European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00030.22T.0329.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 2. 5. 2018 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt über Antrag des Klägers vom 27. 11. 2017 das Vorliegen von insgesamt 490 Versicherungsmonaten zum 1. 5. 2018 festgestellt und die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 7. 2002 bis 31. 3. 2018 abgelehnt.
[2] Mit Bescheid vom 11. 9. 2019 hat die Beklagte über Antrag des Klägers vom 11. 7. 2019 das Vorliegen von insgesamt 507 Versicherungsmonaten zum Stichtag 1. 10. 2019 festgestellt und die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 4. 2018 bis 31. 8. 2019 abgelehnt. In der dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung von Schwerarbeitszeiten von 1. 4. 2018 bis 31. 8. 2019 (Vorverfahren beim Landesgericht Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht zu 40 Cgs 285/19s). Das Verfahren endete mit einem am 25. 3. 2021 abgeschlossenen Vergleich, in dem die vom Kläger in den Zeiträumen April, Mai, Juli, August, September, Oktober und November 2018 sowie Jänner, April, Mai, Juli und August 2019 erworbenen Versicherungsmonate als Schwerarbeitszeiten im Sinne des § 607 Abs 14 ASVG festgestellt wurden.
[3] Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. 4. 2021 hat die Beklagte „aufgrund des Vergleiches vom 25. 3. 2021 beim Landesgericht Krems an der Donau“ die darin anerkannten insgesamt zwölf Versicherungsmonate im Zeitraum von April 2018 bis August 2019 als Schwerarbeitsmonate festgestellt.
[4] Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, die Feststellung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 7. 2002 bis 31. 3. 2018 anstrebende Klage. Der Kläger habe einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 2. 5. 2018 abgeschlossenen Verfahrens gestellt, über dessen weitere Bearbeitung der Kläger bislang nachrichtenlos verblieben sei. Auf Nachfrage sei ihm seitens der Beklagten mitgeteilt worden, dass keine weitere Veranlassung getroffen bzw kein weiteres Ermittlungsverfahren gesetzt werden würde. Aus rechtlicher Vorsicht sei davon auszugehen, dass die Beklagte die Anerkennung weiterer Monate als Schwerarbeitsmonate abgelehnt habe. Tatsächlich habe der Kläger auch im Zeitraum von 1. 7. 2002 bis 31. 3. 2018 Schwerarbeit geleistet.
[5] Die Beklagte beantragte die Zurück-, in eventu die Abweisung des Klagebegehrens. Hinsichtlich des im Verfahren 40 Cgs 285/19s des Landesgerichts Krems an der Donau gegenständlichen Zeitraums von 1. 4. 2018 bis 31. 8. 2019 fehle dem Kläger aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs das Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen sei der Rechtsweg nicht zulässig.
[6] Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Klage richte sich zwar formell gegen den Bescheid vom 21. 4. 2021, mit dem die vom Kläger erworbenen Versicherungszeiten durch den am 25. 3. 2021 geschlossenen Vergleich anerkannt worden seien. Inhaltlich beziehe sich das Klagebegehren allerdings auf den rechtskräftigen Bescheid vom 2. 5. 2018. In Ansehung dessen strebe der Kläger auch eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens an, über die nach dem Klagsvorbringen bislang nicht entschieden worden sei. Im vorliegenden Fall werde die Säumnis der Beklagten bezogen auf diesen Wiederaufnahmeantrag geltend gemacht. Das Klagsvorbringen beziehe sich somit auf einen bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid, sodass ein Säumnisfall des Versicherungsträgers nicht vorliege. Darüber hinaus sei die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers über die Wiederaufnahme eine Verwaltungssache.
[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Selbst wenn der Kläger mit der vorliegenden Klage nicht die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens, sondern bloß die Feststellung von Schwerarbeitszeiten begehrt hätte, wäre die Klage zurückzuweisen gewesen, weil mit dem angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht über ein solches Klagebegehren abgesprochen worden sei. Dieser Bescheid könne auch nicht dahin verstanden werden, dass implizit auch (negativ) über die Schwerarbeitszeiten von 1. 7. 2002 bis 31. 3. 2018 abgesprochen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der (richtig) außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist nicht zulässig.
[9] 1. Soweit der Revisionsrekurs eine nachträgliche Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts durch das Rekursgericht (erkennbar iSd § 508 Abs 1 iVm § 528 Abs 2a ZPO) dahin anstrebt, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zugelassen werde, ist dies verfehlt, weil in Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO) gemäß § 505 Abs 4 iVm § 528 Abs 3 ZPO ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden kann, wenn das Rekursgericht – wie hier – nach § 500 Abs 2 Z 3 iVm § 526 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist. Einer Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht bedarf es in diesem Fall nicht; das vorliegende Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (vgl RS0110049 [T22]; RS0123405), ohne dass es eines Verbesserungsverfahrens bedürfte, weil sich die Begründung eines Antrags nach § 508 Abs 1 iVm § 528 Abs 2a ZPO inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde eines außerordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 506 Abs 1 Z 5 iVm § 528 Abs 3 S 2 ZPO zu decken hat (vgl 6 Ob 264/98m; RS0110080 [T1]; RS0110049).
[10] 2. Auch bei Behandlung des Rechtsmittels als außerordentlicher Revisionsrekurs setzt seine Zulässigkeit nach § 528 Abs 1 ZPO voraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:
[11] 2.1. Nach § 67 Abs 1 ASGG darf in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 4 ASGG vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen erlassen hat. Abgesehen von hier – auch nach der vom Kläger im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht – nicht relevanten Säumnisfällen setzt also jede Klage einen Bescheid des Versicherungsträgers voraus. Der (zulässige) Gegenstand der Bescheidklage beschränkt sich auf jene Ansprüche, über die der Versicherungsträger entschieden hat (RS0085867 [T19]). Wird eine Klage nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG erhoben, obwohl (abgesehen vom Säumnisfall) kein Bescheid (also keine Sachentscheidung, gegen die die Klagefrist noch offensteht) vorliegt, so ist sie in jeder Lage des Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (RS0085867 [T14]). Anlass für eine Klagszurückweisung besteht daher zB auch dann, wenn sich Bescheid und Klage auf verschiedene Ansprüche beziehen (RS0107802 [T14]).
[12] 2.2. Der Kläger begehrt im Gerichtsverfahren die Feststellung von Schwerarbeitszeiten für den Zeitraum von 1. 7. 2002 bis 31. 3. 2018. Über diesen Anspruch hat der Versicherungsträger in dem mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 21. 4. 2021 jedoch nicht abgesprochen, sondern bereits mit Bescheid vom 2. 5. 2018. Die Klage betrifft also keine vom beklagten Versicherungsträger im angefochtenen Bescheid entschiedene Frage, sondern eine Frage, die Gegenstand eines anderen Bescheids war (gegen den die Klagsfrist aber nicht mehr offen steht).
[13] 2.3. Dass die Klage mangels Rechtswegzulässigkeit gemäß § 73 ASGG zurückgewiesen wurde, entspricht den dargestellten Grundsätzen und ist somit nicht zu beanstanden.
[14] 3.1. Soweit sich der Kläger gegen eine nicht gerechtfertigte Umdeutung seines (keine Wiederaufnahme anstrebenden) Begehrens durch das Erstgericht wendet, hat dem bereits das Rekursgericht entgegnet, dass der in der Klage geltend gemachte Anspruch (in dem im Revisionsrekurs verstandenen Sinn) jedenfalls nicht den vom angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum betrifft. Eine unrichtige Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs nicht auf.
[15] 3.2. Die weiters im Revisionsrekurs vertretene Rechtsansicht des Klägers, wonach der zweite Bescheid den ersten ersetzt habe und in concreto eine neue Entscheidung getroffen worden sei, die die Gesamtheit der Schwerarbeitszeiten umfasse, also auch jene, die Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen seien, widerspricht dem klaren Inhalt der beiden Bescheide. Entscheidungsgegenstand dieser Bescheide waren hinsichtlich der Feststellung der Schwerarbeitszeiten vielmehr eindeutig nur die jeweils angeführten Zeiträume. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 21. 4. 2021 wollte die Beklagte offensichtlich – wie aus dem Bescheid selbst hervorgeht – vielmehr nur den Inhalt des am 25. 3. 2021 abgeschlossenen Vergleichs (inhaltsgleich) wiederholen. Gegenstand des Verfahrens, das mit diesem Vergleich beendet wurde, waren aber ausschließlich Versicherungszeiten ab dem 1. 4. 2018 und gerade nicht davor liegende Versicherungszeiten, die der nunmehrigen Klage zugrunde liegen und über die bereits zuvor mit (schon damals rechtskräftigem) Bescheid vom 2. 5. 2018 abgesprochen worden war. Ob eine Entscheidung über das Ausmaß der Schwerarbeitszeiten in Form einer Teilentscheidung ergehen durfte, was der Kläger im Revisionsrekurs bezweifelt, ist angesichts der klaren Inhalte der Bescheide vom 2. 5. 2018 und vom 21. 4. 2021 nicht von Relevanz.
[16] 4. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)