Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der bestätigten und in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für die Inanspruchnahme von Leistungen des Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie Dr. M***** T***** laut Honorarnoten vom 24. 3. 2009, 10. 3. 2009, 9. 12. 2008 und vom 11. 11. 2008 Kosten in Höhe von insgesamt 271,10 EUR binnen 14 Tagen zu erstatten.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei für die Inanspruchnahme von
a) Leistungen des Dr. M***** T***** laut den unter Punkt 1. angeführten Honorarnoten weitere Kosten in Höhe von 393,90 EUR und
b) pyhsikalischen Behandlungen in Bad Deutsch‑Altenburg laut Rechnung der Kurzentrum L***** GmbH vom 1. 9. 2009 Kosten in Höhe von 588 EUR zu erstatten, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 588,48 EUR (darin enthalten 96,08 EUR USt und 12 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 461,67 EUR (darin enthalten 76,95 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 4. 9. 1931 geborene Kläger leidet an einer senilen Makuladegeneration. Es handelt sich dabei um eine Alterskrankheit, die das zentrale Sehen betrifft. Das linke Auge des Klägers ist aufgrund dieses Leidens praktisch erblindet. Der Kläger wurde deshalb in verschiedenen Krankenhäusern untersucht und behandelt. Im Donauspital wurde er mit dem Präparat „Lucentis“ behandelt.
Nunmehr steht der Kläger beim Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie Dr. M***** T***** in Behandlung. Dr. T***** ist Vertragsarzt der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse; er führt keine Hausapotheke. Er stellte dem Kläger mit Honorarnote vom 11. 11. 2008 45 EUR, mit Honorarnote vom 9. 12. 2008 45 EUR und mit Honorarnote vom 10. 3. 2009 55 EUR jeweils für eine Netzhaut‑Kohärenztomographie in Rechnung. Diese Leistungen waren medizinisch unbedingt erforderlich. Es handelt sich dabei allerdings um keine Vertragsleistung der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde.
Am 24. 3. 2009 behandelte Dr. T***** den Kläger mit dem Präparat „Avastin asept. 1,25 mg/0,05 ml“ sowie „Okacin Augentropfen“ und stellte dafür dem Kläger mit Honorarnote vom 24. 3. 2009 335 EUR in Rechnung. Es handelt sich dabei um keine Vertragsleistungen der beklagten Partei bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde. Eine Verordnung liegt dazu nicht vor. Um eine Bewilligung wurde beim chef‑ und kontrollärztlichen Dienst der beklagten Partei nicht angesucht. Dr. T***** bezog die Präparate „Avastin“ und „Okacin Augentropfen“ direkt bei einer Apotheke. Die intravitreale Injektion mit dem Präparat „Avastin“ wurde dem Kläger in der Ordination des Dr. T***** in das rechte Auge verabreicht. Nach Behandlung eines, maximal zweier weiterer Patienten mit dem Präparat „Avastin“ hat Dr. T***** den Rest, der in der Durchstechflasche/Ampulle verblieb, verworfen. Dr. T***** verfügt über die nötige spezielle Fachausbildung, um den Eingriff qualifiziert durchführen zu können.
Bei diesem Eingriff wird mit der Nadel direkt in das Auge gestochen, um das Arzneimittel an Ort und Stelle zu platzieren. Dies stellt einen operativen chirurgischen massiven und schwierigen Eingriff dar, der unter sterilen Verhältnissen erfolgen muss. Diese Verhältnisse können bei entsprechenden Einrichtungen sowohl im Anstaltsbereich als auch im niedergelassenen Bereich vorliegen. Die intravitreale Injektion wird unter Lokalanästhesie durchgeführt. Das Lokalanästhetikum verursacht Kosten in vernachlässigbarer Höhe. Der Eingriff selbst dauert einige Minuten, ist jedoch für den Patienten unangenehm. Dann wird das Auge fester verbunden und der Patient kann nach Hause gehen. Der Eingriff kann ambulant durchgeführt werden und bedarf keiner Aufnahme in eine Krankenanstalt. Es gibt keine in der Satzung der beklagten Partei vergleichbare gesondert zu honorierende Einzelleistung, da dieser Eingriff mit keiner sonstigen Injektion vergleichbar ist.
Der Kläger leidet auch an Nacken‑ und Kreuzschmerzen mit Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Mit Verordnung des Facharztes für Orthopädie Dr. F***** H***** vom 5. 8. 2009 wurde der Kläger für physikalische Behandlungen überwiesen. Diese Behandlungen des Klägers im Kurzentrum L***** waren für eine Linderung der chronischen Beschwerden seines Bewegungsapparats medizinisch notwendig und zweckmäßig. Die Kurzentrum L***** GmbH stellte dem Kläger für die Inanspruchnahme der physikalischen Behandlungen mit Rechnung vom 1. 9. 2009 einen Betrag von 588 EUR in Rechnung, welchen der Kläger bezahlte.
Mit Bescheid der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse vom 5. 1. 2010 wurde der Antrag des Klägers auf Kostenerstattung für
1. das Präparat „Avastin asept. 1,25 mg/0,05 ml“ sowie „Okacin Augentropfen“ laut Honorarnote Nr 20090000058 des Facharztes Dr. M***** T***** vom 24. 3. 2009 über 335 EUR,
2. eine intravitreale Injektion laut der Honoarnote Nr 20090001252 des Facharztes Dr. M***** T***** vom 24. 3. 2009 über 185 EUR,
3. eine Netzhaut‑Kohärenztomographie laut der Honorarnote Nr 20090001197 des Facharztes Dr. M***** T***** vom 10. 3. 2009 über 55 EUR,
4. eine Netzhaut‑Kohärenztomographie laut der Honorarnote Nr 20080000990 des Facharztes Dr. M***** T***** vom 9. 12. 2008 über 45 EUR,
5. eine Netzhaut‑Kohärenztomographie laut der Honorarnote Nr 20080000899 des Facharztes Dr. M***** T***** vom 11. 11. 2008 über 45 EUR und
6. die Inanspruchnahme physikalischer Behandlungen in Bad Deutsch‑Altenburg laut Rechnung Nr 290629 der Kurzentrum L***** GmbH vom 1. 9. 2009 über 588 EUR abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm die oben angeführten Kosten in der Gesamthöhe von 1.253 EUR zu erstatten.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, sowohl Dr. T***** als auch die Kurzentrum L***** GmbH seien Vertragspartner der beklagten Partei, sodass Behandlungen im Rahmen der Sachleistungsgewährung direkt zwischen diesen und der beklagten Partei verrechnet würden. Aus § 29 Abs 2 der Krankenordnung 2007 der beklagten Partei ergebe sich eindeutig, dass die Kosten nicht erstattet würden, wenn der Anspruchsberechtigte einen Vertragsarzt oder eine Vertragseinrichtung in Anspruch genommen habe.
Zu der Inanspruchnahme von Leistungen des Dr. T***** wurde von der beklagten Partei weiters vorgebracht, das Präparat „Avastin“ sei rezeptpflichtig; ein entsprechendes Rezept liege jedoch nicht vor. Die Vorlage eines gültigen Rezeptes bilde überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass eine Erbringung als Sachleistung oder auch eine allfällige Kostenerstattung erfolgen könne. Die beklagte Partei dürfe die Kosten der Heilmittel ausschließlich durch Abrechnung mit den Apotheken übernehmen. Eine Kostenübernahme durch Abrechnung mit Vertragspartnern im niedergelassenen Bereich könne nur erfolgen, wenn diese zur Führung einer Hausapotheke berechtigt seien, was bei Dr. T***** nicht der Fall sei. Außerdem fehlten die für eine Kostenübernahme von Heilmitteln unbedingt erforderlichen Verordnungen des behandelnden Arztes. Darüber hinaus sei § 6 Abs 1 Z 2 der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen nicht eingehalten worden, da vor Beginn der Behandlung keine Bewilligung des chef‑ oder kontrollärztlichen Dienstes der beklagten Partei erteilt worden sei.
Darüber hinaus sei das Präparat „Avastin“ für die beim Kläger durchgeführten intravitrealen Injektionen nicht zugelassen. Da dieses Präparat somit als „off‑label‑use“ verabreicht worden sei, hätte für die Möglichkeit einer Kostenerstattung bereits zuvor vom Behandler gemäß § 350 Abs 3 ASVG um eine ärztliche Bewilligung durch den chef‑ und kontrollärztlichen Dienst der beklagten Partei angesucht werden müssen. Erst die Verweigerung der Genehmigung durch den Chefarzt wäre über eine Bescheidklage des Versicherten gerichtlich überprüfbar gewesen.
Das Präparat „Avastin“ sei auch nicht im Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger enthalten, sondern gehöre zu jenen Arzneimitteln, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung iSd § 133 Abs 2 ASVG geeignet seien, weil sie ausschließlich zur Behandlung in Krankenanstalten verwendbar seien. Die entsprechende Behandlung der Makuladegeneration könne von der beklagten Partei in Wien flächendeckend im Rahmen der Sachleistungsgewährung sowohl in Form der Anstaltspflege in den Vertragskrankenanstalten als auch in den Vertragsspitalsambulanzen erbracht werden. Die Injektion von Präparaten wie „Avastin“ bzw „Lucentis“ bei entsprechenden Augenleiden werde von der beklagten Partei im spitalsambulanten Bereich angeboten, zumal nur in den ständig frequentierten Spitalsambulanzen eine optimale Verwendung des Präparats gewährleistet sei. Eine Ausweitung dieser Behandlung auch auf den niedergelassenen Bereich sei derzeit nicht angezeigt bzw zweckmäßig.
Die Leistung „intravitreale Injektion“ sei im Tarif der Fachärzte für Augenheilkunde und Optometrie nicht enthalten.
Eine Kostenerstattung der Rechnung der Kurzentrum L***** GmbH scheide aus, weil es sich dabei um einen Vertragspartner der beklagten Partei handle und darüber hinaus vom Kläger diesbezüglich weder eine entsprechende ärztliche Verordnung vorgelegt noch die erforderliche chefärztliche Bewilligung vor Beginn dieser Behandlungen bei der beklagten Partei eingeholt worden sei.
Der Kläger hielt diesem Vorbringen im Wesentlichen entgegen, das verwendete Präparat „Avastin“ habe sich als wirksam erwiesen. Die Behandlung mit diesem Präparat sei gegenüber einer Behandlung mit dem Präparat „Lucentis“ jedenfalls kostengünstiger. Die Notwendigkeit der Behandlung der Augenerkrankung des Klägers in der Ordination des Dr. T***** habe sich aus der Dringlichkeit der Behandlung ergeben, da das linke Auge des Klägers bereits erblindet sei und das rechte Auge einer dringenden Behandlung bedurft habe. Aufgrund dieses Umstands und des besonderen Vertrauensverhältnisses des Klägers zum Facharzt Dr. T***** sei die Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz nicht zumutbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf über die bereits eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus noch folgende weitere Feststellungen:
In den Spitalsambulanzen wird als übliche Behandlung sowohl die Verabreichung mit dem Präparat „Avastin“ als auch mit dem Präparat „Lucentis“ angeboten. Es ist dies „State of the Art“. Bei der Makuladegeneration gibt es nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine andere geeignetere Behandlungsmethode als entweder mit dem Präparat „Avastin“ oder mit dem Präparat „Lucentis“. Die Behandlung des Klägers mit einem dieser Präparate war medizinisch notwendig. Die Behandlung mit dem Präparat „Avastin“ am 24. 3. 2009 war beim Kläger erfolgreich. Es lag beim Kläger kein akuter Notfall vor. Der Kläger hätte aus medizinischer Sicht von der Dringlichkeit und der Zeit her auch in ein Krankenhaus zur Behandlung gehen können. In der Ordination des Dr. T***** hielt sich der Kläger zwecks Durchführung des Eingriffs insgesamt eine Dreiviertelstunde auf. Im Spital musste der Kläger früher bei Durchführung des Eingriffs, bei dem ihm das Präparat „Lucentis“ verabreicht worden war, mehrere Stunden bis hin zu einem ganzen Tag verbringen.
Bei dem Präparat „Avastin“ handelt es sich um ein Arzneimittel, das noch immer in klinischer Erprobung bei der Behandlung von Makulaerkrankungen steht und nicht im Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger enthalten ist. Das Präparat „Avastin“ ist seit etwa 2004 als Zusatz zur Chemotherapie bei Patienten mit Dickdarmkrebs zugelassen und wirkt auf den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor. Dies ist ein wichtiger Auslöser für krankhafte Gefäßveränderungen. Durch die Gabe des Präparats „Avastin“ kann ein krankhaftes Gefäßwachstum gehemmt werden bzw verlieren die krankhaften Gefäße ihre Undichtheit, was davon ausgehend zu einer Abnahme des Ödems in der Netzhaut und damit zu einer Verbesserung der Netzhaut führt. Von den Risiken ist ein gewisses Auslösen von Entzündungen vorherrschend. Pro Behandlung mit dem Präparat „Avastin“ werden 0,05 ml benötigt. Die derzeit kleinste am Markt erhältliche Packungseinheit für das Präparat „Avastin“ enthält in Form eines Konzentrats 25 mg/ml, somit 4 ml. Es besteht eine geringe Haltbarkeitsdauer von nur wenigen Tagen. Der Fabriks‑/Depotabgabepreis beträgt 368 EUR; der Apotheken‑Einkaufspreis 398,52 EUR; der Kassenpreis 414,05 EUR und der Apotheken‑Verkaufspreis 567,15 EUR.
Eine Behandlung des Klägers hätte auch mit dem Präparat „Lucentis“ erfolgen können. Es handelt sich dabei um ein bereits zugelassenes Arzneimittel, das ebenfalls nicht im Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger enthalten ist. Die Kosten des Präparats „Lucentis“ sind etwa sechs Mal so hoch wie die Kosten für das Präparat „Avastin“. Beim Präparat „Lucentis“ sind Nebenwirkungen weitestgehend ausgeschlossen. Die entsprechende Behandlung der Makuladegeneration kann von der beklagten Partei in Wien flächendeckend im Rahmen der Sachleistungsgewährung sowohl in Form der Anstaltspflege in den Vertragskrankenanstalten als auch in den Vertragsspitalambulanzen erbracht werden.
„Okacin Augentropfen“ werden in der Packungseinheit von 5 ml vertrieben und kosten im Handel rund 15 EUR.
In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seine Entscheidung im Ergebnis damit, dass gemäß § 29 Abs 2 der Krankenordnung der beklagten Partei Kosten nicht erstattet würden, wenn der Anspruchsberechtigte einen Vertragsarzt, eine Vertrags‑Gruppenpraxis (eine Vertragseinrichtung, einen anderen Vertragspartner) in Anspruch genommen habe. Bei den von Dr. T***** und von der Kurzentrum L***** GmbH erbrachten und verrechneten Leistungen handle es sich um Leistungen des Gesamtvertrags und somit um Leistungen, die zwischen einem Vertragsarzt und der beklagten Partei direkt abgerechnet würden. Da der Kläger einen Vertragsarzt und eine Vertragseinrichtung in Anspruch genommen habe, bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung im Ausmaß von 80 %.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger eine Kostenerstattung in Höhe von 597,44 EUR zu leisten und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von 655,56 EUR unbekämpft ab. Es vertrat in seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung ‑ zusammengefasst ‑ die Ansicht, die beim Kläger vorgenommene medizinische Behandlung, nämlich die intravitreale Injektion von „Avastin“, die Verwendung von „Okacin Augentropfen“ sowie die beim Kläger durchgeführten Netzhaut‑Kohärenztomographien, stelle eine notwendige und zweckmäßige Krankenbehandlung iSd § 133 Abs 2 ASVG dar. Nach der Rechtsprechung dürfe die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden, sondern es müsse vielmehr das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die festgestellten Umstände des Einzelfalls und des Grundsatzes der freien Arztwahl gereiche diese für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung gebotene Interessenabwägung im vorliegenden Fall zum Nachteil der beklagten Partei, da die Mehrkosten der in der Ordination des Dr. T***** vorgenommenen Behandlung des Klägers nicht als unverhältnismäßig hoch angesehen werden könnten.
Soweit sich die beklagte Partei darauf berufe, dass die Arzneispezialität „Avastin“ außerhalb seiner Zulassung verwendet werde und im Erstattungskodex nicht angeführt sei, werde auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwiesen, wonach auch der Erstattungskodex ‑ so wie früher das Heilmittelverzeichnis ‑ den Anspruch des Versicherten auf die für eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht einschränken dürfe. Ebenso entspreche es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Verwendung von Heilmethoden oder Heilmitteln, welche in den Honorarordnungen oder Richtlinien nicht enthalten seien, etwa weil es sich um wissenschaftlich noch nicht gesicherte Heilmethoden oder Heilmitteln handle, nicht bedeute, dass dem Versicherten ein Kostenersatz keinesfalls zustehe.
Wenn die beklagte Partei meine, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil er eine vorherige chef‑ bzw kontrollärztliche Bewilligung nicht eingeholt habe, sei ihr entgegenzuhalten, dass der Versicherte nach herrschender Auffassung nach dem Gesetz gegenüber dem Krankenversicherungsträger Anspruch auf die notwendige Heilbehandlung habe und eine vorherige chef‑ oder kontrollärztliche Bewilligung im Gesetz nicht vorgesehen sei. Mit diesem gesetzlichen Anspruch des Versicherten auf Gewährung der notwendigen ärztlichen Behandlung gegen Vorlage eines Krankenscheins seien vertragliche Regelungen unvereinbar, welche die Gewährung der erforderlichen ärztlichen Hilfe ‑ bei sonstigem Verlust des Kostenersatzanspruchs des die Behandlung vornehmenden Vertragspartners ‑ an die vorherige Zustimmung des Chefarztes oder Kontrollarztes des Krankenversicherungsträgers binden. Auch die weitere Rechtsansicht der beklagten Partei, eine Erstattungsfähigkeit des verabreichten Präparats „Avastin“ sei nur möglich, wenn zuvor bereits vom Behandler gemäß § 350 Abs 3 ASVG um eine ärztliche Bewilligung durch den chef‑ oder kontrollärztlichen Dienst der beklagten Partei angesucht worden sei, und erst die Verweigerung der Genehmigung durch den Chefarzt wäre über eine Bescheidklage des Versicherten gerichtlich überprüfbar, sei nicht zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs könne der Versicherte, der sich die gewünschte Gesundheitsleistung selbst am Markt besorgt habe, vom Krankenversicherungsträger Kostenerstattung verlangen. Eine Leistungsklage auf Kostenerstattung setze allerdings voraus, dass die Kosten vorher vom Versicherten getragen worden seien. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt.
Auch der Umstand, dass der vom Kläger in Anspruch genommene Facharzt Dr. T***** ein Vertragsarzt der beklagten Partei sei, spreche nicht gegen die Berechtigung des Leistungsbegehrens des Klägers. Ein Versicherter dürfe nämlich einen Vertragsarzt privat in Anspruch nehmen und habe Anspruch auf spätere Kostenerstattung, wenn es sich um gleichsam „neue“ Leistungen handle, die erst nach der Schaffung des Gesamtvertrags medizinischer Standard geworden seien und die der Vertragsarzt daher auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers nicht erbringen dürfe (sog „kassenfreier Raum“). Bei der Behandlung des Klägers mit den Präparaten „Avastin“ und „Okacin Augentropfen“ sowie bei den beim Kläger durchgeführten Netzhaut‑Kohärenztomographien habe es sich um keine Vertragsleistungen der beklagten Partei bei niedergelassenen Fachärzten für Augenheilkunde gehandelt. Dass diese Behandlungen nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung anderen Ärzten oder Vertragseinrichtungen der beklagten Partei vorbehalten seien, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Der Kläger habe somit den Vertragsarzt der beklagten Partei Dr. T***** hinsichtlich dieser (außervertraglichen) Leistungen „privat“ in Anspruch genommen, weshalb er im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum sogenannten „kassenfreien Raum“ Anspruch auf nachträgliche Kostenerstattung habe.
Bei der Ermittlung der Höhe des Erstattungsanspruchs des Klägers sei davon auszugehen, dass dem Kläger 80 % der Kosten für die durchgeführte intravitreale Injektion von 185 EUR, somit 148 EUR, und des Kassenpreises des Präparats „Avastin“ von 414,05 EUR, somit 331,24 EUR, zustehe, wobei von letzterem jedoch die vom Kläger zu tragende Rezeptgebühr in der damaligen Höhe von 4,90 EUR abzuziehen sei. Bei der Ermittlung des Erstattungsbetrags hinsichtlich des Präparats „Okacin Augentropfen“ sei von der vom Erstgericht getroffenen (und von den Parteien nicht bekämpften) Feststellung auszugehen, wonach dieses Präparat rund 15 EUR koste. Demnach habe der Kläger einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der „Okacin Augentropfen“ in Höhe von 80 % von 15 EUR, somit 12 EUR, abzüglich der von ihm zu tragenden Rezeptgebühr in der damaligen Höhe von 4,90 EUR. Der Erstattungsbetrag hinsichtlich der Präparate „Avastin“ und „Okacin Augentropfen“ betrage daher insgesamt 481,44 EUR.
Der Kläger habe weiters Anspruch auf Erstattung von 80 % der Kosten der bei ihm durchgeführten Netzhaut‑Kohärenztomographien, deren Höhe von der beklagten Partei nicht beanstandet worden sei. Dies ergebe somit bezüglich der Honorarnoten vom 9. 12. 2008 und 11. 11. 2008 einen Betrag von jeweils 36 EUR und bezüglich der Honorarnote vom 10. 3. 2009 einen Betrag von 44 EUR.
Der Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der ärztlichen Leistungen des Dr. T***** betrage daher insgesamt 597,44 EUR, während das Mehrbegehren des Klägers von 67,56 EUR aus diesem Titel nicht berechtigt sei.
Der vom Kläger für die Inanspruchnahme physikalischer Behandlungen in Bad Deutsch‑Altenburg weiters geltend gemachte Erstattungsbetrag von 588 EUR sei nicht berechtigt, weil die Kurzentrum L***** GmbH Vertragspartner der beklagten Partei sei und es sich bei den von der Kurzentrum L***** GmbH erbrachten und verrechneten Leistungen um Leistungen des Gesamtvertrags handle, welche zwischen den Vertragspartnern direkt abgerechnet werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es bei seiner Entscheidung der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei und eine Entscheidung im Einzelfall vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die für eine Kostenerstattung für Heilmittel nach der Krankenordnung 2007 der beklagten Partei erforderlichen Voraussetzungen nicht berücksichtigt hat. Sie ist teilweise auch berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrer Revision im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe bei seiner Entscheidung die ex‑ante erforderliche chef‑ bzw kontrollärztliche Genehmigungspflicht für Heilmittel (hier: Präparat „Avastin“) einerseits und die chef‑ bzw kontrollärztliche Bewilligung betreffend ärztliche Hilfe (hier: die Verabreichung des erwähnten Präparats mittels einer intravitrealen Injektion) andererseits vermengt. Die Verpflichtung einer chef‑ bzw kontrollärztlichen Bewilligung von Heilmitteln, die im Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht angeführt seien, ergebe sich nicht aus einer vertraglichen Regelung, sondern sei gesetzlich verankert. So habe das Berufungsgericht selbst darauf hingewiesen, dass alle Heilmittel mit Ausnahme jener, die im Erstattungskodex angeführt seien (gemeint wohl: im grünen Bereich des Erstattungskodex angeführt seien bzw Heilmittel, die im gelben Bereich angeführt seien und einer entsprechenden Dokumentation unterliegen), nach § 350 ASVG einer ex‑ante‑chefärztlichen Genehmigung unterliegen und der Versicherte die Verweigerung der Erteilung der Genehmigung über eine Bescheidklage gerichtlich überprüfen lassen könne. Darüber hinaus seien nach § 31 Abs 5 Z 13 ASVG Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen durch den Hauptverband aufzustellen, die für die Vertragspartner verbindlich seien. Nach § 6 Abs 1 Z 2 dieser Richtlinien sei die Voraussetzung für die Erteilung einer ärztlichen Bewilligung des chef‑ oder kontrollärztlichen Dienstes für die Verschreibung eines Heilmittels grundsätzlich das Vorliegen einer Zulassung in Österreich sowie dessen Anführung im Erstattungskodex des Hauptverbands. Die Bewilligung sei darüber hinaus bei Verschreibung eines nicht im Erstattungskodex angeführten Heilmittels zu erteilen, wenn die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig sei und deshalb eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zur Krankenbehandlung überhaupt nicht zur Verfügung stehe. Es könne somit nicht gesagt werden, dass eine vorherige chef‑ bzw kontrollärztliche Bewilligung im Gesetz nicht vorgesehen sei. Es sei daher im gegenständlichen Fall vor der Verabreichung des Präparats „Avastin“ eine chef‑ bzw kontrollärztliche Bewilligung ‑ entweder durch den Kläger selbst oder durch den behandelnden Arzt ‑ einzuholen gewesen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Klagebegehren nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht habe bei seiner Entscheidung auch die Regelung des § 33 der Krankenordnung der beklagten Partei nicht beachtet. Da der behandelnde Arzt hier als Wahlarzt agiert habe und das Präparat „Avastin“ im Erstattungskodex nicht enthalten sei, sei dieses mit einem Privatrezept zu verordnen gewesen. Bezüglich der Kostenerstattung für Privatrezepte normiere § 33 der Krankenordnung der beklagten Partei, dass die Kasse dem Anspruchsberechtigten die Kosten des bezahlten Heilmittels, welches mit Privatrezept verordnet, jedoch einem Kassenrezept nicht gleichgestellt worden sei, nur dann erstatte, wenn die Verordnung nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen zulässig sei und die saldierte Originalhonorarnote der Kasse übergeben werde. Das Beweisverfahren habe jedoch ergeben, dass weder eine Verordnung bzw ein Privatrezept betreffend das Präparat „Avastin“ noch eine saldierte Rechnung, aus der der Bezug des gegenständlichen Präparats von einer Apotheke iSd § 136 Abs 2 ASVG ersichtlich wäre, vorliege. Auch aus diesem Grund sei das Klagebegehren nicht berechtigt.
Schließlich macht die beklagte Partei noch geltend, das Berufungsgericht habe für die Ermittlung der Höhe des Erstattungsanspruchs des Klägers die im Parallelverfahren 10 Rs 170/11k des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen festgestellten Kosten für die durchgeführte intravitreale Injektion in Höhe von 185 EUR und den Kassenpreis des Präparats „Avastin“ von 414,05 EUR herangezogen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum das Berufungsgericht nicht auch den im Parallelverfahren festgestellten Preis für das Präparat „Okacin Augentropfen“ herangezogen habe. Dieses Präparat befinde sich nach den Feststellungen im Parallelverfahren im grünen Bereich des Erstattungskodex und koste 3,55 EUR. Daher seien für dieses Präparat unter Berücksichtigung der Rezeptgebühr von 4,90 EUR keine Kosten zu erstatten.
Der erkennende Senat hat zu diesen Revisionsausführungen Folgendes erwogen:
1. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 133 Abs 1 ASVG die ärztliche Hilfe (§ 135), Heilmittel (§ 136) und Heilbehelfe (§ 137). Die Heilmittelverschreibung ist somit Teil der Krankenbehandlung. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe durch einen Vertragsarzt, in einer Vertrags‑Gruppenpraxis oder in eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers ist gemäß § 135 Abs 3 ASVG nur die Vorlage der als Krankenscheinersatz zu verwendenden Chipkarte. Hingegen dürfen gemäß § 350 Abs 1 ASVG Heilmittel (§ 136) und Heilbehelfe (§ 137) usw auf Rechnung der Krankenversicherungsträger von Apothekern und Hausapotheken führenden Ärzten nur unter bestimmten Voraussetzungen abgegeben werden. So dürfen beispielsweise Arzneispezialitäten, die ‑ wie im vorliegenden Fall das Präparat „Avastin“ ‑ nicht im Erstattungskodex angeführt sind, auf Kosten der Sozialversicherung nur nach ärztlicher Bewilligung des ärztlichen (vormals chef‑ und kontrollärztlichen) Dienstes der Sozialversicherungsträger verschrieben werden. In begründeten Einzelfällen ist jedoch die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef‑ und kontrollärztlichen Dienstes (vgl § 31 Abs 3 Z 12 ASVG). Für alle nach dem 31. 12. 2004 durchzuführenden Verschreibungen solcher Arzneispezialitäten hat der verordnende Vertragsarzt vom ärztlichen Dienst der Sozialversicherung die Bewilligung einzuholen (vgl Seyfried in Sonntag, ASVG3 § 350 Rz 7 und 11).
1.1 Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, die Verpflichtung einer chef‑ bzw kontrollärztlichen Bewilligung von Heilmitteln, die im Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht angeführt sind, sei gesetzlich verankert, ist daher grundsätzlich zutreffend. Zutreffend verweist die Revisionswerberin auch darauf, dass gemäß § 31 Abs 5 Z 13 ASVG durch den Hauptverband Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen (RöV) aufzustellen sind, die für die Vertragspartner (§§ 338 ff) verbindlich sind. Es soll durch diese Richtlinien insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Art und Dauer der Erkrankung bestimmt werden, inwieweit Arzneispezialitäten für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können. Durch die Richtlinien darf allerdings der Heilzweck nicht gefährdet werden. Nach § 6 Abs 1 Z 2 RöV ist bei Verschreibung eines nicht im Erstattungskodex angeführten Heilmittels eine Bewilligung möglich, wenn die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und deshalb eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zur Krankenbehandlung überhaupt nicht zur Verfügung steht. Für die Heilmittelversorgung ist das „chefärztliche Vorbewilligungssystem“ ein wichtiges Instrument, um einerseits für die Aufnahme von Medikamenten in das Sachleistungssystem erfolgreich Preisverhandlungen führen und andererseits auch für Versicherte, die mit den üblichen Therapien nicht ausreichend behandelt werden können, im Einzelfall die Kosten für „unkonventionelle“ Vorgangsweisen übernehmen zu können (vgl Endel, „Chefärztliche Genehmigungspflicht“, SozSi 2004, 505 ff [507]).
1.2 Der Erstattungskodex und die vom Hauptverband verlautbarten Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen (RöV) bewirken allerdings keine Beschränkung des gesetzlichen Anspruchs des Versicherten auf Heilmittel und Heilbehelfe. Das hat die Judikatur zum früheren Heilmittelverzeichnis mehrfach festgehalten (vgl RIS‑Justiz RS0083806, RS0083801, RS0102471). Auch durch den Erstattungskodex hat sich daran nichts geändert (vgl Schober in Sonntag, ASVG3 § 136 Rz 11 mwN ua; RIS‑Justiz RS0083806 [T8]). Der Versicherte hat zwar keinen Anspruch auf Beistellung eines jeden von ihm gewünschten oder vom Arzt verschriebenen Heilmittels. Eine Bindung an den Erstattungskodex besteht aber nicht. Was die Erstattungsfähigkeit von Heilmitteln betrifft, die (noch) nicht im Erstattungskodex angeführt sind, lässt sich das aus den einschlägigen Regelungen selbst begründen. Denn für begründete Einzelfälle sehen die bereits zitierten Bestimmungen des § 31 Abs 1 Z 12 ASVG bzw § 6 Abs 1 Z 2 RöV die Erstattung ohnehin vor. Dem Versicherten steht somit das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zu. In erster Linie sollen die Wirksamkeit des Mittels und das Wohl des Kranken ausschlaggebend sein (10 ObS 160/06m, SSV‑NF 21/12 = ZAS 2008/5, 36 [Kietaibl] ua). Deshalb kann auch eine erforderliche, aber fehlende Genehmigung des chefärztlichen Dienstes den Anspruch des Versicherten auf Heilmittel nicht beschränken (vgl Grillberger in Grillberger/Mosler, Ärztliches Vertragspartnerrecht [2012] 234 mwN).
1.3 Der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine ex‑ante‑Genehmigung des Präparats „Avastin“ durch den chef‑ bzw kontrollärztlichen Dienst der beklagten Partei eingeholt wurde, führt somit entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin nicht zwingend zu dem Ergebnis, dass eine Kostenerstattung für dieses Präparat nicht mehr in Betracht kommt. Die Einrichtung der Chef‑(Kontroll‑)arztpflicht ist als Maßnahme zum Schutz der Versicherten und nicht als Ausschlussregelung für die Kostentragung von Heilmitteln und Heilbehelfen (auch Krankenbehandlung) zu verstehen. Der Sinn des chef‑(kontroll‑)ärztlichen Handelns ist die Gewährleistung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung. Für die Versicherten soll im Vorhinein die Kostentragung durch die Krankenversicherungsträger durch die Bewilligung seitens des Chef‑(Kontroll‑)arztes abgesichert werden bzw soll der Versicherte nicht mit dem Risiko belastet werden, erst im Nachhinein zu erfahren, ob die Kosten einer erfolgreichen Krankenbehandlung, eines Heilmittels oder eines Heilbehelfes als dem Heilzweck entsprechend anerkannt werden. Die Nichteinholung der chef‑(kontroll‑)ärztlichen Bewilligung hat für den Versicherten somit lediglich zur Folge, dass er erst nachträglich mit dem Krankenversicherungsträger abzuklären hat, ob zB eine bereits in Anspruch genommene Untersuchungsmethode oder ein schon konsumiertes Heilmittel anerkannt wird. Einen Verlust des Anspruchs bewirkt die unterlassene Einholung der Bewilligung des Chef‑(Kontroll‑)arztes jedoch nicht. Entscheidend für den Anspruch des Versicherten ist, ob die in Anspruch genommenen Heilmittel sowie Heilbehelfe oder sonstige Maßnahmen der Krankenbehandlung heilzweckentsprechend sind (vgl Thaler/Plank, Heilmittel und Komplementärmedizin in der Krankenversicherung [2005] 42, 80 und 187; Firlei, Heilmittelverschreibung [2006] 55 f mwN; Sprung/König, Die Rechtsnatur der chefärztlichen Genehmigung für eine Heilbehandlung, VersRdSch 1990, 264 ff; 10 ObS 21/10a, SSV‑NF 24/19; VfSlg 13.571 ua). Das Vorliegen dieser Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
2. Heilmittel können in jeder öffentlichen Apotheke und bei jedem eine Hausapotheke führenden Arzt bezogen werden. Sie dürfen für Rechnung der Krankenversicherungsträger nur abgegeben werden, wenn sie auf einem Kassenrezept von einem Vertragsarzt verschrieben oder ‑ bei Wahlarztverschreibungen ‑ vom Krankenversicherungsträger zur Bezahlung übernommen werden, wobei die Einhaltung der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise geprüft wird. Der Wahlarzt ist nicht berechtigt, auf Rezeptformularen des Krankenversicherungsträgers Heilmittel zu verschreiben (vgl § 350 ASVG).
2.1 Nach § 456 Abs 1 ASVG haben die Träger der Krankenversicherung eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat. Bestimmungen einer Krankenordnung, die im Rang einer Verordnung steht, haben Auswirkungen auf alle, die Rechte vom Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs eines Versicherten ableiten wollen. Wenn ein Versicherter gegen Bestimmungen der für ihn geltenden Krankenordnung verstößt, kann dies zum Verlust seines Krankenbehandlungsanspruchs führen (vgl Souhrada in Sonntag, ASVG3 § 456 Rz 5 mwN; VfSlg 19.251).
2.2 Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der Revisionswerberin war der behandelnde Arzt Dr. T***** im gegenständlichen Fall als Wahlarzt tätig und er hatte das nicht im Erstattungskodex angeführte Präparat „Avastin“ mit einem Privatrezept zu verordnen. Bezüglich der Kostenerstattung für Privatrezepte sieht § 33 der Krankenordnung 2007 der beklagten Partei vor, dass die Kasse dem Anspruchsberechtigten die Kosten des bezahlten Heilmittels, welches mit Privatrezept verordnet, jedoch einem Kassenrezept nicht gleichgestellt wurde, nur dann erstattet, wenn die Verordnung nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen zulässig ist und die saldierte Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben wird. Für die Kostenerstattung ist es daher unabdingbare Voraussetzung, dass das Heilmittel ärztlich verordnet wurde und der Versicherte die Kosten dieses Heilmittels bereits bezahlt hat. Dies ist vom Versicherten auch entsprechend zu belegen. Die Notwendigkeit der Vorlage einer saldierten Originalhonorarnote entspricht dem Gebot der Verwaltungsökonomie (vgl 10 ObS 361/99g, SSV‑NF 14/77 mwN).
2.3 Die beklagte Partei hat bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich eingewendet, dass die für eine Kostenerstattung unbedingt erforderliche ärztliche Verordnung (Privatrezept) betreffend das Präparat „Avastin“ nicht vorliegt. Die Parteien haben daraufhin in der Tagsatzung vom 1. 6. 2011 außer Streit gestellt, dass der Kläger „im augenärztlichen Bereich“ keine Verordnungen, sondern lediglich die (von ihm in Kopie vorgelegten) Honorarnoten erhalten hat. Da somit weder eine Verordnung bzw ein Privatrezept betreffend das Präparat „Avastin“ noch eine saldierte Originalhonorarnote, aus der der Bezug dieses Präparats von einer Apotheke iSd § 136 Abs 2 ASVG ersichtlich wäre, vorliegt, kommt eine Kostenerstattung für dieses Präparat nach § 33 der Krankenordnung 2007 der beklagten Partei nicht in Betracht.
3. Soweit sich die Revisionswerberin schließlich noch gegen die Höhe des Erstattungsbetrags hinsichtlich des Präparats „Okacin Augentropfen“ wendet, ist ihr mit den Ausführungen des Berufungsgerichts entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Erstattungsbetrags für dieses im grünen Bereich des Erstattungskodex angeführten Heilmittel nach der vom Erstgericht getroffenen und von beiden Parteien im Berufungsverfahren nicht bekämpften Feststellung davon auszugehen hatte, dass der Preis dieses Präparats rund 15 EUR beträgt. Daraus resultiert unter Berücksichtigung der damaligen Rezeptgebühr von 4,90 EUR eine Kostenerstattung in Höhe von 7,10 EUR.
4. Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers beträgt daher insgesamt 271,10 EUR (= 116 EUR für die Netzhaut‑Kohärenztomographien, 148 EUR für die intravitreale Injektion und 7,10 EUR für „Okacin Augentropfen“). Nur in diesem Umfang erweist sich das Klagebegehren als berechtigt. Es waren daher in teilweiser Stattgebung der Revision der beklagten Partei die Urteile der Vorinstanzen spruchgemäß abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Der Kläger ist letztlich mit einem Betrag von 271,10 EUR durchgedrungen, sodass er nach dieser Gesetzesstelle Anspruch auf Ersatz seiner Verfahrenskosten in allen drei Instanzen auf der Basis dieses ersiegten Betrags hat. Bei der Erstattung einzelner Kosten in der Krankenversicherung handelt es sich um keine wiederkehrende Leistung iSd § 77 Abs 2 ASGG (vgl Neumayr in ZellKomm2 § 77 ASGG Rz 16 mwN). Die beklagte Partei hat als Versicherungsträger iSd § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihrer Revision ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.
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