Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 2. 6. 1936 geborene Kläger war im Zuge seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Baumeister am 14. 9. 2000 auf einer Baustelle in Wien tätig. Beim Herabgehen über eine Stiege stolperte der Kläger auf oder über die letzte Stufe. Um nicht insbesondere mit dem Kopf gegen eine Wand in nur rund einem Meter Entfernung zu stoßen, riss der Kläger beide Arme ruckartig hoch. Er verspürte daraufhin einen plötzlichen Schmerz im Schulter- und Armbereich und musste sich nach dem Vorfall niedersetzen, auch wenn es zu keinem Kontakt mit der gegenüberliegenden Wand kam.
Der Kläger erlitt bei diesem Vorfall jedenfalls eine Zerrung des rechten Schultergelenkes.
Wegen anhaltender Schmerzen suchte der Kläger am 26. 9. und 3. 10. 2000 einen Facharzt für Orthopädie und am 31. 10. 2000 eine Fachärztin für Orthopädie auf. In weiterer Folge wurde ein Riss der Rotatorenmanschette rechts sowie ein Einriss der Rotatorenmanschette links festgestellt, wobei der Kläger im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der orthopädischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Wien vom 10. 11. 2000 bis 13. 11. 2000 an der Rotatorenmanschette rechts operiert wurde. In weiterer Folge wurde eine Reruptur der rechten Rotatorenmanschette sowie ein Deltoideusabriss rechts festgestellt, weshalb am 9. 2. 2001 wiederum eine Operation erfolgte. In weiterer Folge wurden auch Risse der Supraspinatussehne beidseits festgestellt.
Die Risse der Rotatorenmanschette, der Supraspinatussehnen und des Deltoideus wurden durch das Hochreißen der Arme wohl ausgelöst, wären jedoch infolge der degenerativen Vorschädigung im selben Ausmaß und etwa zur selben Zeit auch durch ein alltägliches Ereignis wie etwa das Hochheben einer Mineralwasserkiste oder das plötzliche Zuwinken an eine andere Person ausgelöst worden.
Unter Außerachtlassung der Frage der Kausalität würden die festgestellten Verletzungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 30 vH ab dem berentbaren Zeitraum bewirken.
Der Kläger begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 14. 9. 2000 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. 10. 2000 zu gewähren. Er habe bei dem Arbeitsunfall eine Zerrung des rechten Schultergelenkes sowie Abrisse an Sehnen- und Gelenksmanschetten (Supraspinatussehne, Rotatorenmanschette, Deltiodeusabriss) erlitten.
Die beklagte Partei bestritt das Begehren und wandte ein, der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall nur eine Zerrung des rechten Schultergelenkes erlitten. Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden seien nicht auf eine Unfallverletzung zurückzuführen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Sinn des § 82 Abs 5 ASGG fest, dass nur die vom Kläger geltend gemachte Zerrung des rechten Schultergelenkes, nicht jedoch die vom Kläger weiters geltend gemachten Risse der Rotatorenmanschette beidseits, der Supraspinatussehne beidseits und des Deltoideus rechts Folge des Arbeitsunfalles vom 14. 9. 2000 seien. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass der Unfall des Klägers vom 14. 9. 2000 unbestritten als Arbeitsunfall im Sinn des 175 ASVG zu beurteilen sei. Für die Beurteilung der Zurechnung von Gesundheitsstörungen zu einem Arbeitsunfall sei im Rahmen der Judikatur zur sogenannten "Gelegenheitsursache" entscheidend, ob aufgrund eines bestehenden Vorschadens die Körperschädigung im selben Ausmaß und etwa zur selben Zeit auch durch ein alltägliches Ereignis ausgelöst worden wäre. Dies sei nach den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die Verletzungen der Rotatorenmanschetten, Supraspinatussehnen und des Deltoideus rechts zu bejahen, weshalb diese Verletzungen dem Arbeitsunfall nicht zurechenbar seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung. Es erachtete die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für die rechtliche Beurteilung der Sache als ausreichend und teilte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil, wie noch darzulegen sein wird, für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache wesentliche Feststellungsmängel vorliegen; sie ist daher im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Der Kläger wendet sich in seinen Revisionsausführungen vor allem gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, sein Arbeitsunfall vom 14. 9. 2000 stelle in Bezug auf die festgestellten Risse der Rotatorenmanschette, der Supraspinatussehne und des Deltoideus lediglich eine "Gelegenheitsursache" dar und es seien daher diese Verletzungen dem Arbeitsunfall nicht zurechenbar. Er vermisst insbesondere nähere Feststellungen darüber, ob das Ausmaß der von den Vorinstanzen bei ihm angenommenen "degenerativen Vorschäden" dem nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen bei jedem Menschen etwa ab dem 20. Lebensjahr beginnenden Abbau von Knorpeln und Sehnen bis zu seinem 64. Lebensjahr "generell" entsprochen habe, sein körperlicher Zustand somit dem normalen Alterungsprozess entsprochen habe, oder ob bei ihm darüber hinausgehende "degenerative Vorschäden" vorgelegen seien. In der gesetzlichen Unfallversicherung könne in einem altersbedingten körperlichen Zustand keine "Vorschädigung" erblickt werden, welche als Mitursache die Kausalität eines Arbeitsunfalles für Verletzungsfolgen ausschließe.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Körperschädigung des Versicherten die besondere Kausalitätslehre der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Lehre von der "wesentlichen Bedingung" oder "wesentlich mitwirkenden Ursache". Der Zusammenhang ist nicht nur zu bejahen, wenn der Unfall die alleinige Bedingung des Körperschadens oder Todes des Versicherten ist. Auch wenn er nur eine von mehreren Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist (konkurrierende Kausalität), bildet er im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre eine Ursache, wenn er eine wesentliche Bedingung für den Körperschaden oder Tod war. Als Ursache und Mitursache sind daher unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, die also nicht im Hinblick auf Mitursachen so erheblich in den Hintergrund treten, dass sie als unwesentlich erscheinen (SSV-NF 4/83, 4/113, 5/22, 5/131, 6/30 jeweils mwN ua; RIS-Justiz RS0084290). Sind zwei oder mehrere Ereignisse im gleichen Maß wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Ist aber eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber einer von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne der in der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre. Die nicht wesentlichen anderen Bedingungen werden auch als "Gelegenheitsursachen" bezeichnet, da nur gelegentlich des Zusammentreffens der verschiedenen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne der Erfolg eingetreten ist, nicht aber durch alle diese Bedingungen im wesentlich gleichen Maße herbeigeführt worden ist. In Deutschland wird in der Rechtsprechung jedenfalls im Rahmen der sogenannten "haftungsausfüllenden" Kausalität (= ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Körperschädigung) der oft missverstandene Begriff der "Gelegenheitsursache" zunehmend vermieden, da es sich dabei stets nur darum handelt, eine Bedingung nicht als wesentlich und damit nicht als Ursache im Rechtssinne zu werten (vgl Krasney in Brackmann, Handbuch der SV, Band 3 Rz 314 ff zu § 8 SGB VII).
Hat daher ein Unfallereignis in kausaler Konkurrenz mit einer beim Versicherten vorhandenen Krankheitsanlage oder auch Schadensanlage den Eintritt des Körperschadens herbeigeführt, so sind Anlage und äußere Einwirkung Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Ob das Unfallereignis die Entstehung des Körperschadens im Sinne der in der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre mitverursacht hat, richtet sich wiederum danach, ob das Unfallereignis (zumindest auch) eine wesentliche Bedingung für das Entstehen des Körperschadens oder die Schadensanlage von überragender Bedeutung und damit die alleinige Ursache war (Krasney aaO Rz 374). Haben also neben dem Arbeitsunfall unfallfremde Ursachen wie zB eine Schadensanlage an dem Eintritt des Gesundheitsschadens in - für sich gesehen - wesentlicher Weise mitgewirkt, müssen diese verschiedenen mitwirkenden Kausalreihen in ihrer Bedeutung und Tragweite für den streitigen Schaden gegeneinander abgewogen werden. Die Verneinung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Versichertentätigkeit und dem streitigen Schaden ist nur zulässig, wenn zuvor zwischen den in Betracht kommenden Ursachen eine solche Abwägung tatsächlich vorgenommen wurde. Die Frage nach der ursächlichen Bedeutung der verschiedenen mitwirkenden Kausalfaktoren ist nach dem Wert und der Bedeutung zu beurteilen, die sie für das Zustandekommen des Schadens besitzen. Haben mehrere Kausalreihen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt, muss vergleichend bewertet werden, welche von ihnen in etwa gleichwertig und welche demgegenüber derart unbedeutend sind, dass sie außer Betracht bleiben müssen (Erlenkämper, Arbeitsunfall, Schadensanlage und Gelegenheitsursache, SGb 1997, 355 ff [358]). Das Vorhandensein einer Schadensanlage schließt danach allein nicht aus, den Körperschaden als durch das Unfallereignis mitverursacht anzusehen. Andererseits ist das Unfallereignis nicht schon deshalb als wesentliche Bedingung und damit als Ursache des Körperschadens anzusehen, weil der Schaden aufgrund des Unfallereignisses hervorgetreten ist (Krasney aaO Rz 375). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht bei einer Körperschädigung, die nur zum Teil durch einen Arbeitsunfall, im Übrigen aber durch eine Schadensanlage (Krankheitsanlage) verursacht wurde, dann kein Anspruch auf Leistung zu, wenn der Schadensanlage gegenüber dem Unfall die überragende Bedeutung zukommt, wenn also wegen der Veranlagung jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Schädigung ausgelöst hätte (SSV-NF 3/95, 4/85, 4/113, 5/131, 6/30, 6/120, 7/10, 9/57, 11/41, 13/95 mwN uva; RIS-Justiz RS0084318; RS0084345). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Schadensanlage, deren ursächlich wesentliche oder gar überwiegende Bedeutung geprüft werden soll, in ihren tatsächlichen Grundlagen nachgewiesen ist (Krasney aaO Rz 374; Erlenkämper aaO 356 mwN; Schwerdtfeger in Lauterbach UV4 Rz 99 zu § 8 SGB VII ua). Es sind daher im Fall konkurrierender Ursachen zunächst die einzelnen Kausalreihen, deren ursächliche Beteiligung in Betracht gezogen wird - die unfallbedingten (Einwirkungen aus dem Unfallereignis) und ebenso die unfallunabhängigen (zB Schadensanlagen) - in getrennten Schritten zu prüfen: Zunächst sind diese einzelnen Kausalreihen in ihren tatsächlichen Grundlagen festzustellen. Diese Grundlagen müssen sicher feststehen. Kausalfaktoren - das gilt auch und gerade für Schadensanlagen -, die schon in tatsächlicher Hinsicht nicht sicher beweisbar sind, dürfen der weiteren Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Für sie stellt sich gar nicht erst die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall als Ursache im Rechtssinn in Betracht zu ziehen sind. Es ist daher im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen und festzustellen, ob beim Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses eine (degenerative) Schadensanlage vorlag. Eine solche Feststellung kann aufgrund unmittelbarer Beweise (wie zB durch dokumentierte Röntgen-, Ultraschall-, Kernspin- oder histologische Befunde) oder auch aufgrund von Indizien (zB durch nachgewiesene Befunde an korrespondierenden Organen) allenfalls in Verbindung mit gesicherten pathologisch-anatomischen Erkenntnissen getroffen werden, zB aus der Erkenntnis, eine gesunde Sehne reiße nicht. Erst wenn die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen in Betracht kommenden Kausalreihen, der Arbeitsunfall einerseits, die Schadensanlage andererseits - feststehen und auch die erforderliche Kausalität des schädigenden Ereignisses (Arbeitsunfall) sowie der unfallunabhängigen Ursachen (Schadensanlage) zu bejahen ist, darf die Abwägung der ursächlichen Bedeutung der einzelnen mitwirkenden Kausalreihen (Arbeitsunfall-Schadensanlage) erfolgen. Diese Abwägung von Bedeutung und Tragweite der einzelnen Kausalreihen muss stets individuell, also auf den konkret vorliegenden Einzelfall bezogen, vorgenommen werden. Die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Bedingung zum Erfolg wesentlich beigetragen hat oder nicht und ob sie daher eine Ursache im Rechtssinn bildet oder nicht, ist eine Wertentscheidung und kann als solche nicht generell und abstrakt getroffen werden; sie kann nur konkret anhand der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Allgemein verbindliche Kriterien für die Abwägung der Bedeutung des Arbeitsunfalls einerseits und der Schadensanlage andererseits bestehen nicht und können wegen der Vielgestaltigkeit der Fallkonstellationen und dem Gebot der individuellen Prüfung und Abwägung auch nicht aufgestellt werden. Man wird jedoch umso eher von einer ursächlich überwiegenden Bedeutung der Schadensanlage im jeweiligen Einzelfall ausgehen können, je stärker einerseits die Schadensanlage nachweisbar ausgeprägt ist und je leichter sie nachweisbar schon für geringfügige, auch alltäglich vorkommende Belastungen ansprechbar ist, und je geringer und mit normalen Belastungen auch des unversicherten Alltagslebens vergleichbarer die Einwirkungen aus dem Arbeitsunfall andererseits sind. Umgekehrt wird eine solche überwiegende Bedeutung der Schadensanlage umso eher zu verneinen sein, je ungewisser einerseits Art und Ausmaß ihrer Ansprechbarkeit im konkreten Einzelfall bleiben, und je gravierender andererseits die schädigenden Einwirkungen aus dem Arbeitsunfall waren, je typischer sie für die versicherte Tätigkeit sind und je weniger sie nach Art und Schwere normalen alltäglichen Belastungen entsprechen (Erlenkämper aaO 358 ff).
Bei dieser Abwägung wird insbesondere aber auch zu berücksichtigen sein, dass der Versicherte nach dem Schutzzweck des Unfallversicherungsrechts in dem Zustand geschützt ist, in dem er sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befunden hat. In den Schutz der Unfallversicherung sind daher auch alle im Unfallzeitpunkt bereits bestehenden Krankheiten, Behinderungen, sonstige Vorschädigungen mit ihren Auswirkungen, aber auch alle Schadensanlagen, also konstitutionell, degenerativ oder durch frühere Erkrankungen oder Unfälle bedingten Krankheitsdispositionen eingebunden. Gerade der Versicherte, der trotz einer solchen Schadensanlage beruflichen Belastungen ausgesetzt wird und infolge einer solchen Schadensanlage leichter als der gesunde, robuste Versicherte der Gefahr erliegt, durch schädigende Einwirkungen der Versichertentätigkeit einen bleibenden Gesundheitsschaden zu erleiden, soll den Schutz des Gesetzes erfahren und nicht von diesem Schutz ausgeschlossen werden (vgl Erlenkämper aaO 357 mwN; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII K § 8 Rz 296; Mehrtens/Valentin/Schönberger, Arbeitsunfall und Berufskrankheit6 80; Barta, Gedanken zum Unfallbegriff, ZAS 1973, 170 ff [174] ua). Dies muss grundsätzlich auch dann gelten, wenn sich der Versicherte bei Eintritt des Arbeitsunfalls bereits in einem fortgeschrittenen Lebensalter befindet, also unterstellt werden kann, dass bei ihm die degenerativen Schadensanlagen schon aufgrund des allgemeinen Altersverschleißes stärker ausgeprägt sind. Der Schutz des Versicherten gegen die Folgen von Arbeitsunfällen (und Berufskrankheiten) darf nicht deswegen geringer sein, weil er älter ist (Erlenkämper aaO 357). Verletzungen aufgrund altersbedingter, natürlicher Abnützung können daher keinesfalls als Anlageschaden angesehen werden. Es ist vielmehr für die Annahme eines Anlageschadens ein - bei genereller Betrachtung der körperlichen Konstitution der Versicherten - deutlich erkennbares Abweichen des Gesundheitszustandes des Versicherten von der "Norm" erforderlich (vgl Barta aaO). Schließlich ist bei der Abwägung noch zu berücksichtigen, dass nach der bereits zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Schadensanlage als allein wesentliche Ursache in der Regel nur dann gewertet werden kann, wenn diese so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar ist, dass wahrscheinlich auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Schädigung zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß ausgelöst hätte. Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu sogenannten "Anlagefällen" im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist daher im Sinne der soeben dargelegten Ausführungen zu ergänzen. Schließlich soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Qualifikation einer Ursache als "wesentlich" ein Akt einer rechtlichen Bewertung ist (vgl Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 306 f mwN ua).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so zeigt sich, dass für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache wesentliche Feststellungen fehlen. So hat das Erstgericht zwar im Rahmen der Beweiswürdigung darauf hingewiesen, dass eine Reihe von Beweisergebnissen für das Vorliegen von massiven degenerativen Vorschädigungen in beiden Schultergelenken des Klägers angeführt werden könne und auch die beklagte Partei geht in ihrer Revisionsbeantwortung davon aus, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles offensichtlich bereits massive degenerative Vorschäden vorgelegen seien, es fehlen jedoch diesbezüglich eindeutige Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, welche die Annahme der Kausalität dieser unfallunabhängigen Ursache für den Eintritt des Gesundheitsschadens zweifelsfrei begründen könnten. Mit Recht vermisst der Kläger im Hinblick auf die bloß allgemein gehaltenen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen, wonach bei jedem Menschen etwa ab dem 20. Lebensjahr der Abbau von Knorpeln und Sehnen beginne und dieser fortschreitende Abbauprozess dazu führen könne, dass schon ganz normale alltägliche Bewegungen genügen, um einen Riss der Sehnen herbeizuführen, auch konkrete Feststellungen darüber, ob das Ausmaß solcher degenerativen Vorschäden in seinem Fall das altersentsprechende Maß überstiegen habe. Sollte der medizinische Sachverständige der Ansicht sein, das Vorliegen degenerativer Vorschäden bei dem zum Unfallszeitpunkt 64 Jahre alten Kläger sei schon deshalb zu bejahen, weil der beschriebene Abbauprozess bereits etwa ab dem 20. Lebensjahr begonnen habe, wäre er im Sinne der dargelegten Rechtsausführungen darauf hinzuweisen, dass der Versicherte durch die Rechtsordnung in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Eintritt des schädigenden Ereignisses befunden hat und daher altersentsprechende Abbauerscheinungen noch nicht als "Schadensanlage" im Sinne der dargelegten Erwägungen angesehen werden können. Schließlich wird gegebenenfalls mit dem medizinischen Sachverständigen anhand der individuellen Gesamtumstände des Einzelfall eine Abwägung der unfallbedingten (Einwirkungen aus dem Unfallereignis) und der unfallunabhängigen Ursachen (Schadensanlage) im Sinne der dargelegten Grundsätze vorzunehmen sein und dabei im Hinblick auf die konkret beim Kläger vorliegenden Umstände auch zu klären sein, ob der Gesundheitsschaden auch ohne den konkreten Arbeitsunfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit allein infolge der Schadensanlage durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß tatsächlich eingetreten wäre. Erst nach Vorliegen entsprechender Beweisergebnisse und Feststellungen wird im Sinne der dargelegten Grundsätze eine abschließende Beurteilung der Frage möglich sein, ob Arbeitsunfall und Schadensanlage als "im Wesentlichen gleichwertige Mitursachen" anzusehen sind oder ob die Schadensanlage bei der gebotenen Abwägung den Arbeitsunfall in ihrer ursächlichen Bedeutung für die Entstehung des Gesundheitsschadens so eindeutig überwiegt, dass sie als die in Wahrheit allein wesentliche Ursache gewertet werden muss und der Arbeitsunfall dagegen in seiner ursächlichen Bedeutung derart unbedeutend ist, dass er als Ursache außer Betracht bleiben muss. Erst nach Klärung dieser Frage kann abschließend beurteilt werden, ob und in welcher Höhe dem Kläger ein Anspruch aus der Unfallversicherung zusteht.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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