Spruch:
1. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erlegerin stellte am 24. 12. 2004 den Antrag auf Annahme der gerichtlichen Hinterlegung eines monatlichen Geldbetrages von EUR 693,84 gemäß § 1425 ABGB bis zur Erzielung einer Einigung zwischen ihr und der Erlagsgegnerin.
Dazu brachte die Antragstellerin vor, dass sie im August 2002 mit der Erlagsgegnerin als Vermieterin einen Mietvertrag über Räumlichkeiten, in denen sie ein Wäschegeschäft betreibe, geschlossen habe. Die Erlagsgegnerin habe den bedungenen Gebrauch der Mieterin nicht ausreichend gewährleistet, und zwar wegen Konkurrenzierung durch ein unmittelbar benachbartes Textilgeschäft, wegen sichtbehindernder Bepflanzung (sodass der Eindruck entstehe, das Geschäft der Antragstellerin bilde mit dem benachbarten Konkurrenzgeschäft eine Einheit) und wegen des Umstands, dass in dem Einkaufszentrum, in dem sich das Mietobjekt befinde, auch nach der Eröffnung noch viele Flächen und Lokale unvermietet seien, was zu sinkender Kundenfrequenz führe. Die Antragstellerin behalte daher 25 % des Gesamtmietzinses in der Höhe von EUR 2.775,36 netto, somit EUR 693,84, ein und wolle diesen Betrag gerichtlich hinterlegen, damit sie kein Verschulden an der Nichtzahlung dieses Betrages treffe.
Mit Beschluss vom 21. 2. 2005 hat das Erstgericht den Erlagsantrag abgewiesen. Die Frage, ob der von der Antragstellerin geschilderte Sachverhalt einen Anlass für Zinsminderungen bilden könne, sei in einem Zivilprozess zu klären. Es sei unzulässig, gleichsam zur eigenen Sicherheit einen fälligen Betrag bei Gericht zu hinterlegen, um im Fall des Obsiegens gegenüber dem Erlagsgegner den entsprechenden Betrag vom Erlagsgericht zurückzubekommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. 5. 2005 gab das Rekursgericht dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Im vorliegenden Fall stehe der Antragstellerin nach ihrem Vorbringen nur eine Forderungsprätendentin gegenüber, nämlich die Erlagsgegnerin als Vermieterin, die zur Annahme des Mietzinses auch bereit wäre, aber auf Zahlung des gesamten Mietzinses bestehe. Der Erlag eines Teilbetrages des gesamten monatlichen Mietzinses sei nicht zulässig. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergebe sich auch, dass sie die Mietzinsteilbeträge nicht erlegen wolle, um eine Schuld zu tilgen (was sie durch Zahlung an die Erlagsgegnerin ohnehin erreichen könnte), sondern weil sie ganz offensichtlich nicht sicher sei, ob ihr ein Zinsminderungsanspruch zustehe oder nicht. Die Unsicherheit über die Höhe der Zahlungspflicht eines Schuldners gegenüber einem einzelnen Gläubiger berechtige jedoch nicht zum Erlag.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum Erlag einer der Höhe nach unsicheren Mietzinsforderung nur wenige, noch dazu widersprüchliche Entscheidungen des OGH vorlägen und die Frage in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im antragsstattgebenden Sinn abzuändern.
Die Erlagsgegnerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung eingebracht.
Zu 1.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekursbeantwortung der Erlagsgegnerin ist verspätet.
Beim Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB handelt es sich um ein außerstreitiges Verfahren (2 Ob 511/91 = EvBl 1991/91; RIS-Justiz RS0033469). Liegt - wie hier - das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 31. 12. 2004, ist für das Revisionsrekursverfahren gemäß seinem § 203 Abs 7 das AußStrG 2003 anzuwenden. Für die Revisionsrekursbeantwortung gilt eine Frist von 14 Tagen (§ 68 Abs 1 AußStrG). Eine dem § 46 Abs 3 AußStrG entsprechende Regelung gibt es für Rechtsmittelbeantwortungen nicht.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wurde der Antragsgegnerin am 22. 7. 2005 zugestellt. Die am 8. 8. 2005 eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung ist daher als verspätet zurückzuweisen.
Zu 2.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zur Klarstellung zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin stellt in ihren Ausführungen folgende Punkte in den Vordergrund: Einem Schuldner stehe das Recht der Hinterlegung immer dann zu, wenn wichtige Gründe vorhanden seien, die allerdings nicht in der Person des Schuldners liegen dürften. Ausgehend vom Wortlaut des § 1425 ABGB sei auch im Fall von Unklarheiten über die Höhe des zu bezahlenden Mietzinses infolge von Mietzinsminderungsansprüchen „auch dieser Betrag" als zur Hinterlegung geeignet anzusehen. Keinesfalls sei notwendig, dass es mehrere Gläubiger geben müsse bzw sich die wichtigen Gründen nur auf die Frage der Anzahl der Forderungs- bzw Empfangsberechtigten reduzieren ließen. Zweck des § 1425 ABGB sei es, eine Risikoverteilung zwischen Schuldner und Gläubiger herbeizuführen. Es sei nicht Aufgabe des Mieters, aufwändige kostenintensive Prozesse zu führen, ob Mängel vorhanden seien, zumal die Beweislast dafür beim Vermieter liege. Aus diesem Grund sei auch eine Feststellungsklage bzw eine Klage auf Rückforderung bereits bezahlter Mietzinse wenig aussichtsreich, da hier eine Risikoüberwälzung zum Nachteil und zu Lasten des Mieters stattfinde. Im Sinne der Risikoverteilung liege die Beweispflicht bei demjenigen, der sich auf die Mangelfreiheit berufe; dieser habe die ordnungsgemäße Wiederherstellung herbeizuführen, dh die Mängel zu beheben oder die Differenz einzuklagen oder in letzter Konsequenz die Aufhebung des Vertrages zu erklären. Gerade im Fall von Bestandstreitigkeiten sei es Zweck der gerichtlichen Hinterlegung, ein grobes Verschulden an allfälligen Mietzinsrückständen des Mieters für den Fall einer Räumungsklage zu vermeiden. Andererseits werde dadurch dem Sicherungsbedürfnis des Vermieters entsprochen, da dieser sicher sein könne, dass zum einen der Mietzins tatsächlich vorhanden sei und zum anderen auch der Mieter über die hinterlegten Beträge nicht mehr alleine verfügen könne. Auch rein wirtschaftliche Argumente würden für die gerichtliche Hinterlegung in der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation sprechen, um kostenintensive Prozesse zu vermeiden und das Risiko einer Klage gegen einen unter Umständen insolventen Vermieter nicht dem Mieter aufzubürden. Andernfalls würde Grundsätzen des Bestandschutzrechts widersprochen und eine einseitige Risikoverteilung herbeigeführt. Bei wohlverstandener Anwendung des § 1425 ABGB stelle diese Norm eine kostensparende „außergerichtliche Lösung" zur Verfügung; damit könnte in Bestandstreitigkeiten bei Unklarheit über die Höhe des Mietzinses eine wirtschaftliche Lösung herbeigeführt werden. Eine vergleichbare Rechtslage gebe es bei einer bestrittenen Honorarforderung nach § 19 Abs 3 RAO. Hier sei - aufgrund unklarer Rechtslage - eine gerichtliche Hinterlegung zulässig.
Mit diesen Ausführungen lässt die Revisionsrekurswerberin außer Betracht, dass der Hinterlegung nach § 1425 ABGB nicht generell Schuldtilgungsfunktion zukommt und dass sie auch nicht eigenes gerichtliches Verfahren über die Berechtigung einer Mietzinsminderung zu ersetzen vermag (vgl 8 Ob 168/68 = MietSlg 20.523 = RIS-Justiz RS0069152).
Tatsächlich liegt ein einen gerichtlichen Erlag rechtfertigender Grund nicht vor. Der Erlag durch den Schuldner nach § 1425 ABGB setzt voraus, dass die Schuld nicht bezahlt werden kann, „weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden" kann. Voraussetzung für die Hinterlegung ist nach ständiger Judikatur, dass die Schuld nicht gezahlt werden kann, was - abgesehen von den Fällen der Unbekanntheit oder Abwesenheit des Gläubigers oder dessen Annahmeverweigerung - insbesondere dann der Fall ist, wenn Zweifel daran bestehen, welche von mehreren Personen anspruchsberechtigt ist.
Ein gerichtlicher Erlag wird dann nicht als zulässig angesehen, wenn nur ein Forderungsprätendent vorhanden ist, der die Leistung auch annehmen würde, so dass der Schuldner leisten könnte, er dies aber nicht will, weil er seine Zahlungspflicht bestreitet (2 Ob 511/91 = EvBl 1991/91 mwN). In diesem Sinne ist es unzulässig, gleichsam zur eigenen Sicherheit einen fälligen Betrag bei Gericht zu hinterlegen, um im Fall des Obsiegens (in einem Prozess) gegenüber dem Erlagsgegner den entsprechenden Betrag vom Erlagsgericht zurückzubekommen (Reischauer in Rummel3 § 1425 Rz 7 mit Hinweis auf 7 Ob 519/57 = SZ 31/16). Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt als solche kein Recht zur Hinterlegung; diese ist zur Problemlösung kein taugliches Instrument und bringt keine Klarheit in die Zweierbeziehung (Reischauer, Hinterlegung zu Gunsten mehrerer (potentieller) Gläubiger bzw Forderungspfandgläubiger ..., JBl 2001, 541 [556 f]; Reischauer in Rummel3 § 1425 Rz 5 und 5e, Koziol in KBB, § 1425 Rz 10). Eine gerichtliche Entscheidung des Streites zwischen Schuldner und Gläubiger ist in einem solchen Fall unvermeidlich, wenn sie sich nicht einigen. Reischauer (in Rummel3 § 1425 Rz 5e) räumt ein, dass eine Hinterlegung beim Vorhandensein eines besonderen Hinterlegungsgrundes zulässig wäre. In Betracht kommt hier „Unzufriedenheit" (= Ablehnung und damit Verzugsbegründung) des Gläubigers mit dem ordnungsgemäß Angebotenen. Doch liegt eine solche Konstellation in dem hier zu beurteilenden Fall schon deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin die zu hinterlegende Zahlung ihrem Gläubiger gar nicht angeboten hat; sie will ja bewusst nicht an ihn leisten.
Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlass, die Zulässigkeit der gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 ABGB generell auf unklare Sach- und/oder Rechtslagen in Zweierbeziehungen zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger auszudehnen (wie allerdings der Entscheidung 7 Ob 396/57 = RIS-Justiz RS0033557 entnommen werden könnte), weil - wie dargestellt - durch eine Hinterlegung der Streit nicht geklärt wird. Dafür ist der Zivilprozess geschaffen. Wenn die Ausfolgung angestrebt wird und zwischenzeitig keine Einigung zwischen den Parteien erzielt wurde, muss die strittige Frage ohnehin in einem Zivilprozess geklärt werden (1 Ob 288/66 = SZ 39/219).
Insgesamt ist den Vorinstanzen Recht zu geben, dass ein tauglicher Erlagsgrund iSd § 1425 ABGB nicht vorliegt. Auch ein Vergleich mit § 19 Abs 3 RAO führt zu keinem anderen Ergebnis, besteht doch in dem von dieser Norm geregelten Fall kein Einvernehmen über die Frage, ob ein (von einem Dritten stammender) Betrag, der beim Rechtsanwalt eingeht, beim Rechtsanwalt zur Abdeckung seiner Honorarforderung verbleiben kann oder dem Mandanten auszufolgen ist. Hier liegt eine Situation mit zwei Forderungsprätendenten vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein gerichtlicher Erlag nur zulässig ist, wenn der volle geschuldete Betrag erlegt wird (in diesem Sinn RIS-Justiz RS0033316).
Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)