OGH 11Os106/18z

OGH11Os106/18z13.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Oberkontrollorin Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anatolijs F***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 19. Juli 2018, GZ 612 Hv 7/18p‑77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00106.18Z.1113.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat unter mehr als ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anatolijs F***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er vom 30. März 2018 bis 1. April 2018 in M***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 805,9 Gramm Cocain (freie Base) von Brasilien aus- und über Marokko nach Portugal eingeführt und von Portugal aus- und nach Österreich eingeführt, indem er per Flugzeug von Sao Paolo über Casablanca und Lissabon nach Wien reiste und dabei 103 Bodypacks, befüllt mit der oben angeführten Menge Suchtgift teils in seinem Körper, teils in einer Plastikflasche mit sich führte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einer vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigten Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 [§ 290 Abs 1 zweiter Satz] StPO).

Nach dem Urteilssachverhalt (US 8) bildet die – in kurzer zeitlicher Abfolge bei einheitlicher Motivationslage gesetzte – mehrmalige Ein- und Ausfuhr der tatverfangenen Suchtgiftmenge (ie deren Transport über mehrere Staatsgrenzen hinweg) eine tatbestandliche Handlungseinheit (zu dieser Rechtsfigur 13 Os 1/07g [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0122006, RS0127374, RS0120233; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89). Schon deshalb war es verfehlt, sie mehreren Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall (und Abs 4 Z 3) SMG zu unterstellen.

Im Übrigen würden selbst mehrere gleichartige Begehungen nach § 28a Abs 1 (hier: zweiter und dritter Fall – RIS-Justiz RS0111410 [T2]), (wenn auch nur insgesamt infolge Zusammenrechnung) nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifiziert, bloß ein einziges Verbrechen begründen (RIS‑Justiz RS0117464, jüngst 14 Os 22/18v sowie – zur mehrmaligen Ein- und Ausfuhr ein und derselben Suchtgiftmenge – 11 Os 44/11x, 14 Os 132/16t, 12 Os 20/17h ua; anders insoweit 14 Os 164/08m, RIS‑Justiz RS0117464 [T17] und folgend 13 Ns 41/10y).

Die Aufhebung des Ausspruchs, wonach der Beschwerdeführer mehrere statt bloß ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG begangen habe, ist die Folge.

Zum Schuldspruch wegen des verbleibenden Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen hinsichtlich der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG auf, weil ein auf die Ein‑ und Ausfuhr von Suchtmittel in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge gerichteter Vorsatz nicht konstatiert wurde (vgl US 3, wonach es der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich hielt und sich billigend damit abfand, „dass er eine große Menge Suchtgift“ […] aus Brasilien aus‑ […] und nach Österreich einführt).

Da es sich bei § 28a Abs 4 Z 3 SMG um eine Deliktsqualifikation handelt, muss sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters aber auf eine diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende Menge beziehen (vgl RIS‑Justiz RS0088011; jüngst 11 Os 89/18z; Hinterhofer, SMG² § 28a Rz 69; Schwaighofer in WK² SMG § 28a Rz 50; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG³ § 28a Rz 37).

Dieses Feststellungsdefizit erfordert die Aufhebung der Unterstellung der vom verbleibenden Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG) umfassten Tat auch unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG und diesbezügliche Verfahrenserneuerung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO (vgl Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7).

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