OGH 15Os49/05b

OGH15Os49/05b20.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richters Mag. Reautschnig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Monika F***** wegen des Verbrechens nach § 104 Abs 1 und Abs 3 erster Fall FrG, AZ 25 Hv 111/05f des Landesgerichtes Eisenstadt, über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. April 2005, AZ 19 Bs 104/05s (ON 27 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Monika F***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Monika F***** ist beim Landesgericht Eisenstadt ein Verfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 104 Abs 1 und Abs 3 erster Fall FrG anhängig, weil sie - laut Strafantrag der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vom 7. März 2005 (ON 8) - dringend verdächtig ist, sie habe am 28. Februar 2005 in Kittsee die rechtswidrige Einreise von Fremden nach Österreich und damit in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gewerbsmäßig mit dem Vorsatz gefördert, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für sie und andere geschehe, indem sie zwei moldawische Staatsangehörige, versteckt im Motorraum des eigens umgebauten und von ihr gelenkten Pkws, über die Grenze nach Österreich zu transportieren suchte.

Über sie wurde mit Beschluss der Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes Eisenstadt vom 2. März 2005 aus den Haftgründen der Flucht- und Verabredungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 2 StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 5).

In der über den von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt erhobenen Strafantrag am 29. März 2005 abgeführten und vertagten Hauptverhandlung beantragte die Beschuldigte ihre Enthaftung, worüber der Einzelrichter mit Beschluss vom gleichen Tag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 2 StPO erkannte (ON 22).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO an.

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und der Haftgründe moniert wird, kommt keine Berechtigung zu.

Soweit die Beschwerde den dringenden Tatverdacht durch Erwägungen über den Beweiswert der Aussagen der geschleppten Personen und daraus resultierend der vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen, also der den Verdachtsausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe (§ 182 Abs 4 zweiter Satz [§ 179 Abs 4 Z 4] StPO), in Frage zu stellen sucht, verkennt sie, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlagen einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO Maß zu nehmen hat.

Demnach ist die Begründung des dringenden Tatverdachtes nur dann offenbar unzureichend, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht und solcherart geradezu willkürlich erscheint. Auch im Fall bloßer Scheingründe hätte das Gericht den Rahmen des gesetzlichen Beweiswürdigungsermessens überschritten (§ 10 GRBG; JBl 2000, 259 = EvBl 1999/192, EvBl 2000/112; EvBl 2000/193, EvBl 2001/97, 11 Os 143, 144/99, 12 Os 135/01, 13 Os 6/03, 14 Os 47/02, 13 Os 64/02, 15 Os 24/03, 15 Os 50/03 und 15 Os 50/03). Die Beschwerdeargumentation greift allerdings nur die (vorläufige) Beweiswürdigung des Oberlandesgerichtes an und missachtet solcherart die gesetzlichen Anfechtungskategorien.

Die vom Oberlandesgericht zur Begründung des dringenden Tatverdachtes ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen (vgl Beschluss des Oberlandesgerichtes S 3 und 4) lassen den daraus gezogenen Schluss auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer gewerbsmäßig begangenen Schlepperei als nicht unvertretbar erscheinen.

Dem weiteren Vorbringen, es widerspreche dem in Art 6 Abs 1 EMRK normierten Grundsatz des „fair trial", die Relevanz von entlastenden Aussagen auszuschließen, ohne die bezughabenden Zeugen iSd § 162a StPO gerichtlich kontradiktorisch vernommen zu haben, wendet sich in Wahrheit neuerlich gegen den Beweiswert der vom Oberlandesgericht im Rahmen der vorläufigen Verdachtsprüfung herangezogenen Beweismittel. Die unter Bedachtnahme auf die fehlende soziale Integration der ungarischen Staatsbürgerin in Österreich, das deliktsimmanente Wissen von Umgehungsmöglichkeiten der Grenzkontrolle sowie die zu erwartende Hilfe der Hintermänner in Verbindung mit einem durch die zu befürchtende empfindliche Sanktion hohen Fluchtanreiz getroffene Annahme der Fluchtgefahr (S 4 der Beschwerdeentscheidung) beruht entgegen der Beschwerde nicht auf einer „unzulässigen Ungleichbehandlung von EU-Bürgern, die einem EU-Staat außerhalb des Bundesgebietes sozial integriert sind", sondern auf der gesetzeskonformen Heranziehung bestimmter Tatsachen (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) und deren rechtlich fehlerfreien Beurteilung durch das Oberlandesgericht. Die weiteren Argumente zur Fluchtgefahr verkennen im Übrigen, dass dieser Haftgrund auch dann besteht, wenn die Gefahr vorliegt, die Angeklagte werde sich (wenn auch nur im Inland) verborgen halten (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO, vgl 15 Os 105/04). Gleichfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei den - zum (maßgeblichen) Zeitpunkt der Beschlussfassung aktuellen - Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2 StPO aus den auf S 4 und 5 der bekämpften Entscheidung dargelegten Umständen begründet abgeleitet. Die Beschwerdebehauptung, der Haftgrund setze „Handlungen des von der Haft Betroffenen voraus, die zum Zwecke der Verdunkelung bzw zum Zweck der Verabredung gesetzt worden sind, eine derartige Annahme wäre als aktenwidrig zu verwerfen", argumentiert lediglich abstrakt und vermag einen Fehler bei der Subsumtion des Prognosesachverhaltes nicht aufzuzeigen.

Bei Behauptung der Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel legt die Beschwerde nicht dar, inwiefern dem Oberlandesgericht bei Verneinung der Anwendbarkeit gelinderer Mittel ein Fehler unterlaufen ist. Solcherart wird zwar angegeben, aber nicht begründet, worin die Beschwerdeführerin die Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit erblickt (vgl aber § 3 Abs 1 GRBG; 15 Os 41/05a). Angesichts der Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr erübrigt sich bei Behandlung der Grundrechtsbeschwerde ein Eingehen auf die Kritik betreffend den vom Oberlandesgericht weiters angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24).

Monika F***** wurde daher in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Anträge der Grundrechtsbeschwerde wiederholenden Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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