European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00089.16K.0913.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin bezog von 1. 4. 2011 bis 30. 9. 2014 von der beklagten Partei eine befristete Invaliditätspension. Mit Bescheid vom 23. 9. 2014 gewährte die beklagte Partei der Klägerin eine Ausgleichszulage (und zwar ab 24. 8. 2011 bis 31. 12. 2011 in Höhe von 279,71 EUR, ab 1. 1. 2012 in Höhe von 0 EUR, ab 1. 2. 2012 in Höhe von 304,44 EUR, ab 1. 1. 2013 in Höhe von 420,01 EUR und ab 1. 1. 2014 in Höhe von 436,42 EUR).
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer höheren Ausgleichszulage mit dem Vorbringen, es wäre der Richtsatz für alleinstehende Pensionisten mit Erhöhungsbeträgen für zwei Kinder (und nicht nur für ein Kind) anzuwenden gewesen. Der Vater ihrer beiden Kinder sei zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 300 EUR für das Kind S*****l und von 265 EUR für das Kind S*****a verpflichtet worden. Da der Vater den Unterhalt nie geleistet habe, hätten beide Kinder ab dem Jahr 2009 Unterhaltsvorschüsse erhalten, die gemäß § 5 UVG mit der Höhe des im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltsbeitrags begrenzt seien. Das Kind S*****l erhalte 12 mal jährlich 300 EUR an Unterhaltsvorschuss. Von dem Jahresbetrag sei unter Heranziehung des § 294 Abs 3 ASVG ein Vierzehntel zu errechnen, sodass sich monatlich ein Zufluss von nur 257,14 EUR ergebe. Somit werde der Richtsatz für verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres (der 2011 291,82 EUR und 2012 299,70 EUR betragen habe), nicht erreicht. Es bestehe daher Anspruch auf den Erhöhungsbetrag auch für das Kind S*****l.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klageabweisung. Da das Kind S*****l monatliche Einkünfte von 300 EUR (12 mal jährlich) habe, liege in den Jahren 2011 und 2012 sein Einkommen über dem Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres weshalb in diesen Jahren keine Richtsatzerhöhung zu erfolgen habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der auf die Klägerin anzuwendende Richtsatz (§ 293 Abs 1 lit a sub lit bb ASVG) erhöhe sich für jedes Kind, dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreiche, für das Jahr 2011 um 122,41 EUR und für das Jahr 2012 um 125,72 EUR. Der Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres betrage im Jahr 2011 291,82 EUR und im Jahr 2012 299,70 EUR. Da das Kind S*****l einen monatlichen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 300 EUR erhalte, übersteige sein Einkommen in den Jahren 2011 und 2012 den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres, während das Nettoeinkommen des Kindes S*****a diesen Richtsatz nicht erreiche. In den Jahren 2011 und 2012 seien daher nur die Voraussetzungen für die Erhöhung des Richtsatzes für ein Kind gegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus: Wenngleich die Ausgleichszulage – wie die Pension – 14 mal jährlich pro Jahr gebühre, sei der Ausgleichszulagenrichtsatz ein jeweils auf einen Kalendermonat bezogener Betrag. § 294 ASVG regle nur die pauschale Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen des Pensionsberechtigten bei der Ermittlung des Nettoeinkommens. Nach Aufhebung des § 294 Abs 1 lit a und b ASVG durch den Verfassungsgerichtshof finde eine pauschale Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen des Pensionsberechtigten nur mehr gemäß § 294 Abs 1 lit c ASVG statt. Vorliegend seien aber nicht Unterhaltsansprüche gegen die Eltern des Pensionsberechtigten, sofern sie mit diesem im gleichen Haushalt leben, zu berücksichtigen, sondern der Unterhaltsanspruch des Sohnes der pensionsberechtigten Klägerin gegenüber seinem (nicht im selben Haushalt) lebenden Vater bzw der tatsächlich gewährte Unterhaltsvorschuss. Dass das Einkommen von S*****l für die Frage der Richtsatzerhöhung (§ 293 Abs 1 ASVG) nur in Höhe eines Vierzehntels der jährlich zufließenden Unterhaltsleistung zu berücksichtigen sei, sei aus § 294 Abs 3 ASVG nicht ableitbar. Auch bei der Scheidung gemäß § 55a EheG sei der 12‑mal jährlich zu zahlende vereinbarte monatliche Unterhaltsbetrag gemäß § 292 Abs 1 und 3 ASVG zu berücksichtigen und allenfalls ein Jahresausgleich beim Versicherungsträger zu beantragen. Auch wenn eine derartige Möglichkeit im vorliegenden Fall fehle, sei keine gesetzliche Grundlage für die von der Klägerin angestrebte Berechnungsweise gegeben.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage der Berechnung des Nettoeinkommens von Kindern, die einen 12‑mal jährlich zu zahlenden monatlichen Unterhaltsbetrag erhalten, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Die Revisionswerberin vertritt auch in ihrer Revision den Rechtsstandpunkt, bei der Beurteilung, ob bei Berechnung des Ausgleichzulagenanspruchs der erhöhte Richtsatz nach § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG zustehe, sei das Unterhaltseinkommen mangels einer eigenständigen Regelung gleich wie sonstiges Nettoeinkommen zu behandeln. Zwecks Verhinderung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung sei die Bestimmung des § 294 Abs 3 ASVG heranzuziehen, nach der eine Zurechnung der tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung zum Nettoeinkommen nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich zufließenden Unterhaltsleistung erfolgen dürfe. Es sei der jährliche Unterhaltsbetrag demnach auf 14 Monatsleistungen umzurechnen und lediglich dieser 14. Teil bei der Berechnung des Nettoeinkommens des Kindes in Anschlag zu bringen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
1. Die
Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Nettoeinkünften unter Berücksichtigung gewisser Unterhaltsansprüche sowie des Nettoeinkommens des/der Ehegatten/Ehegattin (eingetragenen Partners/Partnerin) einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht (Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 2).
2. Bei Pensionsberechtigten mit einem Anspruch auf Ausgleichszulage nach § 293 Abs 1 lit a ASVG erhöht sich der jeweilige Richtsatz nach Abs 1 letzter Satz für jedes Kind um einen bestimmten Betrag, sofern die im § 252 ASVG genannten Voraussetzungen erfüllt sind und das eigene Nettoeinkommen des Kindes nicht den Betrag des Richtsatzes für Pensionsberechtigte auf Waisenpension bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres (§ 293 Abs 1 lit c sublit aa Fall 1 ASVG) erreicht. Die Erhöhung des Richtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a ASVG für ein Kind erfolgt demnach nur dann, wenn das (monatliche) Nettoeinkommen des Kindes einen bestimmten Grenzbetrag nicht erreicht. Dieser Grenzbetrag ist an den Richtsatz für Pensionsberechtigte auf Waisenpension bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres geknüpft.
3. Soweit sich die Revisionswerberin in ihrer Revision auf § 294 Abs 3 ASVG beruft, um das Nettoeinkommen des Kindes S*****l, das aus 12 mal jährlich zur Auszahlung gelangenden Unterhaltsvorschüssen besteht, dahingehend zu gestalten, dass es unter dem maßgeblichen Grenzbetrag bleibt, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
3.1 Aus § 292 Abs 1 ASVG geht hervor, dass auch Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten wie Einkünfte zu behandeln sind, die bei der Bemessung der Ausgleichszulage seinem Nettoeinkommen hinzuzurechnen sind (10 ObS 37/02t, SSV-NF 16/97; Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 23). Die Hinzurechnung erfolgt entweder nach den tatsächlichen (oder rechtsmissbräuchlich nicht realisierten) Unterhaltsflüssen oder – falls ein dort geregelter Tatbestand erfüllt ist – pauschal gemäß § 294 ASVG (siehe § 292 Abs 4 lit e ASVG; 10 ObS 2446/96w, SSV-NF 11/4; vgl RIS-Justiz RS0106714).
3.2 Nach § 294 Abs 1 lit c ASVG sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben, gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, dass dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens der Eltern zuzurechnen sind. Ist die so berechnete Unterhaltsforderung trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruchs in der berechneten Höhe aussichtslos oder offenbar unzumutbar, so hat die Pauschalanrechnung aber zu unterbleiben. Rechtsfolge dieser objektivierten Nichtrealisierbarkeit des Unterhaltsanspruchs ist, dass eine Zurechnung zum Nettoeinkommen des/der Pensionsberechtigten nur in jenem Ausmaß erfolgt, in dem tatsächlich Unterhaltsleistungen zufließen. Dabei ist auf das Kalenderjahr abzustellen, sodass die Zurechnung nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung erfolgt.
3.3 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, geht es im vorliegenden Fall aber nicht um einen Ausgleichszulagenanspruch des Kindes S*****l und die Frage, wie sich dessen gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil, mit dem es in einem gemeinsamen Haushalt lebt, auf die Ausgleichszulage des Kindes auswirkt (welchen Fall § 294 Abs 1 lit c ASVG im Wege einer Pauschalanrechnung regelt), sondern um die Frage, ob das Einkommen des Kindes S*****l der Gewährung eines Erhöhungsbetrags zur Ausgleichszulage an dessen Mutter entgegensteht oder nicht. Zu ergänzen ist, dass das Einkommen des Kindes S*****l nicht Unterhaltsansprüche umfasst, sondern Unterhaltsvorschüsse, bei denen es sich nach dem gesetzlichen Regelungskonzept um die teilweise vorläufige Erfüllung der Unterhaltspflicht durch einen Dritten handelt, um Familienlasten auszugleichen, die mangels Vorschussgewährung allein dem betreuenden Elternteil aufgelastet würden (1 Ob 319/98p).
4.1 Soweit die Revisionsausführungen dahin zu verstehen sind, dass die Klägerin eine Analogie zu § 294 Abs 1 lit c bzw Abs 3 ASVG fordert, andernfalls sie den Gleichheitssatz als verletzt erachtet, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Zweck der abstrakten Anrechnung nach § 294 Abs 1 lit c ASVG darin liegt, eine missbräuchliche Überwälzung von Unterhaltspflichten auf den Staat hintanzuhalten. Da die Anrechnung des Pauschalbetrags – ohne Rücksicht auf das Ausmaß der tatsächlich erbrachten Leistung – zu einer Belastung des Ausgleichszulagenempfängers führt, soll eine Zurechnung zum Einkommen allerdings in dem Ausmaß unterbleiben, in dem die Unterhaltsforderung trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung des Unterhaltsanspruchs offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist (Teschner in Tomandl, SV-System 25. Erg-Lfg 415). Wie sich aus der BR zur 48. ASVG‑Novelle BGBl 1989/642 ergibt, mit der § 294 Abs 3 ASVG neuerlich geändert wurde, kam es ungeachtet der weitgehenden Entschärfung der pauschalierten Anrechnung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen einschlägiger Änderungen noch (immer) zu Härtefällen, wenn die tatsächliche Unterhaltsleistung nur 12 mal im Jahr gebührte bzw gewährt wurde und daher in einem überhöhtem Ausmaß hinsichtlich des Jahresbetrags angerechnet wurde. Dies sollte durch die neuerliche Änderung des § 294 Abs 3 ASVG beseitigt werden (Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG [110. Erg.Lfg] § 294 Anm 9 [1450/2d/1]). Dass auf das Kalenderjahr abzustellen und der tatsächliche Zufluss von Unterhaltszahlungen durch 14 zu teilen ist, ist auch im Hinblick darauf zweckmäßig, dass bei objektivierter Nichtrealisierbarkeit der Unterhaltsansprüche die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen durchaus unregelmäßig erfolgen können (Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 294 Rz 9).
4.2 Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, dass der Ausgleichszulagenanspruch durch eine Zurechnung von nach Exekutionsmaßnahmen (allenfalls in geringer Höhe oder unregelmäßig) zufließenden Unterhaltszahlungen gemindert wird, sondern lediglich darum, dass die Klägerin zusätzlich zum Richtsatz den Erhöhungsbetrag erhalten will. Beim Ausgleichszulagenrichtsatz (an den der für den Erhöhungsbetrag maßgebliche Grenzbetrag anknüpft) handelt es sich aber um einen jeweils auf den Monat bezogenen Betrag, der für jeden Monat einzeln zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0084844; Pfeil in SV‑Komm [38. Lfg] § 293 Rz 2). Diese Entscheidung des Gesetzgebers findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass mit den Ausgleichszulagenrichtsätzen eine pauschalierende Beurteilung zu Zwecken der einfachen Administrierbarkeit anhand der Regelfälle vorgesehen wird (Ziegelbauer in Sonntag, ASVG7 § 293 Rz 2). Mit dieser vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung steht die von der Revisionswerberin kritisierte und aufgezeigte Konsequenz im sachlichen Zusammenhang.
4.3 Dass eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers und keine planwidrige Lücke besteht, ist weiters aus der von der Revisionswerberin angesprochenen Möglichkeit zum Jahresausgleich nach § 296 Abs 5 und 6 ASVG abzuleiten. Der Jahresausgleich ist explizit auf Einkünfte des Pensionsberechtigten beschränkt und steht für den Fall offen, dass der Pensionsberechtigte bezogen auf das Kalenderjahr neben seiner Pension sonstige monatliche Nettoeinkünfte weniger als 14 mal jährlich oder in unterschiedlicher Höhe bezieht (Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 296 Rz 11). Der Jahresausgleich soll nach der Intention des Gesetzgebers somit nicht dazu dienen, ein Nettoeinkommen des Kindes niedriger zu halten, um dessen pensionsberechtigten Elternteil den Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Ausgleichszulage zu wahren.
5. Die für eine Analogie nötige planwidrige Unvollständigkeit des § 293 Abs 1 ASVG, die das Gesetz –gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie – ergänzungsbedürftig machen würde, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS0008866), ist daher nicht zu erkennen. Die bloße Meinung, eine analoge Anwendung der zitierten Ausnahmebestimmungen wäre
wünschenswert, kann die Annahme einer Gesetzeslücke jedenfalls nicht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0008757 [T2]). Es steht den Gerichten nicht zu, ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge (RIS-Justiz RS0098756 [T3 und T5]).
Die Revision war daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
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