European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00026.24H.0911.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte * L* und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * L* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom Dezember 2016 bis zum Jänner 2017 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte von sieben im Urteil genannten Medienunternehmen durch Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit der Unternehmen „k*“ und G* GmbH sowie seiner Zahlungswilligkeit als deren Verantwortlicher zur Ausstrahlung und Einspielung von Werbeschaltungen für ein von der „k*“ angebotenes Finanzprodukt verleitet, die diese Medienunternehmen in dem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 658.857,55 Euro an ihrem Vermögen schädigten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * L*.
[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Hinweis der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme, dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) anhaftet, die dem Angeklagten * L* zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[5] Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten – abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB – grundsätzlich jeweils für sich, woran auch deren Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB nichts ändert (Marek in WK² StGB § 57 Rz 12, Ratz in WK² StGB § 29 Rz 7, RIS‑Justiz RS0090586 [T9 und T10]). Es ist daher jede einzelne Tat als historisches Geschehen anhand im Urteil getroffener Feststellungen einer (oder mehreren) strafbaren Handlung(en) zu unterstellen und auf dieser Basis der Eintritt der Verjährung zu beurteilen (vgl erneut Marek in WK² StGB § 57 Rz 12, RIS‑Justiz RS0128998).
[6] Nach dem Urteilssachverhalt (US 10 f) erteilte der Angeklagte * L* die inkriminierten Aufträge über Leistungen im Wert von
‑ 12.185,16 Euro im Oktober 2016,
‑ 108.915,50 Euro im Dezember 2016,
‑ 33.372 Euro im Dezember 2016,
‑ 207.777,26 Euro ab 21. Dezember 2016,
‑ 29.856,46 Euro ab 22. Dezember 2016,
‑ 214.050,46 Euro ab 12. Jänner 2017,
‑ 40.545 Euro ab 10. Jänner 2017 sowie
‑ 12.155,92 Euro am 19. Jänner 2017.
[7] Da diese Taten (ausgehend von den Konstatierungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite) – bei isolierter Betrachtung – jeweils §§ 146, 147 Abs 2 StGB zu subsumieren sind, trat unter Berücksichtigung des § 58 Abs 2 StGB (und der fehlenden Determinierung eines Endzeitpunktes zu jenen Aufträgen, die nach den Feststellungen „ab“ einem bestimmten Datum ergangen sind) zufolge der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 57 Abs 3 dritter Fall StGB hinsichtlich sämtlicher Taten mit Ablauf des 19. Jänner 2022 Verjährung ein.
[8] Feststellungen zu verjährungshemmenden Umständen wurden im angefochtenen Urteil nicht getroffen.
[9] Machen fehlende Feststellungen die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung eines (nach dem Urteilssachverhalt gegebenen) Ausnahmesatzes (vorliegend mit Ablauf des 19. Jänner 2022 eingetretene Verjährung) unschlüssig, liegt ein (hier aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO relevanter) Rechtsfehler mangels Feststellungen vor (RIS‑Justiz RS0122332 [T1, T6 und T11]).
[10] Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zu verweisen.
[11] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang bleibt hinzuzufügen, dass ein die österreichische Strafgerichtsbarkeit begründender inländischer Tatort (§ 62 StGB) vorliegt, wenn der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder handeln hätte sollen, im Inland liegt; im Fall von Erfolgsdelikten (hier: § 146 StGB) auch, wenn ein dem Tatbild entsprechender Erfolg (hier: Vermögensschaden) ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen (§ 67 Abs 2 StGB). Ein (bloßer) Zwischenerfolg oder das Setzen (schon) eines Teils der Handlung in Österreich genügt (RIS‑Justiz RS0092073 und RS0091861, jüngst 15 Os 147/21p; Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 15, 21 ff und 29 ff).
[12] Mit ihren Rechtsmittelnwaren der Angeklagte * L* und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung zu verweisen.
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