European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00101.16H.0621.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Das Erstgericht wies das auf Feststellung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zu landwirtschaftlichen Zwecken sowie auf die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an dieses zurück. Es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob eine Servitutenklage Erfolg haben könne, wenn sich zwischen herrschendem und dienendem Grundstück Liegenschaften Dritter befänden, „hinsichtlich derer ein Wegerecht nicht besteht und deren Eigentümer auch in das Verfahren nicht als Partei eingebunden“ seien.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) nicht zulässig. Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, ist der Rekurs zurückzuweisen, was hier der Fall ist. Die Begründung dieser Zurückweisung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO):
1. Auch die Sacherledigung eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO setzt die Präjudizialität einer erheblichen Rechtsfrage voraus (Zechner in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 106). Abgesehen davon, dass eine fehlende Berechtigung der Klägerin (als Eigentümerin des behauptungsgemäß herrschenden Grundstücks) zum Gehen und Befahren zweier dazwischen liegender Liegenschaften nicht feststeht und dazu noch Erörterungen mit ihr stattfinden sollen, nimmt die Beklagte zu dieser vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage nicht Stellung.
2.1. Fehler des Berufungsgerichts bei Anwendung der richterlichen Anleitungspflicht fallen nicht unter den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sondern unter jenen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach § 503 Z 2 ZPO (RIS‑Justiz RS0037095).
2.2. Eine vom Berufungsgericht aufgetragene zusätzliche Erörterung des Prozessstoffs kann aber niemals ein Verfahrensmangel im Rechtssinn sein, ist diese doch schon begrifflich nicht geeignet, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS‑Justiz RS0037095 [T10]; RS0043049 [T9]). Ein Verfahrensmangel kann immer nur in einem „zu wenig“, niemals in einem „zu viel“ an Verfahrensergebnissen liegen (4 Ob 91/15h mwN = RIS‑Justiz RS0125622 [T1]; RS0037095 [T18]). Der von der Revisionswerberin im Hinblick auf die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Erörterung mit der Klägerin inhaltlich erhobene Verfahrensmangel liegt damit nicht vor.
2.3. Davon abgesehen ist die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung oder zu einer Anleitung durch das Gericht geben könnte, schon von vornherein so einzelfallbezogen, dass darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0114544).
3.1. Nach § 14 ZPO bilden, wenn die Wirkung des zu fällenden Urteils sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt, diese eine einheitliche Streitpartei. Die einheitliche Streitpartei ist nicht immer eine notwendige Streitgenossenschaft, sondern dann, wenn kraft Gesetzes die Klage nur von oder gegen alle Rechtsgenossen gemeinsam eingebracht werden kann. Ansonsten ist die Frage nach einer notwendigen Streitgenossenschaft nach dem materiellen Recht zu entscheiden (1 Ob 191/09h mwN = EvBl 2010/59, 411 [Parapatits]). Es handelt sich um eine Frage der Sachlegitimation (RIS‑Justiz RS0035479 [T11]). Eine notwendige Streitgenossenschaft wird angenommen, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwirklichungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht (RIS‑Justiz RS0035479).
3.2. Die Feststellung des Bestehens einer Grunddienstbarkeit kann nur einheitlich von allen Miteigentümern des herrschenden Grundstücks gegen alle Miteigentümer des dienenden Grundstücks gemeinsam verlangt werden. Sie bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (RIS‑Justiz RS0012106; RS0101793 [T1]). Eine Rechtsgemeinschaft bloß im Vorfragenbereich genügt aber nicht einmal für die Annahme einer materiellen Streitgenossenschaft, weil sich diese stets auf den Streitgegenstand „im engeren Sinn“ beziehen muss (1 Ob 309/02a mwN = RIS‑Justiz RS0035355 [T3]).
3.3. Eine Grunddienstbarkeit ist mit dem Eigentum eines Grundstücks zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft (§ 473 ABGB). Das trifft aber auch dann zu, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit nur bei Benützung von anderen zwischen dem herrschenden und dienenden Grundstück liegenden Parzellen möglich ist und diese Benützung nicht auf „dinglich rechtlicher“ Grundlage beruht (8 Ob 312, 313/64 = RIS‑Justiz RS0011597). Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses ist kein strenger Maßstab anzuwenden (RIS‑Justiz RS0011593). Aus dem Erfordernis, dass die Dienstbarkeit dem berechtigten Grundstück einen Vorteil gewähren muss, ergibt sich, dass das berechtigte und das belastete Grundstück sich in einer solchen Lage befinden müssen, dass die Ausübung der Dienstbarkeit möglich ist; unmittelbare Nachbarschaft ist aber nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0011612; 7 Ob 271/99z = RS0113051; 2 Ob 115/12v mwN). Ein derartiges Nachbarschaftserfordernis wird von § 475 Abs 2 ABGB nur für Hausdienstbarkeiten aufgestellt, für Felddienstbarkeiten, zu denen auch Wegerechte gehören, hingegen abgelehnt (6 Ob 114/15f mwN = RIS‑Justiz RS0011612 [T2]).
3.4. In der gegenständlichen Sachverhalts-konstellation ist die Einbeziehung der Eigentümer der beiden zwischen dem herrschenden und dienenden Grundstück liegenden Grundstücke in das Prozessrechtsverhältnis in keiner Weise erforderlich. Außer einer solchen Behauptung bleibt die Rekurswerberin auch jegliche Argumente schuldig, inwiefern diese Eigentümer mit der Klägerin oder mit ihr in (dinglicher) Rechtsgemeinschaft stehen sollten. Die allfällige Rechtsgrundlage einer Nutzung der zwischen den streitgegenständlichen Liegenschaften liegenden Grundstücke durch die Klägerin hat keinen Einfluss auf die behauptete Dienstbarkeit auf dem Grundstück der Beklagten. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen einer notwendigen Streitgenossenschaft vorliegen könnten, bestehen nicht.
4. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 und § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222). Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass ihr mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RIS‑Justiz RS0035962 [T20, T29]; RS0035979 [T15]).
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