OGH 10ObS67/98w

OGH10ObS67/98w10.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Dr.Martha Seböck (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Scheed (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich R*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Anton Aigner, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, aus Anlaß der Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.Dezember 1997, GZ 9 Rs 363/97m-33, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16.Mai 1997, GZ 4 Cgs 354/96k-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden das Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren zweiter Instanz als nichtig aufgehoben und die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das auf Leistung der Berufsunfähigkeitspension ab 1.7.1995 gerichtete Klagebegehren wurde mit Urteil des Erstgerichtes abgewiesen. Dieses Urteil wurde den (im Sinne des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG qualifizierten) Klagevertretern am 15.Juli 1997 zugestellt.

Am 14.August 1997 beantragte der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe zwecks Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung einer Berufung, nachdem ihm die bisherigen Klagevertreter die Vollmacht gekündigt hatten.

Das Erstgericht bewilligte dem Kläger die Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwaltes für das Rechtsmittelverfahren. Dem bestellten Rechtsanwalt wurde das Urteil der ersten Instanz am 9. September 1997 zugestellt; am 6.Oktober 1997 überreichte er die Berufung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung nicht Folge.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Aus Anlaß der nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässigen Revision wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 464 ZPO beträgt die Berufungsfrist vier Wochen; sie kann nicht verlängert werden (Abs 1). Sie beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils (Abs 2). Hat eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb dieser Frist die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, so beginnt für sie die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn (Abs 3). Voraussetzung für die Unterbrechung (Verlegung des Beginnes) der Berufungsfrist ist daher, daß die Partei noch während der Berufungsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe -sofern eine solche nicht bereits erfolgt ist - und die Beigebung eines Rechtanwalts beantragt (vgl EvBl 1976/214; EFSlg 44.044 ua; SSV-NF 5/57 zur ähnlich behandelten Revisionsfrist; Fasching ZPR2 Rz 500).

Da das Urteil des Erstgerichtes am 15.7.1997 (Dienstag) zugestellt wurde, war die Berufungsfrist bereits am 12.8.1997 (Dienstag) abgelaufen (§ 125 Abs 2 ZPO) und die Rechtskraft dieses Urteils eingetreten. Der erst am 14.8.1997 (Donnerstag) nach Ablauf der Berufungsfrist gestellte Antrag auf Verfahrenshilfe war nicht geeignet, die Berufungsfrist zu unterbrechen.

Daß das Erstgericht dennoch die Verfahrenshilfe bewilligte, dem Kläger einen Rechtsanwalt für die Erhebung der Berufung beigab und diesem das Urteil zustellte, ändert daran nichts, weil die Bewilligung der Verfahrenshilfe die bereits eingetretene Rechtskraft einer Entscheidung nicht zu beseitigen vermag (EvBl 1976/214; 3 Ob 5/82; SSV-NF 5/57 ua; RIS-Justiz RS0036235).

Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Berufung wegen Ablaufes der hierfür offenstehenden Frist verspätet war. Es hat anstelle eines Zurückweisungsbeschlusses eine Sacherledigung getroffen und damit gegen die Rechtskraft des Ersturteils verstoßen, die mit Ablauf des letzten Tages der gesetzlichen Notfrist am 12. August 1997 eingetreten war. Das Urteil und das diesem vorangegangenen Verfahren der zweiten Instanz leiden daher an einer Nichtigkeit, die vom Obersten Gerichtshof nach § 411 Abs 2 ZPO aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels auch von Amts wegen aufzugreifen ist (10 Ob 13/97b, 10 Ob 2215/96z, 1 Ob 2093/96t, 1 Ob 49, 54/95; JBl 1985, 630 ua; RIS-Justiz RS0062118). Das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Berufungsverfahrens waren demzufolge als nichtig aufzuheben und die verspätete Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit liegen nicht vor.

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