OGH 15Os56/23h

OGH15Os56/23h30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eschenbacher in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 23. Jänner 2023, GZ 19 Hv 27/22g‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00056.23H.0830.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./a./), des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (1./b./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in Vorarlberg vorschriftswidrig Suchtgift

1./ ein‑ und ausgeführt, und zwar

a./ am 14. April 2021 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich 9.000 Gramm Marihuana mit einem Reinsubstanzgehalt von rund 13,83 % THCA (US 3) von Deutschland über Österreich in die Schweiz,

b./ im Zeitraum April 2020 bis April 2022 in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich 48 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinsubstanzgehalt von zumindest 66,6 % (US 4) sowie 120 Gramm Marihuana mit einem durchschnittlichen Reinsubstanzgehalt von zumindest 13,83 % THCA (US 4) mit von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz (US 4) aus der Schweiz nach Österreich, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen,

2./ im Zeitraum 17. April 2018 bis Mai 2022 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar eine nicht mehr näher feststellbare Menge Marihuana und Kokain.

[3] Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Mängelrüge bezieht sich auf die erstgerichtlichen Feststellungen der betreffend 1./a./ des Schuldspruchs transportierten Suchtgiftmenge und behauptet, die Entscheidungsgründe stünden mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall). Der Rechtsmittelwerber übt allerdings bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, indem er darauf verweist, dass gegen die Feststellung, wonach der Angeklagte am 14. April 2021 eine Sporttasche mit ca 9.000 Gramm Marihuana mit dem bezeichneten Reinheitsgehalt in seinem PKW transportierte, die tatrichterliche Begründung spreche, wonach sich aus dem Chatverlauf ergäbe, dass es sich bei der Fahrt am 14. April 2021 nicht um die einzige Suchtgiftschmuggelfahrt gehandelt und es offensichtlich auch andere Fahrer und andere Fahrzeuge gegeben habe (US 8; vgl RIS‑Justiz RS0117402). Der Angeklagte argumentiert, im Zweifel hätte das Schöffengericht davon ausgehen müssen, dass die gegenständliche Reisetasche nicht von ihm, sondern von einem anderen Fahrer transportiert wurde. Damit verkennt er allerdings, dass der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) niemals Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO sein kann (RIS‑Justiz RS0102162).

[5] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung hat das Erstgericht mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 5 ff), weshalb es unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) – entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen – nicht verhalten war, näher auf den Inhalt seiner Aussage einzugehen (RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).

[6] Die Beschwerdebehauptung, die Tatrichter hätten die Feststellung, wonach der Angeklagte das zu 1./a./ des Schuldspruchs genannte Suchtgift transportierte, nicht oder bloß offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Sie lässt nämlich die Erwägungen im Urteil betreffend die „detaillierten Angaben des Angeklagten“ bei seiner polizeilichen Vernehmung, welche er in der Hauptverhandlung teilweise revidierte, genauso außer Acht, wie jene zum Chatverlauf vom 13. April 2021 betreffend die Übermittlung von Lichtbildern einer schwarzen Reisetasche mit mehreren Plastikbeuteln und eines negativen Corona‑Antigentests des Angeklagten (US 6, 8).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[8] Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass das Urteil folgenden Subsumtionsfehler (Z 10) aufweist:

[9] § 28a Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Mengen – vergleichbar dem für wert‑ und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar (RIS‑Justiz RS0117464). Der Angeklagte hat demnach zu 1./ nur eine strafbare Handlung begangen; der Schuldspruch wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall SMG neben dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG war verfehlt. Da sich dieser Subsumtionsfehler nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, musste er nicht von Amts wegen aufgegriffen werden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870 [insbesondere T2]).

[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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