OGH 10ObS285/99f

OGH10ObS285/99f9.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andrea Svarc (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Eva R*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 1999, GZ 9 Rs 85/99g-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Jänner 1999, GZ 22 Cgs 3/98m-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Antrag der Klägerin auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof betreffend § 258 Abs 4 ASVG gemäß Art 89 Abs 2 B-VG wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Ausführungen der Klägerin in der Revision ist folgendes zu entgegnen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 258 Abs 4 ASVG gebührt die Witwenpension unter anderem der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes auf Grund eines der in dieser Gesetzesstelle erschöpfend aufgezählten Rechtstitel Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte. Nach dem Gesetzeswortlaut "zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte" hängt der Anspruch auf Witwenpension nur davon ab, ob der Versicherte auf Grund der im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatbestände im Zeitpunkt des Todes Unterhalt zu leisten hatte (vgl SSV-NF 4/51 mwN). Wesentlich ist daher das aufrechte Bestehen einer Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt im Todeszeitpunkt, da die Witwen(Witwer-)Pension Ersatz für den Entfall der Unterhaltsleistung des früheren Ehepartners sein soll. Es hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Voraussetzung etwa dann nicht erfüllt ist, wenn bei grundsätzlich bestehender Unterhaltsverpflichtung der Anspruch im Zeitpunkt des Todes (zB wegen einer Lebensgemeinschaft der unterhaltsberechtigten Gattin) ruhte (SSV-NF 4/28) oder eine aufrechte Verpflichtung des Versicherten zur Unterhaltsleistung im Zeitpunkt des Todes deswegen nicht bestanden hat, weil der Unterhaltsanspruch der Klägerin aus einem früheren Vergleich auf Grund eines Urteiles gehemmt war (SSV-NF 6/43).

Nach dem dargestellten Gesetzeswortlaut reicht somit der bloße Unterhaltsvertrag nicht aus, sondern es wird vorausgesetzt, dass der Versicherte zur Zeit seines Todes diesen Unterhalt auch zu leisten hatte. Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Gatte der Klägerin zur Zeit seines Todes (27. 1. 1997) vertraglichen Unterhalt zu leisten hatte. Dies ist nach dem Inhalt der hier getroffenen Unterhaltsvereinbarung zu verneinen. Nach den vom Berufungsgericht ergänzend getroffenen Feststellungen war der Grund für die zwischen den Ehegatten getroffene Unterhaltsvereinbarung darin zu sehen, dass die Klägerin infolge der Kindererziehung, der sie sich ausschließlich widmete, über kein eigenes Einkommen verfügte. Der Klägerin war klar, dass sie den Unterhalt von ihrem Ehegatten ausschließlich deswegen bekam, weil sie über kein eigenes Einkommen verfügte und dass sie diese Leistung nicht erhalten hätte, wenn sie über ein eigenes Einkommen verfügt hätte. Die Klägerin verweist in ihren Revisionsausführungen selbst darauf, dass eine Änderung der der Unterhaltsvereinbarung zugrundeliegenden Verhältnisse eingetreten ist, weil die beiden gemeinsamen Kinder ihrem Alter entsprechend mittlerweile einen eigenen Haushalt gegründet haben und die Klägerin selbst im April 1996 eine Berufstätigkeit aufgenommen hat, aus der sie ihren Unterhalt finanziert, zumal ein allfälliger Unterhaltsanspruch gegen ihren aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig pensionierten Ehegatten zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes nicht ausgereicht hätte. Die Klägerin räumt selbst ein, dass ihr Unterhaltsanspruch für die Dauer des Bestehens ihres Beschäftigungsverhältnisses faktisch ruhte und ihr Ehegatte seit Juli 1996 für sie keine Unterhaltszahlungen mehr geleistet hat. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes der Klägerin keinen laufenden Unterhaltsbeitrag zu leisten hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist daher den bereits entschiedenen Fällen des Ruhens von Unterhalt (SSV-NF 4/28) oder der Hemmung von Unterhaltsansprüchen (SSV-NF 6/43) durchaus vergleichbar (vgl auch 10 ObS 179/94). In diesen Fällen besteht nach der zitierten Rechtsprechung kein Anspruch auf Witwenpension gemäß § 258 Abs 4 ASVG.

Die Klägerin führt gegen diese Rechtsansicht vor allem ins Treffen, dass die Höhe eines dem Grunde nach zu Recht bestehenden Unterhaltsanspruches fast immer von zwei variablen Größen, nämlich der jeweiligen Einkommenshöhe des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten, abhängig sei, und es daher bei sehr variablen Einkommen selbst während eines Jahres mehrfach zu Änderungen in der Höhe eines Unterhaltsanspruches bis zu dessen faktischen Ruhen kommen könne, es aber nicht vom Zufall abhängen dürfe, ob bei Tod des unterhaltsverpflichteten Versicherten der Unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte einen Pensionsanspruch erlange oder nicht. Bei schwankendem Einkommen und unterbrochenen Unterhaltsleistungen wäre es daher nach Ansicht der Klägerin angebracht, zur Klärung der Frage, ob im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestanden hat, den Durchschnitt des Einkommens des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Bei Heranziehung dieses Zeitraumes könne nicht bezweifelt werden, dass die Klägerin einen aufrechten Unterhaltsanspruch gehabt habe und auch Unterhalt bezogen habe.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass, wie bereits dargelegt, nach dem Gesetzeswortlaut der Anspruch auf Witwenpension nach § 258 Abs 4 ASVG davon abhängig ist, ob der Versicherte im Zeitpunkt des Todes Unterhalt zu leisten hatte. Nach der Rechtsprechung kommt es daher auf die Verhältnisse zur Zeit des Todes des Versicherten an (SSV-NF 3/121 ua). Voraussetzung für den Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Witwenpension ist aber nicht nur, dass die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der taxativ aufgezählten Rechtstitel dem Grunde nach feststeht, sondern es muss aus diesem Rechtstitel auch die (monatliche) Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sein (SSV-NF 8/40; 7/114 uva). Gemäß § 264 Abs 8 ASVG darf die Witwenpension nach § 258 Abs 4 lit a bis c den gegen den Versicherten zur Zeit seines Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalles für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 Abs 4) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der Anspruchsberechtigten nach dem Versicherten gemäß § 215 Abs 3 gebührende Witwenrente, nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhalts (Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluss des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. Da dieser Bestimmung nicht zu entnehmen ist, aus welchem Zeitraum der für das Ausmaß der Witwenpension maßgebende Unterhaltsanspruch heranzuziehen ist, hat der erkennende Senat in der Entscheidung SSV-NF 3/113 bereits ausgesprochen, dass es dabei zwar grundsätzlich auf den Unterhaltsanspruch des Monats ankommen wird, in dem der Versicherte verstorben ist, jedoch ein längerer Zeitraum zu berücksichtigen sein wird, wenn die Heranziehung des Unterhaltsanspruches für den Monat, in den der Tod des Versicherten fällt, zu einem atypischen und daher sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnis führen würde (beispielsweise bei starken Einkommensschwankungen), wobei im Allgemeinen der Zeitraum eines Jahres in Betracht kommen wird. Diese Ausführungen betreffen jedoch das Ausmaß der Witwenpension und nicht die hier vorrangig strittige Frage der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen.

In dieser strittigen Frage räumt die Klägerin selbst ein, dass seit Bestehen ihres Beschäftigungsverhältnisses (April 1996) ihr vertraglicher Unterhaltsanspruch - unabhängig von allfälligen Einkommensschwankungen - faktisch immer geruht hat und somit eine Unterhaltsschuld des Versicherten in diesem Zeitraum bis zu seinem Tod am 27. 1. 1997 nicht bestanden hat. Es kann daher, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, von einer bloß kurzfristigen oder nur vorübergehenden Berufstätigkeit der Klägerin, die zu einem Härtefall führen könnte, nicht ausgegangen werden. Selbst wenn man aber im Sinne der deutschen Judikatur sowie der Ausführungen von Binder in Harrer/Zitta, Familie und Recht, Die Problematik der Geschiedenen - Pensionsregelung, 669 ff [686 f]) davon ausginge, dass Zufälligkeiten im Zeitpunkt des Todes des Versicherten für die langfristige Pensionsleistung nicht bestimmend sein sollen, wäre nach dieser Ansicht für die Klägerin nichts gewonnen, weil es sich bei der seit April 1996 bestehenden Situation (Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin) um den "letzten wirtschaftlichen Dauerzustand" handeln würde bzw das Ruhen des Unterhaltsanspruches der Klägerin keine Veränderung erfahren hätte, wenn der Ehegatte der Klägerin noch am Leben wäre (vgl Binder aaO mwN).

Dass der erkennende Senat gegen die Anwendung des § 258 Abs 4 ASVG aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit insbesondere im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz keine Bedenken hat, wurde bereits in vielen Entscheidungen dargelegt (SSV-NF 9/25 mwN ua; RIS-Justiz RS0085155). Auch die Revisionsausführungen können solche Bedenken nicht hervorrufen. Deshalb war der Antrag der Klägerin, beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B-VG die Aufhebung des § 258 Abs 4 ASVG zu beantragen, zurückzuweisen (vgl SSV-NF 8/88; 4/153 uva).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.

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