OGH 10ObS62/17s

OGH10ObS62/17s18.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Neumaier (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2017, GZ 10 Rs 87/16m‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00062.17S.0718.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin bezog für ihren am 4. 10. 2010 geborenen Sohn M***** im Zeitraum von 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2011 pauschales Kinderbetreuungsgeld (Variante „20+4“) in Höhe von 7.592 EUR.

Mit Bescheid vom 12. 10. 2015 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz eines Betrags von 5.967,75 EUR mit der Begründung, der individuelle Grenzbetrag nach § 8b KBGG sei überschritten.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage, es möge festgestellt werden, dass keine Verpflichtung zum Rückersatz bestehe, ab.

Es traf – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – folgende Feststellungen:

Die Klägerin ist (im Rahmen eines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses) als Referentin für Personenverkehr im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie tätig. Einige Monate nach der Geburt ihres Sohnes M***** schloss sie mit ihrem Dienstgeber einen mit „Werkvertrag“ übertitelten Vertrag zur Erarbeitung eines Leitfadenentwurfs zu den Themen „Geschlechtergerechter Sprachgebrauch“ und „Mobbingprävention“. Diese Tätigkeit sollte während der Karenzierung des Dienstverhältnisses von zu Hause aus ausgeübt werden. Das Auftragsentgelt sollte gemäß Vereinbarung in sechs Teilzahlungen zu je 3.120 EUR brutto jeweils nach Vorliegen eines Zwischenberichts bzw des Schlussberichts fällig sein. Die ersten vier Teilzahlungen erhielt die Klägerin nach Vorlage von Zwischenberichten im Laufe des Jahres 2011 in Form von Lohnabrechnungen (mit Lohnsteuerabzug). In den Lohnabrechnungen war jeweils als Bezug „Nebentätigkeit“ angegeben. Ende November 2011 legte die Klägerin dem Dienstgeber den fünften Zwischenbericht vor und stellte weitere 3.120 EUR in Rechnung, die mit der Monatsabrechnung für Februar 2012 abgerechnet und in Höhe von 2.291,84 EUR netto ihrem Konto mit Valuta 1. 2. 2012 gutgeschrieben wurden. Der Bezugszettel der Klägerin für 2011 weist (inklusive Sonderzahlungen) steuerpflichtige Bezüge von 22.947,19 EUR aus. Dieser Betrag scheint auch im (rechtskräftigen) Einkommenssteuerbescheid 2011 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf. Neben dem Pauschbetrag für Werbungskosten und sonstigen Bezügen iSd § 67 EStG ist in diesem Betrag auch der in der Monatsabrechnung für Februar 2011 aufscheinende Bruttobetrag von 3.120 EUR enthalten.

Rechtlich ging das Erstgericht – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – davon aus, es liege eine Nebentätigkeit iSd § 37 Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) zum öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis vor. Im Jahr 2011 seien Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gegeben, deren maßgeblicher Gesamtbetrag gemäß § 8 Abs 1 KBGG (in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116) die anhand des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2007 zu errechnende individuelle Zuverdienstgrenze überschreite. Auch die erst im Februar 2012 gutgeschriebene Teilzahlung von 3.120 EUR brutto sei den Einkünften aus 2011 zuzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich, ging es rechtlich davon aus, dass die individuelle Zuverdienstgrenze richtigerweise mit 18.965,16 EUR festzusetzen sei. Dies ändere aber nichts daran, dass auch dieser Grenzbetrag von dem – sich bindend aus dem Spruch des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2011 ergebenden   – Gesamtbetrag der Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit von 22.815,19 EUR überschritten sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

1.1 Gemäß § 37 Abs 1 BDG können dem Beamten ohne unmittelbaren Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben, die ihm nach dem BDG obliegen, noch weitere Tätigkeiten für den Bund in einem anderen Wirkungskreis übertragen werden (Nebentätigkeit).

1.2 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt haben die Vorinstanzen die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Nebentätigkeit iSd § 37 BDG und die von ihr daraus erzielten Einkünfte (§ 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG 1988) als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs 3 Z 4 EStG) qualifiziert.

2. Soweit im Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte solche aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG) enthalten sind, ist für die Beurteilung des Gesamtbetrags der Einkünfte von jenen Einkünften auszugehen, die während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes (Anspruchszeitraum) erzielt werden und gemäß § 19 EStG 1988 diesem Anspruchszeitraum zuzuordnen sind (§ 8 Abs 1 Z 1 KBGG in der anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 2009/116). Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist demnach auf die während des Kinderbetreuungsgeldbezugs nach steuerrechtlichen Grundsätzen erzielten Einkünften (Lohnsteuerbemessungs-grundlage) abzustellen. Die zeitliche Zuordnung der Einkünfte (Zufluss der Einnahmen und Abfluss der Ausgaben) erfolgt ebenfalls nach dem EStG (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 12).

3. § 19 Abs 1 EStG („Zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben“ in der bis 1. 8. 2011 geltenden Fassung BGBl I 2007/99) bzw nunmehr § 19 Abs 1 Z 3 EStG ordnet an, dass Bezüge gemäß § 79 Abs 2 EStG 1988 als im Vorjahr zugeflossen gelten. Gemäß § 79 Abs 2 EStG 1988 ist die Lohnsteuer dann, wenn Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt werden, bis zum 15. Februar als Lohnsteuer für das Vorjahr abzuführen. Dementsprechend ist im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 die Höhe der Einkünfte mit 22.815,19 EUR, nämlich inklusive des in der Monatsabrechnung für Februar 2011 aufscheinenden Bruttobetrags von 3.120 EUR, festgestellt.

4.1 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass für die Gerichte der Spruch über den Bescheidgegenstand bindend ist (RIS‑Justiz RS0037051, RS0036948). Der Spruch eines Abgabenbescheids enthält neben der Art und Höhe der Abgaben und dem Zeitpunkt deren Fälligkeit auch die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen – § 198 Abs 2 BAO; VwGH 92/14/0129). Zur Bemessungsgrundlage gehören Größen, aus denen die Abgaben unmittelbar abgeleitet werden, wie beispielsweise das Einkommen. Dagegen gehört die Einreihung zB eines Gewinns unter eine bestimmte Einkunftsart nicht zum Spruch, sondern zur Bescheidbegründung (VwGH 2007/15/0257).

4.2 Wurden im vorliegenden Fall im Einkommenssteuerbescheid 2011 die Einkünfte der Klägerin im Jahr 2011 (abzüglich Werbungskosten) mit 22.815,19 EUR, somit inklusive des in der Monatsabrechnung für Februar 2011 aufscheinenden Bruttobetrags von 3.120 EUR festgestellt, zeigt die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen, die 3.120 EUR wären erst den im folgenden Jahr (2012) erwirtschafteten Einkünften zuzuordnen, im Hinblick auf die Bindungswirkung des Einkommenssteuerbescheids keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (10 ObS 27/13p, SSV‑NF 27/43; 10 ObS 34/13t, SSV‑NF 27/50).

5.1 In der Revision wird weiter vertreten, richtigerweise wäre keine Nebentätigkeitsvergütung (§ 25 Gehaltsgesetz 1956), sondern Werklohn (aus dem Werkvertrag) auszuzahlen gewesen, sodass Einkünfte aus selbständiger Arbeit gegeben seien:

Nach den – den Obersten Gerichtshof bindenden   – Feststellungen hat die Klägerin eine Nebentätigkeit ausgeübt und dafür eine Nebentätigkeitsvergütung (§ 25 GehG 1956) erhalten. Die Vergütung dieser Tätigkeit erfolgte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, ebenso ihre Versteuerung. Es besteht daher kein Anlass, im Verfahren über die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld eine Umqualifizierung vorzunehmen.

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