OGH 11Os122/08p

OGH11Os122/08p16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl D***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. April 2008, GZ 10 Hv 160/07v-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl D***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in M***** als Bürgermeister der Gemeinde M*****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde M***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er

„1. von Frühjahr 2004 bis 14. April 2005 die Bauführung ohne Baubewilligung in einem im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesenen Bereich duldete,

ab 23. August 2004 § 41 Abs 1 Z 1 Stmk. BauG 1995 missachtend einen Baueinstellungsauftrag nicht verfügte und

ab 23. August 2004 entgegen § 41 Abs 3 Stmk. BauG 1995 einen Beseitigungsauftrag nicht erließ,

2. von Frühjahr 2004 bis 14. April 2005 basierend auf einer erloschenen Baubewilligung vom 23. September 1968 für ein Wohn- und Pensionsgebäude die Errichtung eines anderen Einfamilienhauses duldete, die Durchführung einer Umbauverhandlung wegen der Änderung der Art und des Zwecks der Bauwerks unterließ,

ab 23. August 2004 § 41 Abs 1 Z 1 Stmk. BauG 1995 missachtend einen Baueinstellungsauftrag nicht verfügte und ab 23. August 2004 entgegen § 41 Abs 3 Stmk. BauG 1995 einen Beseitigungsauftrag nicht erließ,

3. am 14. April 2005 aufgrund des Ansuchens von Christine L***** und Gerhard L*****, gemäß § 29 Stmk. BauG für den Zu- und Umbau auf dem Grundstück Nr *****, EZ *****, KG *****, die Baubewilligung beim bewilligten Wohnhaus- und Pensionsbau (Karl und Zäzilia T*****) erteilte, obwohl letztere Bewilligung vom 23. September 1968 mangels rechtzeitig erfolgter Bautätigkeit evident erloschen war."

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die - undifferenziert - aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt. Zur zunächst weitwendig behaupteten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ist zu bemerken, dass kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 vorliegt, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und überhaupt alle Verfahrensergebnisse erörtert und daraufhin untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen oder sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde sodann erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet werden und schlüssig begründet wird, warum die Tatrichter von der Richtigkeit einer Annahme überzeugt sind, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 43). Daher müssen Einwendungen, die sich nicht auf entscheidende Tatsachen beziehen oder nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen und die Beweisergebnisse nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigen, erfolglos bleiben (RIS-Justiz RS0119370). Insoweit die Beschwerde behauptet, das Erstgericht sei nicht bzw nicht ausführlich genug auf die Aussagen des Zeugen Gerhard L*****, der die „Vorgaben" des nicht in „die Abläufe eingeweihten" und in keinem Naheverhältnis zu ihm stehenden Angeklagten erläutert hätte, sowie jene der Zeugen Dr. Heinz Sch***** und Friedrich Z***** eingegangen, wird kein Begründungsmangel im Sinn einer Urteilsnichtigkeit aufgezeigt.

Denn einerseits wurden die „Vorgaben" des Angeklagten gegenüber den Zeugen Gerhard und Christine L***** sowie deren Malversationen ohnehin, ein „Eingeweihtsein" seiner Person hingegen nicht festgestellt (US 6 ff). Andererseits beschränkt sich das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde auf - aus dem Kontext gerissene - Details in den Angaben des Zeugen Dr. Sch***** und übergeht, dass die dem Angeklagten angeblich zum Vorteil gereichende - überdies sinnentstellend-unvollständig wiedergegebene - „Aussage" des Zeugen Z***** lediglich in einer „Niederschrift" (einem Amtsvermerk gleich, ON 3 S 11) des Angeklagten besteht, die überdies weder mit der Aussage des Zeugen vor der Polizei (S 229 f/I) noch mit den erstgerichtlichen Feststellungen in Widerspruch steht und somit keiner gesonderten Erörterung bedurfte.

Mit der Bestreitung von Urteilsfeststellungen zu gemeindeaufsichtsbehördlichen Maßnahmen gegenüber dem Angeklagten sowie der Behauptung deren fehlender Grundlage in den Verfahrensergebnissen wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht dargestellt.

Dass ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs in der Hauptverhandlung vorgelegt und verlesen worden wäre, ist den Akten weder zu entnehmen, noch wird hiezu in der Rechtsmittelschrift Bezug auf eine bestimmte Ordnungsnummer oder Seitenzahl genommen. Dessen behaupteter Inhalt, wonach „die Errichtung eines Fundaments eine Baubeginnsmaßnahme" darstelle, betrifft jedoch eine Rechtsfrage, die für die in der Beschwerde angesprochene tatsächliche Zuordenbarkeit des Fundamentsstücks zur seinerzeit gegebenen Baubewilligung nichts beiträgt.

Mit sich in Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht entscheidende Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder nicht nebeneinander bestehen können. Aus welchem Grund die Feststellung, das Ehepaar L***** wäre letztlich verantwortlich, eine inhaltlich unrichtige Urkunde hergestellt zu haben, nicht neben jener, der Angeklagte habe wissentlich seine Befugnisse missbraucht, bestehen könne oder die Konstatierungen einander sogar ausschließen sollten, legt die Beschwerde nicht dar. Der Hinweis auf Beweisergebnisse, die allenfalls gegen eine Feststellung sprechen, ist unter dem Aspekt der Z 5 dritter Fall unbeachtlich (RIS-Justiz RS0117402).

Auch mit der eine fehlende bzw offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) behauptenden Ausführung, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, aus welchem Grund der Angeklagte von „dem tatsächlich nie stattgefundenen Baubeginn" wusste, zeigt der Beschwerdeführer ein formelles Begründungsdefizit nicht auf, weil die Tatrichter mängelfrei begründet haben, weshalb sie der Verantwortung des Angeklagten, er habe auf die Richtigkeit der ihm vorgelegten Beweismittel vertraut, nicht gefolgt sind (US 19 bis 22, 24). Mit dem Vorbringen, die erstgerichtliche Annahme, das Fundament sei zum Zweck der Vortäuschung einer baulichen Tätigkeit vorgesehen gewesen (US 15), stünde in „ausdrücklichem Widerspruch" zu dem Kalkül des Bausachverständigen DI Helmar G***** vom 8. November 2004, wonach „... keine klare Aussage, dass das Fundament für die Herstellung des bewilligten Bauvorhabens dient" (S 641 ff/I), getroffen werden könne, weist der Beschwerdeführer zwar auf ein unrichtiges Zitat hin, weil das Gutachten eine solche Passage tatsächlich nicht enthält, spricht damit aber keine entscheidende Tatsache an. Im Übrigen liegt Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nur bei unrichtiger Wiedergabe eines zur Begründung einer Feststellung herangezogenen Beweisergebnisses vor und spricht somit allein die Begründungsebene an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 383). Jenes (überflüssige, aber nicht mit Schlussfolgerungen des Erstgerichts verbundene) Zitat ist aber in den Feststellungen enthalten, während im Begründungsteil das Gutachten aktenkonform wiedergegeben wurde (US 20).

Insoweit der Beschwerdeführer aus all dem folgert, das Erstgericht habe „entlastende Umstände gänzlich unberücksichtigt" gelassen, ist zu erwidern, dass die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter auf nachvollziehbaren Schlüssen aus sämtlichen Ergebnissen des Beweisverfahrens basieren und keineswegs bloße Vermutungen zum Nachteil des Angeklagten darstellen. Auch der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen und Wollen ist rechtsstaatlich zulässig und bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452, RIS-Justiz RS0098671), sodass die Verantwortung des Angeklagten aufgrund sämtlicher vorhandener Beweismittel mängelfrei als widerlegt angesehen wurde.

Als Tatsachenrüge (Z 5a) verstanden, vermag das erörterte Vorbringen des Angeklagten keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs an den den Schuldspruch tragenden Feststellungen zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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