OGH 13Os107/15g

OGH13Os107/15g28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich M***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 3. März 2015, GZ 59 Hv 33/14x‑64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich M***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er vom 27. November 2001 bis zum 4. Jänner 2013 ein Gut im Wert von mehr als 50.000 Euro, das ihm anvertraut worden ist, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er insgesamt 50.000 Euro übersteigende Geldbeträge, die ihm Erna K***** in mehreren Tranchen zur gewinnbringenden Veranlagung übergeben hatte, für sich verwendet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 2, 5, 5a und „9“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 2), mit dem Zwischenbericht der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom (richtig) 21. Mai 2013 (ON 8) sei ein amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung verlesen worden, scheitert schon infolge Nichterfüllung der diesbezüglichen Rügeobliegenheit. Der Beschwerdeführer hat der angesprochenen Verlesung vielmehr in der Hauptverhandlung am 3. März 2015 ausdrücklich zugestimmt (ON 63 S 4). Der Umstand, dass er sich anlässlich eines früheren Verhandlungstermins gegen die Verlesung ausgesprochen hat (ON 60 S 21), vermag hieran nichts zu ändern, weil solche Erklärungen keineswegs unwiderruflich sind (vgl Kirchbacher , WK‑StPO § 252 Rz 107).

Hinzu kommt, dass die zunächst abgegebene Erklärung, mit der Verlesung nicht einverstanden zu sein, die nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen die Verlesung sprechenden Umstände nicht erkennen ließ, womit auch aus diesem Grund Nichtigkeit aus Z 2 ausscheidet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 191).

Zudem sei hervorgehoben, dass die Beschwerdebehauptung, durch die relevierte Erkundigung seien die Bestimmungen des § 164 Abs 1 StPO umgangen worden, durch die Aktenlage nicht gedeckt ist. Nach dem Zwischenbericht vom 21. Mai 2013 (ON 8 S 8) wurde der Beschwerdeführer vor seiner Befragung nämlich sehr wohl über seine Rechte belehrt. Zum konkreten Inhalt dieser Belehrung erklärte der Zeuge AI Andre F***** nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung, dass er den Beschwerdeführer von seinen Rechten, einen Verteidiger beizuziehen, sich nicht selbst zu belasten und generell nicht zur Sache aussagen zu müssen, in Kenntnis setzte (ON 63 S 2 f), welche Informationen exakt den Vorgaben des § 164 Abs 1 StPO entsprechen.

Die Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) zu angeblicher Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erschöpfen sich darin, aus den vom Erstgericht umfassend gewürdigten (US 6 bis 14) Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten, und bekämpfen damit nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Feststellungen, wonach Erna K***** dem Beschwerdeführer insgesamt zumindest 200.000 Euro übergeben (US 3) und dieser hievon jedenfalls mehr als 50.000 Euro vereinbarungswidrig für sich verwendet hat (US 5), sind keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall).

Der Einwand, das Erstgericht stelle „eine rechtsgeschäftliche Befugnis zur Vermögensverwaltung“ fest, entfernt sich vom Urteilsinhalt, womit sich die daraus entwickelte Behauptung von Urteilsundeutlichkeit einer meritorischen Erledigung entzieht.

Die Erklärung der Tatsachenrüge (Z 5a), auf die Ausführungen der Mängelrüge zu verweisen, orientiert sich nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (13 Os 115/13f).

Gleiches gilt für den Großteil des übrigen Vorbringens aus Z 5a, weil die Beschwerde damit den unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässlichen Aktenbezug vermissen lässt (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Soweit die Beschwerde zwar an konkrete Verfahrensergebnisse anknüpft, ihre diesbezügliche Argumention aber anhand rein spekulativer Überlegungen entwickelt, erschöpft sie sich einmal mehr in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Behauptung der Rechtsrüge (Z „9“, der Sache nach Z 10), der Wert des veruntreuten Guts habe 50.000 Euro nicht überschritten, geht nicht von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 5 f) aus und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Weshalb die vereinbarungswidrige Zueignung übergebenen Bargelds nicht geeignet sein soll, den objektiven Tatbestand der Veruntreuung zu erfüllen (Z 9 lit a), wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet (siehe aber 12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer von Erna K***** mit Verwendungsauftrag übernommenes Geld sich (mit entsprechendem Vorsatz) zugeeignet hat (US 3 und 5), die vorgenommene Subsumtion sehr wohl tragen (RIS‑Justiz RS0093905, Kirchbacher/Presslauer in WK 2 StGB § 153 Rz 49, Wach SbgK § 133 Rz 84).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Dabei wird zu beachten sein, dass das angefochtene Urteil an von der Beschwerde nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO leidet (RIS‑Justiz RS0109969 [T1 und T5] sowie RS0119220). Das Erstgericht berücksichtigte nämlich bei der Strafbemessung mit dem „Ausnützen des Vertrauens“ des Opfers (US 15) einen dem Tatbestand der Veruntreuung immanenten Umstand und verstieß solcherart gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB (14 Os 144/10y, SSt 2010/80; RIS‑Justiz RS0120526).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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