Spruch:
Durch den Vorgang, dass die Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft gegen den Gebührenbestimmungsbeschluss vom 20. Mai 1999 (ON 12a) dem Verurteilten und dem Sachverständigen nicht zur Beschwerdebeantwortung zugestellt wurde, ist das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG verletzt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss des Einzelrichters vom 20. Mai 1999 (ON 12a) wurden die Gebühren des Buchsachverständigen Dr. Franz K***** mit der Begründung, dass sie "den im Rahmen des gerichtlichen Auftrags erbrachten Leistungen und den Ansätzen des GebAG 1975 idgF" entsprechen, auf Basis der Gebührennote vom 25. November 1998 (ON 12) antragskonform mit 33.426 S bestimmt.
Weder die Staatsanwaltschaft noch der inzwischen rechtskräftig verurteilte Ludwig M***** hatten zuvor von ihrem durch § 39 Abs 1 vierter Satz GebAG eingeräumten Äußerungsrecht (vorletzte und letzte Seite des AV-Bogens) Gebrauch gemacht.
Die Staatsanwaltschaft erhob sodann gegen diesen (und einen weiteren hier nicht relevanten) Gebührenbestimmungsbeschluss fristgerecht am 7. Juli 1999 eine die Höhe des Stundensatzes der Mühewaltungsgebühr von 2.058 S bekämpfende, dessen Reduktion auf 900 S (zuzüglich 20 % Umsatzsteuer) anstrebende Beschwerde (ON 21).
Obwohl der Gebührenteil, dessen Aberkennung beantragt wurde, 3.900 S überstieg, weil 12 Mühewaltungsstunden verrechnet worden waren, unterließ der Einzelrichter die Zustellung der Rechtsmittelschrift an den (nunmehr unvertretenen) Verurteilten und den Sachverständigen, sondern legte die Beschwerde dem Rechtsmittelgericht zur Entscheidung vor (ON 24).
Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. August 1999, AZ 10 Bs 310/99 (= ON 28), wurde (im den Beschluss ON 12a anfechtenden Teil) der Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit der Begründung keine Folge gegeben, dass die Unterlassung von Einwendungen seitens der Staatsanwaltschaft nach §§ 37 Abs 2, 39 Abs 3 GebAG deren Zustimmung zur Gebührennote fingiere. Ungeachtet des Vorliegens der Beschwerdelegitimation sei das Rechtsmittel einer sich zur Gebührennote nicht äußernden Partei insofern sachlich (und nicht formal) beschränkt, als diese im Rechtsmittelverfahren zwar Verstöße gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen, nicht aber - wie vorliegend - eine bereits durch die "fingierte Zustimmung gedeckte", im Rahmen des Gesetzes (hier: § 34 Abs 4 GebAG) erfolgte Gebührenberechnung erfolgreich bekämpfen könne.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zunächst zutreffend ausführt, wurde durch das vom Einzelrichter zu vertretende Unterbleiben der in § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG normierten Zustellung der Beschwerdeausführung der Staatsanwaltschaft an den Verurteilten und den Sachverständigen (§ 40 Abs 1 Z 2 und 3 GebAG) vor der Vorlage des Rechtsmittels an den Gerichtshof zweiter Instanz zwecks allfälliger Beschwerdebeantwortung bei vorliegend 3.900 S übersteigendem Rechtsmittelinteresse gegen § 41 Abs 1 zweiter Satz GebAG verstoßen und so das rechtliche Gehör der Prozessparteien verletzt (zur Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens vgl S 5, 8 und 14 der Regierungsvorlage zu BGBl 1994/623, 1554 BlgNR 18. GP).
Der Generalprokurator führt weiters aus:
Der ausschließlich an jüngere - zu den Folgen der "fingierten Zustimmung" uneinheitliche - Entscheidungen diverser Rechtsmittelgerichte in Zivilrechtssachen angelehnten (SV 1996/2, 25 f; 1996/3, 29 ff; 1997/2, 28 ff; 1997/3, 27 ff) Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Graz kann bezogen auf das Gebührenbestimmungsverfahren in Strafsachen nicht gefolgt werden:
Gemäß § 37 Abs 2 GebAG 1975 (idF BGBl 1994/623) steht dem Sachverständigen bei Verzicht auf die Zahlung der Gebühr aus den Amtsgeldern in zivilgerichtlichen Verfahren eine höhere als die vorgesehene Gebühr dann zu, wenn die Parteien einvernehmlich der Bestimmung der Gebühr in dieser Höhe zustimmen oder wenn die Parteien durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten sind und innerhalb der gemäß § 39 Abs 1 letzter Satz GebAG festgesetzten Frist gegen die vom Sachverständigen verzeichnete Gebühr keine Einwendungen erheben.
Schon der klare Wortlaut des § 37 Abs 2 GebAG (und seine systematische Einordnung außerhalb des mit der Überschrift "Bestimmung der Gebühr" versehenen § 39 GebAG) lässt keinerlei Raum für seine auch nur analoge Anwendung bei Gebührenbestimmungen in Strafsachen.
Ohne zwischen Zivil- und Strafverfahren zu unterscheiden legt § 39 Abs 3 GebAG (BGBl 1994/623) hingegen (im ersten Satz) fest, dass der Beschluss, mit dem die Gebühr bestimmt wird, zu begründen ist, wobei (nach dem zweiten - durch Art I Z 7 lit b angefügten - Satz) das Gericht - falls die in § 40 Abs 1 Z 1 oder 2 GebAG genannten Personen (hier: der Staatsanwalt und der Verurteilte) gegen die Bestimmung der Gebühr in der vom Sachverständigen beantragten Höhe keine Einwendungen erhoben haben - bei Bestimmung der Gebühr in dieser Höhe zur Begründung des Beschlusses auf den diesen Personen zugestellten Gebührenantrag verweisen kann.
Zweck dieser Ergänzung des § 39 Abs 3 GebAG ist es, den Gerichten unter den dort geregelten Voraussetzungen (lediglich) die Begründung des Gebührenbeschlusses zu erleichtern (1554 BlgNR 18. GP, S 13). Dass bei Unterlassung von Einwendungen dem Gericht nicht einmal die Pflicht zur Begründung auferlegt sein soll, selbst wenn allenfalls der Gebührenantrag keineswegs den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, ist - der Beschwerdeentscheidung (S 3) zuwider - weder mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar noch dessen Materialien zu entnehmen. Bei Gültigkeit einer solchen Regelung für alle Verfahrensarten verlöre die nur im Zivilprozess unter bestimmten Voraussetzungen (unter anderem rechtskundige Vertretung der Parteien) anwendbare Sondervorschrift des § 37 Abs 2 GebAG jeglichen Sinn.
Das Unterlassen von (rechtzeitigen) Einwendungen zieht somit im Strafverfahren keine über die Begründungserleichterung des § 39 Abs 3 GebAG hinausgehenden Rechtsfolgen nach sich.
Im Ergebnis läuft die vom Oberlandesgericht Graz als Folge der "fingierten Zustimmung" zur Gebührennote angenommene sachliche Einschränkung der Anfechtung der Gebührenbestimmung im Strafverfahren auf eine aus dessen Prozessordnung mangels eines Neuerungsverbotes bei Beschwerdeerhebung - anders als im von einem solchen Verbot beherrschten zivilgerichtlichen Rekursverfahren - nicht ableitbare partielle Beschneidung der Beschwerdelegitimation von Parteien hinaus, die Einwendungen gemäß § 39 Abs 3 GebAG unterlassen haben. Da es die Staatsanwaltschaft war, die als Rechtsmittelwerberin auftrat, wurde durch den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz neben dem das uneingeschränkte Beschwerderecht im Gebührenbestimmungsverfahren in Strafsachen einräumenden § 41 Abs 1 GebAG auch § 1 StAG verletzt (vgl 15 Os 112, 113/99).
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Neben der die Stattgebung der Wahrungsbeschwerde bedingenden Sicherstellung des rechtlichen Parteiengehörs hat die Gebührenanspruchsgesetznovelle 1994 insbesondere eine Vereinfachung und Beschleunigung der Gebührenbestimmung im Blick (RV aaO S 5, 7). Die Entscheidung über den zivilrechtlichen Anspruch des Sachverständigen soll nach Möglichkeit - unter Abkürzung allfälliger überflüssiger Rechtsmittelverfahren - in die erste Instanz verlagert werden, wofür in den §§ 38 bis 42 GebAG verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen nach Art eines selbständigen (hier ins Strafverfahren implantierten) Zwischenverfahrens vorgesehen sind, welche grundsätzlich für alle Prozessarten gelten und alle sonstigen Verfahrensvorschriften (also auch jene der StPO) verdrängen (RV aaO S 8).
Damit greift aber der Hinweis darauf, dass sonst im strafrechtlichen Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot besteht, zu kurz.
Wenn § 39 Abs 3 GebAG dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, für den Fall, dass die - ausdrücklich - genannten Personen nach § 40 Abs 1 Z 2 GebAG (sohin auch der Ankläger) gegen die antragsgemäße Bestimmung der Sachverständigengebühren keine Einwendungen erhoben haben, zur Begründung des Beschlusses - lediglich - auf den ihnen zugestellten Gebührenantrag zu verweisen, dann kann dies nicht bloß als Begründungserleichterung interpretiert werden: Würde man nämlich danach eine unbeschränkte Rechtsmittelbefugnis einräumen, hätte dies zur Konsequenz, dass - nach gefestigter strafrechtlicher Judikatur - jede Beschwerde Erfolg hätte, weil es der angefochtenen Entscheidung an der erforderlichen Begründung mangelte, was die oben angeführten Intentionen des Gesetzgebers aber geradezu unterlaufen würde.
Die unterbliebene Erstattung von Einwendungen gegen die eine in den Tatsachenbereich fallende, disponible Ermessensentscheidung bedingende Höhe des Stundensatzes nach § 34 Abs 4 GebAG nimmt vielmehr den Parteien (hier: der Staatsanwaltschaft) das Rechtsschutzinteresse (die Beschwer) für das (vorliegend allein einen niedrigeren Ansatz anstrebende) Rechtsmittel (vgl Krammer, Zur Gebührenanspruchsgesetznovelle 1994, SV 1995/3, S 13; von der Generalprokuratur zitierte Entscheidungen, sowie SV 1999/2 S 92 ff; ähnlich SV 1999/4 S 172 ff).
Dass der Gesetzgeber eine klare, etwa an § 185 Abs 3 AußStrG angelehnte Regelung der Rechtsmittellegitimation (wohl zur Sicherung einer "Mindestkontrolle" durch das Gericht) unterlassen hat, trägt hier ebensowenig aus wie die Bezugnahme auf § 37 Abs 2 GebAG, welcher nur den im Strafverfahren gar nicht vorgesehenen Fall einer höheren als der gesetzlichen Gebühr im Auge hat.
Aber auch unvertretene Parteien bedürfen angesichts der im Zivilverfahren eingeräumten (vergleichbaren) Möglichkeiten eines Versäumungs- oder Anerkenntnisurteils bei die hier in Rede stehenden Beträge übersteigendem Streitwert keines darüber hinausgehenden Schutzes im Strafverfahren, stehen doch bei Missachtung gesetzlicher Bestimmungen ohnehin die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie das Amtshaftungsverfahren als Abhilfe zur Verfügung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)