unterschiedlichen Verwaltungsverfahren beruhen, mögen diese auch ähnliche Gegenstände zum Inhalt gehabt haben (2 Ob 205/14z; 1 Ob 110/14d; 1 Ob 148/09k; 1 Ob 63/08h). Das gilt auch, wenn der Kläger seine Ersatzansprüche aus zwei gesonderten Bescheiden ableitet, deren Bekämpfung auch in zwei unterschiedlichen Verfahren erfolgt ist und dort jeweils eigene Verfahrenskosten ausgelöst hat (1 Ob 134/16m).
[11] Ausgehend vom maßgeblichen Vorbringen der Kläger, dass es bei pflichtgemäßem Vorgehen der Baubehörden nach § 13 Abs 3 AVG zu keinem weiteren Verfahren „in der Sache“ gekommen wäre und ihnen somit gar keine Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit dem (zweiten) Baubewilligungsverfahren entstanden wären, ist jedoch im vorliegenden Fall zumindest in Bezug auf diese Kosten ein tatsächlicher Zusammenhang zu bejahen.
[12] Entgegen der Meinung der Beklagten ist der Rekurs der Kläger daher nicht nach § 519 Abs 2 ZPO iVm § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
[13] 2. Allerdings zeigt das Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen auf:
[14] 2.1. Selbst wenn das Berufungsgericht den Rekurs mit konkretisierter Begründung zutreffend für zulässig erklärt, genügt es zwar, wenn der Rechtsmittelwerber dieser Begründung beitritt. Er muss aber zur maßgeblichen Rechtsfrage inhaltlich Ausführungen erstatten, sich also konkret mit der Entscheidung des Berufungsgerichts auseinandersetzen (RS0102059 [T21]).
[15] Die Kläger gehen auf die Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts nicht ein und greifen die dort aufgeworfene Rechtsfrage folglich auch nicht auf.
[16] Vielmehr machen sie geltend, das Berufungsgericht hätte die Klagegründe verkannt, weil es nicht um die inhaltliche Rechtswidrigkeit der beiden Bescheide gehe, sondern darum, dass „ein Baubewilligungsverfahren, das nach § 13 Abs 3 AVG bzw § 18 Abs 2 Bgld BauG gleich im Anfangsstadium zu beenden gewesen wäre, von den Gemeindebaubehörden dennoch weit und aufwendig über das Anfangsstadium hinaus durchgezogen“ worden sei und die beiden Bescheide bei pflichtgemäßem Vorgehen nicht mehr zu erlassen gewesen wären.
[17] Dabei übersehen sie die (die mittlerweile rechtskräftige Teilabweisung tragende) rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Anberaumung einer Bauverhandlung nicht unvertretbar rechtswidrig war, sodass die beklagte Gemeinde alle Kosten, die den Klägern durch die Anberaumung und Durchführung einer Bauverhandlung entstanden seien, nicht zu ersetzen habe. Die Entscheidung über die Kosten für die Bekämpfung der beiden Bescheide hänge daher von der Rechtswidrigkeit dieser Bescheide ab.
[18] Der Einwand der Kläger, das Bauvorhaben wäre bei pflichtgemäßem Behördenhandeln sofort zu beenden gewesen, wurde damit verworfen.
[19] Aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint, legen die Kläger nicht dar, sodass es an einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge fehlt (RS0043603).
[20] 2.2. Außerdem rügen die Kläger die Nichtigkeit, hilfsweise die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil die Berufung der beklagten Gemeinde vom Gemeinderat nicht genehmigt worden sei.
[21] Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO kann nur von der Partei geltend gemacht werden, deren gesetzlicher Schutz beeinträchtigt wurde, nicht aber von ihrem Prozessgegner (RS0041952; RS0041988).
[22] Im Übrigen deckt der vorgelegte Beschluss des Gemeinderats der Beklagten, der sich auf den konkreten Rechtsstreit „mit allen nach den anzuwendenden Verfahrensvorschriften benötigten oder auch nur nützlichen Vollmachten“ bezieht (Beilage ./4; RS0059247 [T8]), zweifellos auch die Fortsetzung des Verfahrens durch Erhebung der Berufung (vgl RS0059247).
[23] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO des Berufungsgerichts findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222). Die Beklagte hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RS0123222 [T8]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)