OGH 14Os47/02

OGH14Os47/022.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Mai 2002 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franco B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Satz StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Adriano L***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 14. März 2002, AZ 9 Bs 86/02, GZ 16 Ur 17/02f-132 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Adriano L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 14. März 2002, AZ 9 Bs 86/02, gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Adriano L***** gegen die vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz beschlossene Fortsetzung der am 10. Jänner 2002 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge und setzte diese seinerseits aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fort.

Darnach richtet sich gegen den Beschuldigten der dringende Verdacht, im Zusammenwirken mit Franco B***** und Ugo Be***** am 2. September 1998 in B***** (zusammengefasst) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder und unter Verwendung einer Waffe der Maria Sch***** welche dabei in unerwähnt gebliebener Weise (s aber die Vorschrift des § 182 Abs 4 zweiter Satz iVm § 179 Abs 4 Z 2 StPO) "schwer verletzt" worden sei, mit Gewalt gegen sie und ihre Tochter Tanja sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, 4.000 S und Schmuck in unbekanntem Wert abgenötigt "und" (gemeint: oder) weggenommen, den Inhalt eines Tresors aber wegzunehmen versucht zu haben, indem sie ihr Faustschläge versetzten, eine Pistole, verbunden mit der Ankündigung, Tanja zu erschießen, gegen den Kopf hielten und das Kind fesselten.

Rechtliche Beurteilung

Wenngleich die Subsumtion der Tat, deren der Beschuldigte für dringend verdächtig erachtet wurde, entgegen § 182 Abs 4 zweiter Satz (§ 179 Abs 4 Z 2) StPO unterblieben ist, ist erkennbar, dass der Gerichtshof zweiter Instanz - dessen Fortsetzungsbeschluss nach dem Gesetz denjenigen des Untersuchungsrichters zu ersetzen und nicht bloß zu beurteilen hat, mithin eine neue (reformatorische) Entscheidung darstellt - vom dringenden Verdacht eines teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142, 143 erster (erster und zweiter Fall) und zweiter Satz StGB ausgegangen ist (vgl EvBl 2001/97).

Der Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlagen einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO Maß zu nehmen hat (§ 10 GRBG; JBl 2000, 259 = EvBl 1999/192, EvBl 2000/112; EvBl 2000/193, EvBl 2001/97, 11 Os 143, 144/99, 12 Os 35/01, 13 Os 6/02, 15 Os 110/00 uva; zuletzt nachdrücklich Felzmann, JRP 2000, 2001, 1 [4 f]).

Soweit die Beschwerde statt dessen den dringenden Tatverdacht durch Erwägungen über den Beweiswert der vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen, also der den Verdachtsausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe (§ 182 Abs 4 zweiter Satz [§ 179 Abs 4 Z 4] StPO), in Frage zu stellen sucht, geht sie demnach ins Leere.

Sie greift damit nämlich nur die (vorläufige) Beweiswürdigung des Oberlandesgerichtes an und missachtet solcherart die gesetzlichen Anfechtungskategorien. Offenbar unzureichende Begründung des dringenden Tatverdachtes (§ 10 GRBG, § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall) liegt angesichts der Aussage des Tatopfers, das den Beschwerdeführer mit Sicherheit wiedererkannt haben will, und der im angefochtenen Beschluss dargelegten weiteren Indizien keineswegs vor. Von aktenkundigen erheblichen Bedenken im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5a StPO (§ 10 GRBG) kann ebensowenig die Rede sein, zumal die Beschwerde keinerlei Erklärung dafür aufzuzeigen vermag, was Maria Sch***** dazu veranlasst haben könnte, den Beschuldigten wider besseres Wissen als Täter zu bezeichnen.

Weil das Oberlandesgericht keineswegs von der Schuld des Beschwerdeführers ausgegangen ist, sondern nur dringenden Tatverdacht bejaht hat, ist L***** übrigens auch in seinem Grundrecht, bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld als unschuldig zu gelten, nicht beeinträchtigt (vgl Art 6 Abs 2 EMRK).

Die Gegenüberstellung mit Josef Rudolf Z*****, bei welcher dieser den Beschuldigten nicht wiedererkannt hat (Bd I, Seite 369a; s aber auch Seite 369), bedurfte angesichts des - aufgrund eines Größenschlusses aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO - auch für Haftentscheidungen geltenden Gebotes zu gedrängter Darstellung der Begründung keiner gesonderten Erörterung (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO). Ebensowenig erörterungsbedürftig war der Aktenvermerk über eine von Sophie H***** gegenüber erhebenden Gendarmeriebeamten abgegebene Personenbeschreibung, zumal die Beschwerde nicht deutlich und bestimmt zum Ausdruck bringt, was daraus für ihren Standpunkt zu gewinnen gewesen wäre. Aktenwidrig hinwieder ist die Behauptung, Maria Sch***** habe den Beschuldigten bei einer Gegenüberstellung in Italien nicht erkannt (s die in ON 97 erliegende Berichtigung des Berichtes vom 30. Oktober 2001, ON 72a).

Das in ON 114 erliegende DNA-Gutachten, sichergestellte Strumpfmasken betreffend, wurde gar wohl erörtert und dahin bewertet, dass es die Täterschaft L*****s nicht ausschließt. Warum die beiden anderen Beschuldigten, hätten sie zwei der sichergestellten Masken getragen, jedenfalls Spuren, die eine Zuordnung ermöglicht hätten, hinterlassen haben müssten, sagt die Beschwerde nicht.

Eine Urkunde oder gerichtliche Aussage, deren Inhalt in der Begründung des angefochtenen Beschlusses unrichtig wiedergegeben worden wäre, wird nicht genannt (§ 10 GRBG, § 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO). Gleichermaßen unklar bleibt, warum der Antrag des italienischen Staatsanwaltes auf Einstellung des dortigen Verfahrens die Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichtes in Frage stellen sollte.

Ob die wegen "mafiosen Verbrechertums" erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers tatsächlich getilgt oder bloß die hiefür verhängte Strafe endgültig nachgesehen wurde (vgl Bd I, Seite 347), kann angesichts des vom Oberlandesgericht hervorgehobenen Gewichts des mehrfach als schwer qualifizierten Raubes, dessen L***** dringend verdächtig ist, unter dem Gesichtspunkt der - demnach zu Recht angenommenen - Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO dahinstehen.

Welche gelinderen Mittel geeignet sein könnten, diese hintanzuhalten, sagt die Beschwerde nicht. Was deren Ablehnung durch das Oberlandesgericht mit der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK zu tun haben soll, ist nicht nachzuvollziehen.

Weil schließlich bereits ein Haftgrund die Fortsetzung der Untersuchungshaft trägt, bedarf die Kritik an der Annahme von Fluchtgefahr keiner Erörterung.

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