OGH 13Os81/24x

OGH13Os81/24x13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 17. Juni 2024, GZ 327 Hv 42/24y-179.3, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00081.24X.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt bleibt, zu den Hauptfragen 1 und 2 hinsichtlich der Bejahung der Tatbegehung als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung von Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG sowie das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch I und II umfassten Taten (auch) nach § 28a Abs 4 Z 2 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung mit dem Auftrag verwiesen, die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der Entscheidung mit zugrunde zu legen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * W* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung von Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG „ein weiteres Mitglied der Organisation“, und zwar * L*, durch konkrete Anweisungen hinsichtlich der vorzunehmenden Tathandlungen dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), von zumindest 15. Juni 2023 bis zum 8. August 2023 in S* und anderorts nachgenannte Personen zu bestimmen, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von zumindest 0,9 % Delta-9-THC und 11,84 % THCA,

I) aus Kanada per Luftpostsendung aus- sowie nach Österreich einzuführen, und zwar vorsatzlos handelnde Piloten diverser Fluggesellschaften, indem er die Aufgabe und die Versendung von Paketen, welche insgesamt 185.400 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 1.668,6 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 83,43-Fachen der Grenzmenge) und 21.961,36 Gramm THCA (entspricht dem 548,78-Fachen der Grenzmenge) enthielten, an diverse Postfilialen in Österreich durch den abgesondert verfolgten Mittäter „Versender in Kanada“ bewirkte, sowie

II) anderen zu überlassen, nämlich

A) * P*, indem * L* diesen erfolgreich anwies,

a) am 15. Juni 2023 von Belgien mit dem Zug nach Wien zu reisen, dort von dem Mittäter * S* eine Sporttasche mit 4.000 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 36 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 1,8-Fachen der Grenzmenge) und 473,6 Gramm THCA (entspricht dem 11,48-Fachen der Grenzmenge) zu übernehmen und diese in der Folge aus dem Bundesgebiet mit dem Zug nach Heidelberg in Deutschland zu bringen und dort dem abgesondert verfolgten „Empfänger in Deutschland“ zu übergeben,

b) 18.000 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 162 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 8,1‑Fachen der Grenzmenge) und 2.131,2 Gramm THCA (entspricht dem 53,28-Fachen der Grenzmenge) aus Luftpostsendungen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * S*, in eine Tasche umzupacken und in der Folge am 13. Juli 2023 aus dem Bundesgebiet mit dem Zug nach Heidelberg in Deutschland zu bringen und dort dem abgesondert verfolgten „Empfänger in Deutschland“ zu übergeben und

c) weitere ca 7.300 Gramm mit einer Reinsubstanz von 65,7 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 3,28-Fachen der Grenzmenge) und 864,32 Gramm THCA (entspricht dem 21,6-Fachen der Grenzmenge) aus Luftpostsendungen an unbekannte Suchtgiftabnehmer zu übergeben und

B) * S*, indem * L* diesen erfolgreich anwies, 6.300 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 56,7 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 2,83-Fachen der Grenzmenge) und 745,92 Gramm THCA (entspricht dem 18,64-Fachen der Grenzmenge) aus Luftpostsendungen an unbekannte Suchtgiftabnehmer zu übergeben,

C) * N*, indem * L* diesen erfolgreich anwies, 54.700 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 492,3 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 24,61-Fachen der Grenzmenge) und 6.476,48 Gramm THCA (entspricht dem 161,91-Fachen der Grenzmenge) aus Luftpostsendungen an unbekannte Abnehmer zu übergeben, sowie

D) * T*, indem * L* diesen erfolgreich anwies, sich am 8. August 2023 mit drei Koffern, die insgesamt 12.500 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 112,5 Gramm Delta-9-THC (entspricht dem 5,6-Fachen der Grenzmenge) und 1.480 Gramm THCA (entspricht dem 37-Fachen der Grenzmenge) beinhalteten, in das Hotelzimmer des Mittäters * F* zu begeben und diesem die Koffer samt Inhalt zu übergeben.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8 und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) bemängelt in Betreff der Hauptfragen 1 und 2 zu Recht einen substratlosen Gebrauch des Gesetzeswortlauts „als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen“ (§ 28a Abs 4 Z 2 SMG).

[5] Die sogenannte „Großbande" im Sinne von § 28a Abs 4 Z 2 SMG ist der auf eine gewisse Dauer eingerichtete, mehr oder minder organisierte Zusammenschluss einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung von strafbaren Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG, wobei als Richtwert für die Mindestanzahl zehn Personen angenommen werden (vgl RIS-Justiz RS0114841 sowie Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 28a Rz 33).

[6] Den Hauptfragen 1 und 2 lässt sich zwar das Tätigwerden von sieben namentlich genannten Tätern und sechs weiteren unbekannten Tätern über einen Zeitraum von knapp zwei Monaten entnehmen, jedoch finden sich – auch bei (gebotener) Berücksichtigung des gesamten in den Fragen angeführten Sachverhalts (RIS-Justiz RS0108727) – keine Aussagen zu einem Zusammenschluss von wenigstens etwa zehn dieser Personen zur Begehung von Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG. Die Unterlassung des Schwurgerichtshofs, im Rahmen der beiden Schuldfragen 1 und 2 durch entsprechende Fragestellung den für die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 2 SMG unerlässlichen Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0114319 sowieLässig, WK-StPO § 312 Rz 19 undRatz, WK-StPO § 345 Rz 41) herzustellen, macht das angefochtene Urteil insoweit – schon – aus der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO nichtig (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 40 f und [zu Überschneidungen zwischen Fragenrüge einerseits und Rechts‑ oder Subsumtionsrüge andererseits in Bezug auf Rechtsfehler mangels Feststellungen] § 281 Rz 616).

[7] Dieser Fehler führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des Wahrspruchs der Geschworenen sowie des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO iVm § 344 zweiter Satz StPO).

[8] Ein Eingehen auf die Instruktionsrüge (Z 8) und die Subsumtionsrüge (Z 12) – soweit sich diese gegen die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 2 SMG wenden – erübrigt sich daher.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

[9] Mit dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4), aus der Passage des Protokolls über die Hauptverhandlung, wonach „sich die Geschworenen mit dem Gericht in das für sie bestimmte Beratungszimmer“ begeben haben (ON 179.2, 37), folge mangels Protokollierung des Verlassens des Beratungszimmers durch den Schwurgerichtshof, dass dieser (entgegen § 329 StPO) der Abstimmung der Geschworenen beigewohnt habe, wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht dargetan (vgl RIS-Justiz RS0100757). Im Übrigen fällt der Vorgang des Verlassens des Beratungszimmers in den Zeitraum zwischen dem Schluss der Verhandlung (§ 319 StPO) und der Wiedereröffnung der Sitzung (§ 340 Abs 1 StPO) und ist solcherart gerade nicht Gegenstand des Protokolls über die Hauptverhandlung (Danek/Mann, WK‑StPO § 271 Rz 2/2). Hinzugefügt sei, dass der Schwurgerichtshof der Abstimmung der Geschworenen nach der Aktenlage nicht beigewohnt hat (ON 179.2.3, ON 179.2.5 und ON 193, 3).

[10] Die Kritik der Instruktionsrüge (Z 8) an der Rechtsbelehrung für die Geschworenen, wonach für die Verwirklichung der in Rede stehenden Verbrechen auf der subjektiven Tatseite bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genüge, ist unverständlich.

[11] Der Einwand, die Rechtsbelehrung sei unvollständig, weil sie bloß ausführe, dass der Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) „voxrsätzlich“ handeln müsse, entzieht sich einer meritorischen Erledigung, weil er die Belehrung nicht in ihrer Gesamtheit (siehe insbesondere ON 179.2.2, 2 f) betrachtet (RIS-Justiz RS0100695 [T4]; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65).

[12] Gleiches gilt für das Vorbringen in Bezug auf einen offensichtlichen Schreibfehler in der Rechtsbelehrung hinsichtlich der Subsumtion nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (ON 179.2.2, 10). Weshalb dieser – im Übrigen angesichts der mehrfachen richtigen Benennung auch aus dem Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters (dazu Ratz, WK-StPO § 345 Rz 58) leicht als solcher erkennbare – Schreibfehler geeignet sein könnte, die richtige Beantwortung der Fragen zu beeinflussen, macht die Rüge nämlich nicht klar. Hinzugefügt sei, dass die Geschworenen ohnedies nicht nach der rechtlichen Unterstellung zu fragen sind (vgl Lässig, WK-StPO § 312 Rz 9; RIS-Justiz RS0100770).

[13] Soweit die Instruktionsrüge Ausführungen „zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der führenden Tätigkeit nach § 28a Abs 5 SMG“ vermisst, lässt sie offen, wie sich der relevierte Umstand – angesichts der diesbezüglich erfolgten Streichung durch die Geschworenen (US 2 und 3) und der daraus resultierenden Nichtannahme dieser Qualifikation – konkret zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt haben sollte (vgl RIS-Justiz RS0122334).

[14] Die Hauptfrage 1 war auf die Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3, Abs 5 SMG und die Hauptfrage 2 auf die Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 2 und 3, Abs 5 SMG gerichtet. Die Hauptfragen differierten daher lediglich in Bezug auf die Art der zugrunde liegenden Suchtgiftmanipulation. Davon ausgehend unterlässt die Instruktionsrüge, die sich insoweit auf das Erfordernis einer gesonderten Belehrung zu jeder Frage gemäß § 321 Abs 2 StPO beruft, die deutliche und bestimmte Darlegung (RIS‑Justiz RS0119549), weshalb der in der Belehrung zur Hauptfrage 2 – nach gesonderter Erörterung (ua) der Tathandlung des „Überlassens“ (ON 179.2.2 S 11) – aufgenommene Verweis auf die Ausführungen zur Hauptfrage 1 und zur Eventualfrage 1 eine Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information bewirkt habe (vgl RIS‑Justiz RS0100746; zur Zulässigkeit von Verweisen vgl auch Swiderski, WK-StPO § 321 Rz 9).

[15] Hinsichtlich der – wie hier – infolge Bejahung der Hauptfragen 1 und 2 (im Ergebnis) gar nicht aktuellen (§ 317 Abs 3 StPO) Eventualfragen 1 und 2 hätte die prozessordnungskonforme Ausführung der Instruktionsrüge im Übrigen der Darlegung bedurft, inwiefern sich die behauptete Unrichtigkeit auf die Beantwortung der Hauptfragen ausgewirkt haben soll (RIS-Justiz RS0111311 und RS0110682 [T1]). Vor dem Hintergrund des bloß zwei Hauptfragen und zwei Eventualfragen umfassenden Frageschemas wird die Beschwerde mit der pauschalen Behauptung, die Vermengung der Belehrung durch „zahlreiche Verweise“ habe den rechtsunkundigen Laienrichtern eine klare Abgrenzung der rechtlichen Voraussetzungen unmöglich gemacht, auch diesem Erfordernis nicht gerecht.

[16] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

 

[17] Im Umfang der Aufhebung war die Sache an das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht zu verweisen (RIS-Justiz RS0101029).

[18] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[19] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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