Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der - ein in der Ausgabe der Tageszeitung „Österreich“ vom 2. September 2009 auf Seite 5 mit der Überschrift „VP-General über FP-Chef S*****: 'Er ist ein Heuchler'“ veröffentlichtes Interview betreffenden - Medienstrafsache des Privatanklägers Heinz-Christian S***** (Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs) gegen (den seinerzeitigen Generalsekretär der Österreichischen Volkspartei) DI Fritz K*****, AZ 113 Hv 74/09v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurde mit Urteil dieses Gerichts vom 12. Jänner 2010 (ON 11) - soweit hier von Interesse - der Angeklagte DI Fritz K***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 111 Abs 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat DI Fritz K***** Heinz-Christian S***** am 1. September 2009 in der Tageszeitung „Österreich“, mithin in einem Druckwerk, in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen oder verächtlich zu machen, indem er behauptete, dieser „klaube auf seinen Disco-Touren offenbar Jugendliche auf, um sie dann als Söldner ausbilden zu lassen“.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Angeklagten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie des Ausspruchs über die Schuld gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 20. September 2010, AZ 18 Bs 109/10a (ON 22), nicht Folge.
Gegen die erwähnten Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK, der Antrag des Verurteilten DI Fritz K***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO (RIS-Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG.
Rechtliche Beurteilung
Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.
Für einen - wie hier vorliegenden - nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737).
Demnach hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter, EMRK4 § 13 Rz 13) - auch ein Erneuerungsantrag nach § 363a StPO deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und, soweit er (auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe [vgl zu § 281 Abs 1 Z 5 sowie Z 5a StPO: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394 und 487]) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag, seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393; RS0110146 zu § 10 GRBG; 15 Os 28/10x).
Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht:
Denn mit dem Einwand, die inkriminierte Äußerung sei nicht als Tatsachenbehauptung (eines Tatvorwurfs), sondern als ein „in der der politischen Auseinandersetzung übliches, täglich vorkommendes überspitztes Bewerten eines (aufgrund einer Berichterstattung in der Tageszeitung 'Österreich' vom Vortag bestehenden) Verdachts und des Verlangens nach Aufklärung“ anzusehen, wiederholt der Erneuerungswerber bloß das Vorbringen in der Schuldberufung (ON 15), ohne sich auch nur ansatzweise mit den auf den Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung abstellenden - Gesetzen logischen Denkens und den grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden - Begründungserwägungen (sowohl des Erst- als auch) des Oberlandesgerichts auseinanderzusetzen (S 7 f des Ersturteils und S 6 f des Berufungsurteils). Solcherart verfehlt der Erneuerungswerber die gebotene Orientierung an den mängelfrei begründeten - seinem Standpunkt gänzlich konträren - Urteilsfeststellungen zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Vorwurfs. Demnach wurde dem konkret angesprochenen Leserkreis - als Tatsachenbehauptung - vermittelt, der Privatankläger habe (tatsächlich) persönlich Jugendliche in Diskotheken angesprochen, um sie anzuwerben und sie zu „Söldnern“, somit zu Personen ausbilden zu lassen, die an einem bewaffneten Konflikt aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnehmen (vgl die Wiedergabe des Ersturteils auf S 6 f des Berufungsurteils).
Aus dem solcherart zu Grunde zu legenden Bedeutungsinhalt des inkriminierten Vorwurfs folgt zum einen, dass auch die Kritik an den Erwägungen des Berufungsgerichts, wonach den vom Berufungswerber vermissten Feststellungen zu einer den Privatankläger betreffenden Berichterstattung in der Tageszeitung „Österreich“ vom Vortag der Veröffentlichung des verfahrensgegenständlichen Interviews für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage keine Relevanz zukomme, diese daher nicht entscheidungswesentlich seien (S 6 des Berufungsurteils), unberechtigt ist. Denn das Thema eines Wahrheitsbeweises (§ 111 Abs 3 erster Satz StGB) hat sich zum Inhalt des durch den festgestellten Bedeutungsinhalt determinierten inkriminierten Vorwurfs kongruent zu verhalten (RIS-Justiz RS0115118), was solcherart auf die relevierte Vortagsberichterstattung zu einer geheimdienstlichen Überwachung des Privatanklägers wegen einstiger Beteiligung an einem Unternehmen, das Österreicher als „Irak-Söldner“ ausgebildet habe (neuerlich S 6 des Berufungsurteils), nicht zutrifft.
Zum anderen ist es zwar richtig, dass politische Meinungsäußerungen und Äußerungen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse eines hohen Grades an Schutz durch das durch Art 10 MRK garantierte Grundrecht bedürfen, sodass Art 10 Abs 2 MRK einem Staat nur wenig Spielraum für Einschränkungen von Debatten in der politischen Auseinandersetzung oder zu Fragen von öffentlichem Interesse überlässt. Dennoch sind - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - die Grenzen strafloser Kritik dann überschritten, wenn unwahre diffamierende Tatsachenbehauptungen vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0125220, RS0107915, RS0075601, RS0032201; Kienapfel/Schroll, BT I5 Vorbem §§ 111 ff Rz 8, 14, 26). Mit Blick auf die erwähnten Urteilsfeststellungen zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten, nicht als wahr erwiesenen (§ 111 Abs 3 erster Satz StGB; S 6 und 8 des Ersturteils) Vorwurfs ist gerade das hier der Fall.
Der Hinweis auf das im wegen Unterlassung und Widerrufs geführten Zivilverfahren am 17. November 2010 ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofs, AZ 6 Ob 128/10g, in welchem die (auch) hier inkriminierte Äußerung als vom Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art 10 MRK gedeckt qualifiziert wurde, übersieht, dass der Bedeutungsinhalt einer Äußerung (somit auch die Prüfung, ob diese eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil enthält) nach ständiger zivilrechtlicher Rechtsprechung eine vom Revisionsgericht selbst zu beurteilende Rechtsfrage darstellt (RIS-Justiz RS0043590, RS0031883, RS0115693). Dagegen handelt es sich nach ständiger strafrechtlicher Judikatur (auch des für Mediensachen beim Obersten Gerichtshof ansonsten exklusiv zuständigen Senats 15), von der hier abzugehen der erkennende Senat keinen Anlass findet, beim Bedeutungsinhalt einer (auch in einem Medium) getätigten Äußerung um eine Tatfrage, die von den Tatsacheninstanzen durch entsprechende Feststellungen zu klären ist (RIS-Justiz RS0123668; Ratz, WK-StPO § 362 Rz 16 ff; vgl auch die Judikaturnachweise bei Rami in WK2 MedienG Präambel Rz 1b). Nach den (mit jenen des Erstgerichts im Wesentlichen übereinstimmenden) Konstatierungen des Berufungsgerichts war die inkriminierte Äußerung gerade kein pointiert-kritischer Kommentar eines früheren Medienberichts, sondern eine - zu diesem nicht kongruente - unwahre, diffamierende Tatsachenbehauptung. Erhebliche Bedenken dagegen macht der Antragsteller nicht geltend (vgl § 281 Abs 1 Z 5a StPO); zu amtswegiger Wahrnehmung sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst.
Da demnach die Einschränkung der Meinungsäußerung zum Schutz des Rechtes auf Achtung der Ehre iSd Art 10 Abs 2 MRK gesetzlich, nämlich in § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, vorgesehen und im konkreten Fall auch erforderlich war und die Gerichte unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine maßvolle Sanktion (eine bedingt nachgesehene Geldstrafe im Ausmaß von 60 Tagessätzen) gefunden haben, kann eine Verletzung des Art 10 MRK nicht festgestellt werden.
Der Erneuerungsantrag des Verurteilten war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu eingebrachten Äußerung des Antragsstellers - gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG als offenbar unbegründet zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)