OGH 12Os67/20z

OGH12Os67/20z10.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen Robert K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendgeschworenengericht vom 13. Februar 2020, GZ 615 Hv 6/18y‑193, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 2. April 2020 (ON 207) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00067.20Z.0910.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Robert K***** im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang siehe 12 Os 29/19k) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 11. Mai 2018 in W***** die siebenjährige H***** G***** getötet, indem er sie zuerst würgte, dann in die Duschkabine drängte, wo er ihren Kopf mit der linken Hand festhielt und mit einem Messer mit einer 15 bis 20 cm langen und gezackten Klinge mehrfach auf ihre linke und rechte Halsseite, ihre rechte Schlüsselbeinregion, ihre Mundboden-Kinnregion sowie Brustkorbmittelregion einstach und an der linken Halsvorderseite Sägebewegungen durchführte, sodass sie nach einem Halsschnitt, der mit einer Durchtrennung der linken Halsschlagader sowie der Wirbelsäule samt des Rückenmarks und einem massiven Blutverlust einherging, infolge Sauerstoffunterversorgung des Gehirns an zentraler Atemlähmung verstarb.

Unter Zugrundelegung der im ersten Rechtsgang erfolgten Bejahung der nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellten Hauptfrage mit Wahrspruch vom 19. Dezember 2018, der von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am 27. Juni 2019, 12 Os 29/19k, unberührt geblieben war, hatten die Geschworenen die nach dem Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB gestellte Zusatzfrage stimmenmehrheitlich verneint.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zudem erhebt dieser Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 2. April 2020 (ON 207), mit dem sein zweiter Antrag (ON 206, siehe bereits ON 204) auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls abgewiesen worden war.

 

Zur Beschwerde:

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 25. März 2020 (ON 205) berichtigte der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs über Antrag des Angeklagten (ON 204) das Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 192). Einen weiteren, am 30. März 2020 eingebrachten Antrag auf Berichtigung des Protokolls (ON 206) wies er mit Beschluss vom 2. April 2020 (ON 207) inhaltlich ab. Der dagegen gerichteten Beschwerde war keine Folge zu geben, weil jedem Beteiligten nur ein einziger Antrag auf Berichtigung zusteht, der zweite Antrag somit unzulässig war (RIS‑Justiz RS0120818; Danek, WK‑StPO § 271 Rz 47).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Mit der Behauptung, dem Hauptverhandlungsprotokoll sei die mündlich verkündete Begründung eines über Anträge des Angeklagten erfolgten Beschlusses nicht zu entnehmen, geht die Verfahrensrüge (Z 4) daran vorbei, dass mit Nichtigkeit nur bedroht ist, wenn überhaupt kein Protokoll geführt wird (RIS‑Justiz RS0099003, RS0098665). Protokollierungsmängel können aus Z 4 nicht geltend gemacht werden. Dagegen steht ein Berichtigungsantrag offen (§ 271 Abs 7 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 262; Danek, WK‑StPO § 271 Rz 42 ff).

Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 5) erfolgte die Abweisung des Antrags auf „Bestellung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit dem Auftrag, ein weiteres Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten Robert K***** zur Tatzeit unter Berücksichtigung der psychologischen, psychiatrischen und medikamentös bewirkten Besserung seines Zustandes nach der Tat zu erstatten“ (ON 188 S 7 iVm ON 192 S 94), zu Recht.

Zielte er doch bloß unzulässig auf eine Überprüfung des aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung des geistigen Zustands des Angeklagten zur Tatzeit durch die Sachverständigen Dr. H***** (ON 94, ON 192 S 35 ff) und Dr. G***** (ON 122, vorgetragen gemäß § 252 Abs 2a StPO [ON 192 S 34 und 99]) gemäß § 127 Abs 3 StPO eingeholten Gutachtens Prim. Univ.‑Prof. Dr.in S***** (ON 177, ON 192 S 66 ff; vgl auch 12 Os 29/19k), ohne eine Mangelhaftigkeit dieses Gutachtens (iSd § 127 Abs 3 StPO) auch nur zu behaupten (vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).

Ebenso konnten die Anträge auf Ladung von Dr. K***** und Dr. Ka***** als Zeuginnen zum Beweis, dass der Angeklagte „nach ihrer [fachmedizinischen] Einschätzung am 11. Mai 2018 […] zurechnungsunfähig war“ (ON 192 S 94 iVm ON 188 S 5), sanktionsfrei abgewiesen werden, weil subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen oder Schlussfolgerungen nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises sein können. Die vorliegenden Anträge zielten hingegen – wie die Beschwerde sogar ausdrücklich hervorhebt – lediglich auf die Überprüfung der Sachverständigengutachten ab (vgl RIS‑Justiz RS0097540, RS0097545, RS0097573; 13 Os 64/18p).

Gleiches gilt in Ansehung des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung der Psychiaterin der Justizanstalt Josefstadt Dr. K***** zum Beweis dafür, dass sich der Zustand des Angeklagten „seit seiner Einlieferung nicht verändert hat, er also bereits zur Tatzeit schizophren war und dies nicht erst später geworden ist“ (ON 192 S 95).

Die Anträge auf Vernehmung von OA Dr. B*****, OA Dr. P***** und OA Dr. H***** als Zeuginnen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte (nach der Tat) während seiner Behandlung im ***** Universitätsklinikum „laufend von Stimmen gesprochen habe und positive Behandlungsergebnisse wahrnehmbar waren“ (ON 192 S 95), zielten nicht auf den Nachweis einer für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0116987; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 339 ff).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde die Begründung des abweisenden Beschlusses (ON 192 S 96 f) releviert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116749 [T9]).

Der Behandlung der Instruktionsrüge (Z 8) ist voranzustellen, dass sich den – im Übrigen nicht zum Vorteil des Angeklagten (§§ 282, 344 StPO) angestellten – allgemeinen Beschwerdeerwägungen zur Zulässigkeit der Befassung mit zu Zusatzfragen erteilten Rechtsbelehrungen im Rahmen der Instruktionsrüge zuwider schon aus dem generellen Verweis auf § 321 StPO und dessen ausdrücklich auf sämtliche den Geschworenen gestellte Fragen (§ 321 Abs 2 StPO: „in den einzelnen Fragen“ … „das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander“ … „die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage“) bezogenem Wortlaut ergibt, dass der Prüfungsgegenstand des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 8 StPO auch zu Zusatzfragen erteilte Rechtsbelehrungen umfasst.

Gegenstand der Instruktionsrüge ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrungen (RIS‑Justiz RS0125434). Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge verlangt daher den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darlegung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549). Die Beschwerdebehauptung, es sei „keineswegs eine den Laienrichtern vermittelte Erkenntnis dahingehend gewährleistet, dass sie nicht verpflichtet waren, die von den beiden in der Hauptverhandlung anwesend gewesenen Sachverständigen geäußerte rechtliche Beurteilung zu übernehmen“, entspricht diesen Kriterien nicht.

Soweit dieses Vorbringen der Sache nach eine Einflussnahme auf die Beweiswürdigung der Geschworenen im Rahmen der Rechtsbelehrung anspricht, ist dies unter dem Aspekt des § 345 Abs 1 Z 8 StPO unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0116640, Świderski, WK‑StPO § 321 Rz 14).

Der Einwand, die Besprechung gemäß § 323 Abs 2 StPO habe den sogenannten „Zweifelsgrundsatz“ nicht dargelegt, geht daran vorbei, dass der Inhalt dieser Besprechung nicht mit Nichtigkeit bewehrt ist (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 54; Świderski, WK‑StPO § 323 Rz 5).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) wendet sich der Sache nach bloß gegen das Gutachten Dris. S*****, ohne darzutun, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt (vgl RIS‑Justiz RS0118780 [insbesondere T16 und T17]).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Niederschrift der Geschworenen (§ 331 Abs 3 StPO) Bezug nimmt, geht er daran vorbei, dass diese nicht zum Wahrspruch der Geschworenen gehört und solcherart nicht Anknüpfungspunkt einer Tatsachenrüge sein kann (RIS‑Justiz RS0115549 [T1]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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