European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00131.19S.0416.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Salzburger Gebietskrankenkasse war gemäß § 23 Abs 1 und § 538t Abs 1 ASVG von Amts wegen auf Österreichische Gesundheitskasse zu berichtigen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten, die er im Zeitraum von 13. 2. 2015 bis 2. 8. 2018 für die dreimal wöchentliche Verabreichung der Medikamente Minprog 20 mcg Einwegspritzen, Alprostadil 20 mcg und anderer gleichartiger Medikamente in Höhe von 9.984 EUR aufgewendet habe sowie – hilfsweise – auf Feststellung, dass die Beklagte für den Zeitraum von 13. 2. 2015 bis 13. 3. 2017 dem Grunde nach zum Ersatz der Kosten für die dreimal wöchentliche Behandlung mittels Minprog 20 mcg Einwegspritzen, Alprostadil 20 mcg oder eines wirkungsgleichen Medikaments im gesetzlichen Umfang verpflichtet sei.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Nach den bindenden und insofern unangefochtenen Feststellungen hat die Salzburger Gebietskrankenkasse in den Jahren 1986 bis 2002 die Kosten einer SKAT‑Therapie mit den Medikamenten Caverject Dual 20 mcg und Minprog zur Behandlung einer beim Kläger infolge seiner Grunderkrankung bestehenden erektilen Dysfunktion getragen. Im Jahr 2002 teilte eine Vertrauensärztin der Gebietskrankenkasse dem Kläger mit, dass die Gebietskrankenkasse die Kosten dieser Therapie nicht mehr tragen werde. Der Kläger hat sich seit Erhalt dieser Auskunft nicht mehr um eine ärztliche Verschreibung dieser Medikamente bemüht, sondern die von ihm zur SKAT‑Therapie jeweils benötigten Medikamente ohne ärztliche Verordnung auf eigene Kosten erworben.
1.2 Ausgehend davon haben die Vorinstanzen das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass ein Heilmitteleinsatz im Sinn des § 136 ASVG schon mangels Vorliegens einer ärztlichen Verordnung nicht vorliege. Eine Korrekturbedürftigkeit dieser Rechtsansicht zeigt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht auf:
2.1 Der Umstand, dass zu einer bestimmten Fallgestaltung keine Rechtsprechung vorliegen mag, wirft dann keine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656).
2.2 Aus dem Versicherungsfall der Krankheit (§ 116 Abs 1 Z 2 ASVG) leitet sich gemäß § 117 Z 1 ASVG ein Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung ab. Dieser umfasst gemäß § 133 Abs 1 Z 2 ASVG auch Heilmittel und besteht gemäß § 120 ASVG ab Beginn der Krankheit. Heilmittel umfassen gemäß § 136 Abs 1 ASVG die notwendigen Arzneien (lit a) und die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolgs dienen (lit b).
2.3 Die Kosten der Heilmittel werden gemäß § 136 Abs 2 ASVG vom Träger der Krankenversicherung durch Abrechnung mit den Apotheken übernommen. Heilmittel dürfen auf Rechnung der Krankenversicherungsträger von Apothekern und Hausapotheken aber nur unter bestimmten Voraussetzungen abgegeben werden (§ 350 Abs 1 ASVG). Insbesondere dürfen Heilmittel für Rechnung der Krankenversicherungsträger nur dann abgegeben werden, wenn sie auf einem Kassenrezept von einem Vertragsarzt verschrieben oder – bei Wahlarztverschreibungen – vom Krankenversicherungsträger zur Zahlung übernommen werden, wobei die Einhaltung der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise geprüft wird (10 ObS 104/12k SSV‑NF 26/72 = DRdA 2013/33, 331 [Rebhahn]; siehe auch 10 ObS 77/17x SSV‑NF 31/53).
2.4 Die darauf beruhende Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Heilmitteleinsatz ohne ärztliche Verordnung auch dann keine Krankenbehandlung darstellt, wenn sie erfolgreich war, steht mit dieser Rechtslage und der darauf beruhenden Rechtsprechung, die in der Lehre Zustimmung gefunden hat, in Einklang (10 ObS 62/94 SSV‑NF 10/126, RS0106404; Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRdA 2015, 476 [478]; Schober in Sonntag, ASVG10 § 133 Rz 12; § 136 Rz 8; Rebhahn/Schrattbauer, SV‑Komm [227. Lfg] § 136 ASVG Rz 12). Auch in der Entscheidung 10 ObS 63/13g SSV‑NF 27/51 = DRdA 2014/17, 225 [Resch] hat der Oberste Gerichtshof entgegen der Rechtsansicht des Versicherten ausgeführt, dass Therapien zur Behandlung von Krankheiten nur dann auf Kosten der Versichertengemeinschaft erbracht werden, wenn sie von einem Arzt durchgeführt werden. Eine Selbstmedikation, wie sie der Kläger im hier zu behandelnden Zeitraum vorgenommen hat, kann daher nicht als Krankenbehandlung im Sinne des Gesetzes angesehen werden, sie ist nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung umfasst (10 ObS 62/94 SSV‑NF 10/126, RS0106405). Daran ändert der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass er nur eine Therapie „fortgesetzt“ habe, die ihm über 16 Jahre lang von der Gebietskrankenkasse bewilligt worden sei, nichts.
3.1 Im Jahr 2017 beantragte der Kläger bei der Salzburger Gebietskrankenkasse die Übernahme für die Kosten für Caverject Dual 20 mcg zur Behandlung der erektilen Dysfunktion. Diesen Antrag lehnte die Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 14. 3. 2017 ab, der vom Kläger im Vorverfahren des Erstgerichts zu 20 Cgs 20/17i bekämpft wurde. Mit rechtskräftigem Urteil vom 24. 5. 2018 wies das Erstgericht im Vorverfahren das Klagebegehren auf Übernahme der Kosten für Caverject Dual 20 mcg Ampullen zur Behandlung der psychischen Erkrankung des Klägers für drei Anwendungen pro Woche ab Klageeinbringung ab. Es stellte hingegen fest, dass der Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme für das Medikament Alprostadil 20 mcg für drei Anwendungen pro Woche zu Recht besteht.
3.2 Der Revisionswerber macht geltend, dass die rechtskräftige Feststellung des Vorverfahrens ausreiche, um die nunmehr begehrte Kostenerstattung zumindest ab dem Tag der Klageeinbringung im Vorverfahren (14. 3. 2017) zu rechtfertigen. Das Fehlen einer ärztlichen Verordnung könne daher insofern nicht eingewendet werden.
3.3 Auch Heilmittel sollen von der Krankenversicherung grundsätzlich als Sachleistung erbracht werden (§ 136 Abs 2 ASVG). Es besteht jedoch kein durchsetzbarer Anspruch auf Gewährung von Sachleistungen in der Krankenversicherung (RS0111541). Hat der Versicherte das Heilmittel nicht bereits bezogen, ist also noch keine Leistungsklage auf Kostenerstattung möglich, so ist die Klage auf Feststellung der Pflicht des Krankenversicherungsträgers zur Kostenübernahme zulässig (10 ObS 21/10a SSV‑NF 24/19; RS0111541). Es trifft grundsätzlich auch zu, dass die in einem solchen Verfahren getroffene Feststellung für ein Folgeverfahren auf Kostenerstattung bei unveränderter Sach‑ und Rechtslage bindend ist (10 ObS 21/10a). Dies ändert jedoch nichts an der Erforderlichkeit der ärztlichen Verordnung zum Erhalt des Heilmittels (vgl etwa den Spruch der Entscheidung 10 ObS 62/89 SSV‑NF 3/68, „entsprechend künftiger Rezeptierung“), an der es hier jedoch fehlt.
3.4 Im Übrigen zieht die außerordentliche Revision die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es für das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren am Feststellungsinteresse mangle, weil bereits eine Leistungsklage möglich ist, nicht in Zweifel.
4. Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, der Einwand der Beklagten, der Kläger hätte vor Kauf der Heilmittel ärztliche Verordnungen einholen müssen, sei rechtsmissbräuchlich, weil die Einholung einer ärztlichen Verordnung nach 16‑jähriger Therapie eine reine Formalität gewesen wäre, verstößt gegen das in Sozialrechtssachen ausnahmslos geltende Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO; RS0042049), sodass schon deshalb nicht weiter darauf einzugehen ist.
5. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
6. Der vom Kläger ausdrücklich auch für den Fall seines Unterliegens im Revisionsverfahren begehrte Zuspruch der Verfahrenskosten kommt nicht in Betracht, weil ein ausnahmsweiser Kostenzuspruch nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) zur Voraussetzung hat, dass sowohl tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen als auch die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenzuspruch nahelegen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens sind im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht gegeben (10 ObS 76/15x SSV‑NF 29/46 mwH).
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