OGH 11Os21/24h

OGH11Os21/24h12.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. März 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Drach in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 9. Jänner 2024, GZ 34 Hv 103/23d‑18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00021.24H.0312.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger (gemeint) teils nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB idF vor BGBl I 2023/135 (I), teils nach § 207a Abs 3a (iVm Abs 3 zweiter Satz) StGB idF vor BGBl I 2023/135 (IV) sowie jeweils eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 StGB (II) und Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung (sowie zum besseren Verständnis zusammenfassend referiert), in der Zeit vom 20. November 2019 bis zum März 2023 in K* die am * 2011 geborene * H*, somit

(II) eine unmündige und

(III) eine minderjährige Person, die (als Tochter seiner Lebensgefährtin in deren Abwesenheit) seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person,

um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu zu verleiten versucht (§ 15 StGB), eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, indem er sie aufforderte, einen Stift in ihre Vagina einzuführen, wobei es infolge Weigerung des Opfers beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 [richtig] lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

 

[4] Ihrer Erledigung sei vorangestellt, dass der Schuldspruch II und III nach dem Urteilssachverhalt (US 6) eine – einzige – Tat umfasst. Jeder der (solcherart idealkonkurrierend begründeten) Strafsätze, nämlich sowohl § 206 Abs 2 StGB (II) als auch § 212 Abs 1 (Z 2) StGB (III), verlangt in der nach den Urteilsfeststellungen verwirklichten letzten (seiner jeweils mehreren alternativen – Philipp in WK2 StGB § 206 Rz 6 und § 212 Rz 2) Begehungsvariante(n) die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB), „sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen“.

[5] Die Beschwerde (nominell Z 5 und 9 lit a) zeigt an sich zutreffend auf, dass ein Sachverhalt, der dieses (jeweilige subjektive) Tatbestandsmerkmal erfüllt, zwar in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) festgestellt (US 6), aber im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zum Schuldspruch II (isoliert betrachtet) nicht bezeichnet wurde (US 2).

[6] Der Sache nach wird damit jedoch weder ein Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall noch ein materiell‑rechtlicher Nichtigkeitsgrund (Z 9 oder 10) noch – mit Blick darauf, dass mangelnde Übereinstimmung der Aussprüche nach § 260 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO in der Hinsicht, dass dieser durch die in jenem referierte Tatsachengrundlage nicht gedeckt ist, auch aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO unbeachtlich ist (RIS‑Justiz RS0115552 [T3]) – sonst eine der in §§ 281 Abs 1, 281a StPO genannten Anfechtungskategorien geltend gemacht (zum Ganzen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 269, 272 ff [insbesondere Rz 276] und 581; RIS‑Justiz RS0115552 [T1, T2]).

[7] Im Übrigen finden sich die betreffenden Tatsachen – angesichts der Tateinheit somit auch in Bezug auf Schuldspruch II – im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zum Schuldspruch III (ohnedies) referiert (US 2).

[8] Nach dem Urteilssachverhalt „spielte“ der Angeklagte dem Opfer – mit der von § 206 Abs 2 letzter Fall StGB und § 212 Abs 1 (Z 2) letzter Fall StGB verlangten inneren Einstellung – „einen Pornofilm vor, in welchem sich ein sieben oder acht Jahre altes Mädchen einen Stift in die Vagina einführte“, und forderte * H* dazu auf, „dies ebenfalls zu tun, indem er sinngemäß sagte, sie solle das vielleicht auch einmal probieren und dass das sehr gut tun würde“ (US 6).

[9] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, diese (bloße) Aufforderung wäre noch nicht als im Sinn des § 15 Abs 2 StGB ausführungsnahe Handlung zu werten.

[10] Sie versäumt es jedoch, aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen, weshalb – obwohl die Verleitungshandlung (bereits) Ausführungshandlung (sowohl des § 206 Abs 2 letzter Fall StGB als auch des § 212 Abs 1 letzter Fall StGB) ist (13 Os 121/22a [Rz 5]) – auf der Feststellungsbasis des angefochtenen Urteils nicht jedenfalls das Stadium strafbaren Versuchs erreicht worden sein sollte (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

[11] Der in diesem Konnex erhobene Einwand (nominell Z 9 lit a), die Aufforderung sei – weil „sinngemäß“ (US 6) erfolgt – „nicht eindeutig zu verstehen“ gewesen, argumentiert prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht auf der Basis der Gesamtheit der diesbezüglichen Feststellungen (US 6). Als Kritik an Letzteren verstanden macht sie Nichtigkeit (auch der Sache nach) weder aus Z 5 noch aus Z 5a geltend.

[12] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Tat nach § 207 Abs 2 StGB (anstelle von § 206 Abs 2 StGB) an.

[13] Sie erklärt nicht, weshalb das Einführen eines Stiftes in die Vagina (hier eines unmündigen Mädchens) – entgegen ständiger Rechtsprechung, wonach die Penetration mit einem Gegenstand das angesprochene Tatbestandsmerkmal erfüllt, sofern sie ein zur Geschlechtssphäre gehörendes Organ des Opfers betrifft (RIS‑Justiz RS0120457 [insbesondere T2]) – keine „dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung“ im Sinn der §§ 201, 206 StGB hätte sein sollen (erneut RIS‑Justiz RS0116565).

[14] Hinzugefügt sei, dass die von der Rüge zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs AZ 13 Os 121/22a (= RIS‑Justiz RS0134237) den Beschwerdestandpunkt nicht stützt. Denn nach dem dieser zugrundeliegenden, (bloß) § 207 Abs 2 StGB subsumierten Sachverhalt bestand die Handlung, zu der das unmündige (männliche) Opfer verleitet werden sollte, im Einführen dessen Penis in eine „Gummivagina“ (also eine künstliche Nachbildung einer Vagina), somit – wie im Fall des Handverkehrs am männlichen Opfer (dazu RIS‑Justiz RS0095201 [T4]), jedoch anders als hier – nicht in der Penetration einer Körperöffnung (sei es des Opfers, sei es durch das Opfer; siehe im Übrigen zum angesprochenen Tatbestandsmerkmal RIS‑Justiz RS0094905, RS0095025 und RS0116530; die diesbezügliche Rechtsprechung zusammenfassend Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 24 ff).

 

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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