OGH 15Os105/04

OGH15Os105/049.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rainer K*****, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und 15 StGB, AZ 043 Hv 134/02t des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 9. Juli 2004, AZ 18 Bs 176, 177, 178/04 (ON 526 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Rainer K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Im angeführten Strafverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde Rainer K***** mit Urteil vom 6. Mai 2004 wegen des Verbrechens des teils vollendeten teils versuchten gewerbsmäßig schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen diese Entscheidung meldete der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Danach hat er vom 13. Juni 1999 bis 21. Februar 2001 in Wien und anderen Orten Verfügungsberechtigten der Gemeinde Wien und anderen Geschädigten fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 2.000 Euro, nicht aber 40.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch in Gebäude, und zwar in Kindertagesheime, Schulen und in einen Kiosk sowie durch Aufbrechen von Behältnissen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen in sechzehn Fällen weggenommen und in weiteren fünf Fälle wegzunehmen versucht.

Zu diesem Verfahren befand sich Rainer K***** zunächst vom 25. Februar bis 24. April 2001 in Untersuchungshaft. In einem abgesondert geführten Strafverfahren wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. Oktober 2000, rechtskräftig am 24. April 2001, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei die im vorliegenden Verfahren erlittene Untersuchungshaft angerechnet wurde. Die verhängte Strafe verbüßte er bis zum 16. März 2004. An diesem Tag wurde über ihn neuerlich die Untersuchungshaft verhängt. Aufgrund eines Enthaftungsantrages beschloss die Vorsitzende des Schöffensenates nach Durchführung einer Haftverhandlung am 22. Juni 2004 die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit der angefochtenen Entscheidung nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den angeführten Haftgründen an.

Rechtliche Beurteilung

Die Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Fluchtgefahr hat der Gerichtshof zweiter Instanz nicht nur auf die Höhe der vom Erstgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe sondern - was die Beschwerde übergeht - insbesondere auch darauf gestützt, dass dem Angeklagten bereits zweimal die Flucht aus der Strafhaft gelungen war. Diese Begründung ist aktenmäßig gedeckt und entspricht den Grundsätzen logischen Denkens.

Die Argumente des Beschwerdeführers, er habe ausreichende Inlandsbeziehungen und verfüge nicht über die nötigen Mittel für eine Flucht in das Ausland, gehen ins Leere, weil der Haftgrund der Fluchtgefahr nicht nur dann besteht, wenn ein Absetzen des Täters in das Ausland zu befürchten ist, es genügt vielmehr das Vorliegen der Gefahr, der Angeklagte werde sich (wenn auch nur im Inland) verborgen halten (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO).

Da bereits dieser Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt sich ein Eingehen auf den darüber hinaus angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24). Im Übrigen hat das Beschwerdegericht diesen jedoch zutreffend auf die zwölf einschlägigen Vorstrafen und die Vielzahl der dem Angeklagten angelasteten Fakten gestützt. Im Hinblick auf den - wenn auch nicht rechtskräftigen - Schuldspruch des Schöffengerichtes wegen zahlreicher gravierender Eingriffe in fremdes Vermögen und die deswegen verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren ist die Dauer der Untersuchungshaft weder unangemessen noch steht sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden rechtskräftigen Strafe außer Verhältnis.

Verfahrensverzögerungen können nur dann eine Grundrechtsverletzung bewirken, wenn sie ursächlich für eine unangemessen lange Dauer der Untersuchungshaft sind (Hager/Holzweber aaO E 91). Dies ist jedoch vorliegend - wie bereits angeführt, allerdings nur im Hinblick auf die zwischenzeitige Verbüßung einer Freiheitsstrafe - nicht der Fall. Rainer K***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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