Spruch:
Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben.
Die gegen die beklagte Partei erhobene Klage wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 62.666,20 (darin S 10.416,70 USt und S 166,-- Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Kommandant eines Gendarmeriepostens, der Beklagte Kommandant des übergeordneten Bezirksgendarmeriekommandos. Letzterer richtete am 2.8.1994 an drei Dienststellen des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich, an zwei Gendarmerieposten und an den Dienststellenausschuß des Bezirksgendarmeriekommandos ein Fernschreiben: Ein Beamter sollte auf die Dauer von 90 Tagen dem Gendarmerieposten, dessen Kommandant der Kläger ist, dienstzugeteilt werden. In diesem Fernschreiben wurde unter anderem ausgeführt, daß der Kläger nahezu keine dienstlichen Leistungen erbringe; dem Ansinnen des Fachausschusses beim Landesgendarmeriekommando Niederösterreich, diesem Gendarmerieposten einen dienstführenden Beamten als Stellvertreter des Klägers dienstzuteilen, könne nicht entsprochen werden, weil sonst die Gefahr bestünde, daß der Kläger dann überhaupt keine dienstlichen Leistungen mehr erbringen würde.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Unterlassung der aus der Begründung dieses Schreibens wiedergegebenen Aussagen und brachte vor, diese unwahren, rufschädigenden Behauptungen würden das berufliche Ansehen des Klägers ernsthaft gefährden.
Der Beklagte wendete vor allem ein, er habe im inkriminierten Fernschreiben lediglich seine Wahrnehmungen als Dienstvorgesetzter des Klägers wiedergegeben und in Vollziehung der Gesetze, also hoheitlich, gehandelt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Beklagte das Fernschreiben in seiner dienstlichen Eigenschaft als Kommandant des Bezirksgendarmeriekommandos verfaßt habe. Das Verhalten des Beklagten sei § 1 Abs 1 AHG zu unterstellen. Demnach hafte der Beklagte als hoheitlich tätig gewordenes Organ dem Kläger nicht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar S 50.000,-- übersteige, die ordentliche Revision jedoch unzulässig sei. Es meinte gleichfalls, der Beklagte habe hoheitliche Aufgaben erfüllt, weshalb dem Kläger gegen ihn kein privatrechtlicher Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf zustehe, auch wenn dessen Äußerungen unrichtige Tatsachen wiedergeben sollten. Das Begehren sei als sachlich nicht berechtigt abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, da - wie noch darzustellen sein wird - aus Anlaß des Rechtsmittels eine Nichtigkeit von Amtswegen wahrzunehmen ist und dieser Frage immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (1 Ob 565/93 mwN und mit ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 8 Ob 21, 22/91; 4 Ob 549/92; RZ 1994/45; 1 Ob 676/90; 4 Ob 539/90). Der Beklagte hat dadurch eindeutig als Organ eines Rechtsträgers gehandelt, daß er eine Dienstzuteilung verfügte. Die vom Kläger als ehrenrührig erachteten Ausführungen sind in der Begründung dieser hoheitlichen Maßnahme enthalten. Diese Ausführungen stehen in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit dem hoheitlichen Handeln des Beklagten (1 Ob 8/96; ecolex 1996, 98; JBl 1992, 532; 1 Ob 2/92; SZ 63/25; SZ 55/82). Der gesamte Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, ist einheitlich als hoheitlich zu beurteilen (1 Ob 2/94 mwN). Nach ständiger Judikatur sind dann, wenn eine Person im Sinne des § 1 AHG handelt, die auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts gestützten Ansprüche des Geschädigten gegen das Organ ausgeschlossen (1 Ob 8/96; SZ 63/25; 9 ObA 228/93; SZ 47/120).
Handelte der Beklagte hoheitlich, ist nicht nur dessen Schadenersatzhaftung gemäß § 1 Abs 1 AHG zu verneinen, sondern ist gemäß § 9 Abs 5 AHG gegen ihn als Organ auch der Rechtsweg unzulässig (1 Ob 8/96; 1 Ob 49, 54/95). Ein Nichtigkeitsgrund wie die Unzulässigkeit des Rechtswegs ist von den Rechtsmittelinstanzen aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels auch von Amts wegen aufzugreifen (1 Ob 49, 54/95 mwN). Das Klagebegehren ist mit Urteil nicht ab-, sondern die Klage ist wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs beschlußweise zurückzuweisen (1 Ob 8/96; 1 Ob 49, 54/95). Demnach sind aber die das Klagebegehren abweisenden Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 51 Abs 1 ZPO. Es ist dem Kläger als Verschulden anzulasten, daß er das Verfahren trotz eines bestehenden absoluten Prozeßhindernisses einleitete und fortsetzte, obwohl der geltend gemachte Anspruch bereits nach der Klagserzählung auf einen fehlerhaften Hoheitsakt gestützt war; der Kläger setzte das Verfahren, nachdem der Beklagte eingewendet hatte, das Urteilsbegehren werde aus einem schadensursächlichen Hoheitsakt abgeleitet, unbeirrt fort. In der Sache wies also der Beklagte darauf hin, daß den Klagsbehauptungen ein Sachverhalt zugrundeliege, auf den § 9 Abs 5 AHG Anwendung finden müsse. Es sind ihm somit seine durch das nichtige Verfahren entstandenen Kosten zuzusprechen. Auch in der Revisionsbeantwortung hat der Beklagte auf seine Organstellung neuerlich hingewiesen; auch die Kosten dieser Rechtsmittelgegenschrift sind ihm demnach zuzuerkennen.
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