OGH 12Os156/15f

OGH12Os156/15f3.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Verena G***** und einen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Verena G***** und Girgis Ga***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 31. Juli 2015, GZ 29 Hv 139/14p‑60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00156.15F.0303.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Verena G***** und Girgis Ga***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in I***** im einverständlichen Zusammenwirken mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die im Zivilverfahren AZ 40 Cg ***** des Landesgerichts I***** zuständige Richterin durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige, anlässlich der Klagebeantwortung am 29. Juni 2012 und ihrer Parteienvernehmungen am 18. Oktober 2013 abgegebene Behauptung, Verena G***** habe die mit 18. Dezember 2006 datierte Kreditzusage und einen Bürgschaftsvertrag nicht unterzeichnet, zu einer Handlung, nämlich der Abweisung der Klage der S***** der Stadt K***** zu verleiten versucht, die die genannte Bank in dem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von 146.082,87 Euro am Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen Verena G***** auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a sowie 10 und Girgis Ga***** auf Z 4, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Verena G*****:

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) sei im Hinblick auf die fehlende „Spezifikation“ des Bürgschaftsvertrags nicht ausreichend konkretisiert, trifft schon angesichts der übrigen Determinanten des Urteilstenors (so etwa die Bezeichnung des den Taten zugrunde liegenden Zivilverfahrens) nicht zu (zum Individualisierungsgebot vgl RIS‑Justiz RS0116587).

Der weiteren Beschwerde (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der in der (fortgesetzten) Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Einholung eines weiteren Gutachtens eines Schriftsachverständigen Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht verkürzt. Denn mit dem Vorbringen, wonach die Paraphen auf den Krediturkunden „unterschiedlich aussehen“ würden, „von jedermann, selbst mit eingeschränkter Geschicklichkeit fälschbar“ seien und dem beigezogenen Sachverständigen „nur ein geringfügiges Befundsubstrat“ zur Verfügung gestanden sei (ON 40 S 17, ON 46 S 8), wurde eine ‑ für die Beschwerdelegitimation erforderliche ‑ Mangelhaftigkeit des vorliegenden Gutachtens im Sinn des § 127 Abs 3 StPO nicht einmal behauptet (RIS‑Justiz RS0117263). Im Übrigen ließ der Antragsteller offen, weshalb einem anderen (neu zu bestellenden) Sachverständigen zusätzliche Befundgrundlagen zur Verfügung stehen würden.

Die weitere Forderung, es sei ein „unabhängiger, nicht durch die Staatsanwaltschaft bestellter Sachverständiger beizuziehen“ (ON 46 S 8), blieb ohne konkreten Bezug zu einem nichtigkeitsbewehrten Vorgang (zu den [hier nicht deutlich und bestimmt angesprochenen] Voraussetzungen für einen zielführenden Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen aufgrund dessen Tätigkeit im Ermittlungsverfahren vgl RIS‑Justiz RS0130055, RS0130056).

Die im Rechtsmittel als Versuch der Antragsfundierung nachgetragenen Ausführungen sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Die Mängelrüge (Z 5, nominell auch Z 4) sucht über weite Strecken bloß der leugnenden Verantwortung der Angeklagten durch Spekulationen betreffend die angebliche Fälschung ihrer Unterschriftsparaphen auf den Kreditunterlagen zum Durchbruch zu verhelfen, womit sie aber die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft (vgl RIS‑Justiz RS0114524).

Der weiteren Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Angaben des Angeklagten Girgis Ga***** betreffend die fehlende Unterschrift durch seine Gattin, den Inhalt der bezughabenden Kreditunterlagen, die Ausführungen des Schriftsachverständigen und die Aktennotiz des Zeugen R***** über ihre mit 2. Jänner 2007 erfolgte Unterschriftsleistung nicht unberücksichtigt gelassen (US 7, 14 ff). Dass das Erstgericht daraus nicht die von der Beschwerdeführerin gewünschten Schlüsse gezogen hat, stellt den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht her.

Mit dem Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite geht die Beschwerde daran vorbei, dass die Tatrichter vorsätzliches Handeln aus dem objektiven Geschehen abgeleitet haben (US 23). Dies ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

Mit der Behauptung unterbliebener Erörterung (Z 5 zweiter Fall) des Umstands, dass im Zivilverfahren AZ 40 Cg ***** des Landesgerichts I***** zufolge des Urteils des Oberlandsgerichts I***** vom 23. Juli 2015, AZ 10 R 31/15g, welches „abgewartet hätte werden müssen“, letztlich nur ein Zuspruch von 141.172,03 Euro (bei einer Teilabweisung im Umfang von 4.370,84 Euro) erfolgte und die Unterschriftsleistungen der Angeklagten auf der schriftlichen Kreditzusage vom 18. Dezember 2006 und auf dem Kreditvertrag vom 2. Jänner 2007 („als Bürge und Zahler und Lohn- und Gehaltsverpfänder“) vom Rechtsmittelgericht aufgrund des Vorliegens einer reinen (sich auf eine länger zurückliegende Pfandbestellung beziehende) Hypothekarklage als rechtlich irrelevant eingestuft wurden, spricht die Rüge kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis an (RIS‑Justiz RS0118316). Im Übrigen betrifft der Einwand ‑ wie der Vollständigkeit halber erwähnt sei ‑ auch keine entscheidenden Tatsachen. Es läge nämlich selbst bei Zugrundelegung des genannten (zivil‑)rechtlichen Aspekts kein absolut untauglicher Versuch vor, weil es ‑ gemessen am Tatplan ‑ nicht völlig auszuschließen ist, dass eine rechtsrichtige Prüfung der jeweiligen Prozessstandpunkte (hier: des Klagsvorbringens) versehentlich unterbleibt und es deshalb zur (rechtskräftigen) Abweisung des Klagebegehrens (hier: wegen vermeintlicher rechtlicher Relevanz der Unterschriften) kommt (zum Prüfungsmaßstab absoluter Versuchsuntauglichkeit vgl RIS‑Justiz RS0115363; vgl auch RS0127817).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als

Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern.

Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Mit der Kritik an der bankinternen Dokumentation der Kreditabwicklung (Bankbelege, Aktenvermerk) und belastenden Zeugenaussagen sowie mit Hinweisen auf die eigene leugnende Verantwortung und auf ihre Unbescholtenheit weckt die Beschwerdeführerin beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde das Wahrscheinlichkeitskalkül des Schriftsachverständigen betreffend die Echtheit der Unterschriftsparaphen mit den das Gericht betreffenden Beweisanforderungen für einen Schuldspruch ( Lendl , WK‑StPO § 258 Rz 30) gleichsetzt und sich unter dieser Prämisse auf die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes beruft (vgl RIS‑Justiz RS0117445 [T2]).

Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge einen unterlassenen Schriftvergleich in Ansehung des Angeklagten Girgis Ga***** und von Bankmitarbeitern moniert, gibt sie nicht bekannt, wodurch sie an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt mit bloßer Wiederholung des Vorbringens zur zivilrechtlichen Irrelevanz der Unterschriftsleistung im Hinblick auf das Vorliegen einer reinen Hypothekarklage nicht methodengerecht dar, weshalb daraus eine absolute Untauglichkeit des inkriminierten Betrugsversuchs folgen sollte. Welcher schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstand mit dem Hinweis auf den bloßen Teilzuspruch von 141.172,03 Euro angesprochen sein soll, macht die Beschwerde ebenso wenig deutlich. Im Übrigen kann insoweit auf die Erledigung der Mängelrüge verwiesen werden.

Ein

Feststellungsmangel wird

geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 600).

Soweit sich die Beschwerdeführerin insoweit auf fehlende Konstatierungen zum Entfall ihrer Interzedentenhaftung (wegen unterlassener Information iSd § 25c zweiter Satz KSchG) und damit im Ergebnis auf einen absolut untauglichen Versuch beruft, gibt sie keine Verfahrensergebnisse bekannt, die indiziert hätten, dass die Gläubigerin (Bank) ‑ zum Zeitpunkt der Krediteinräumung -erkannt hätte oder hätte erkennen müssen, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird (zur beschränkten Aufklärungsobliegenheit bei Kenntnis des Interzedenten über die Finanzlage des Hauptschuldners vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0120255).

Der pauschale Einwand, die behauptete verspätete Belehrung der Angeklagten iSd § 25a KSchG habe die Unwirksamkeit des vorliegenden Kredit‑ und Bürgschaftsvertrags zur Folge, erschöpft sich in einer unsubstantiierten Rechtsbehauptung (zur idR fehlenden Kausalität eines solchen Verstoßes vgl im Übrigen Krejci in Rummel , ABGB 3 § 25a KSchG Rz 11).

Mit Spekulationen zur Frage eines allfälligen Dissenses aufgrund der Nichteinhaltung von zivilrechtlichen Formvorschriften und hinsichtlich erfolgter Verständigung von erfolgter Vertragsannahme durch die S***** geht die Rüge prozessordnungswidrig an den Konstatierungen zum erfolgten Abschluss der vorliegenden Vereinbarungen (US 6) vorbei, womit sie sich nicht an dem im Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit orientiert (RIS‑Justiz RS0099810).

Gleiches gilt, soweit die Beschwerde mit der Behauptung, die Angeklagte sei einer irrtümlichen Schlussfolgerung bezüglich erfolgter Unterschriftsfälschung erlegen, den festgestellten Täuschungs‑ und Schädigungsvorsatz (US 12) in Zweifel zieht.

Weshalb das Erstgericht das (zivil‑)richterliche Mäßigungsrecht hinsichtlich der Verbindlichkeit eines Interzedenten nach § 25d KSchG bei Berechnung des vorliegenden Betrugsschadens in Anschlag hätte bringen müssen, erklärt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht.

Soweit die Beschwerde Feststellungen zum „bewussten und gewollten Zusammenwirken“ der Angeklagten vermisst, legt sie nicht dar, weshalb es ‑ über die von ihr übergangenen Urteilsannahmen zum entsprechend vorsätzlichen gemeinsamen Handeln der Angeklagten anlässlich eines gegen beide angestrengten Zivilverfahrens (US 12) hinaus ‑ Konstatierungen zu einer Verabredung vor den Taten bedurft hätte (vgl dazu im Übrigen Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 26).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Girgis Ga*****:

Indem sich die Verfahrensrüge (Z 4) bloß auf den von der Angeklagten Verena G***** gestellten Beweisantrag auf Einholung eines weiteren „graphologischen“ Sachverständigengutachtens beruft, ohne (dem ungerügten Hauptverhandlungsprotokoll zufolge) diesem Begehren angeschlossen zu haben, mangelt es dem Beschwerdeführer an der erforderlichen Rechtsmittellegitimation (RIS‑Justiz RS0099250, RS0099244).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

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