Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin wurde am 30. 12. 2001 nach einem Verkehrsunfall in das von der Beklagten in Graz betriebene Unfallkrankenhaus eingeliefert. Bei der Aufnahme klagte die Klägerin gegenüber dem behandelnden Arzt über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, des Beckens und der linken Hand. Die Aufnahmeuntersuchung ergab unter anderem, dass kein Anhaltspunkt für ein Schädelhirntrauma, kein Klopfschmerz und kein Stauchungsschmerz der gesamten Wirbelsäule bestand. Die Halswirbelsäule war unauffällig bei freier Beweglichkeit. Im Bereich der Lumbalregion bestand ein Druckschmerz mit geringem muskulären Hartspann.
Auf Grund dieses Befundes ordnete der diensthabende Arzt Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule inklusive Funktionsaufnahmen des Dens, der Lendenwirbelsäule, des Beckens und der linken Hand an. Die Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule ergab eine Streckhaltung derselben, in der Funktion unauffällig, freie Beweglichkeit und keine Subluxationszeichen; insbesondere war keine Instabilität in einem Wirbelsäulenabschnitt erkennbar. Aus dem Röntgenbild der Lendenwirbelsäule, auf dem auch noch der neunte bis zwölfte Brustwirbel dargestellt war, ergab sich eine Streckhaltung mit Osteochondrose. Derartige Streckhaltungen kommen unfallbedingt vor und bedürfen keiner weiteren Behandlung. Verletzungsbedingte Veränderungen bzw knöcherne Verletzungen waren auf den Röntgenbildern nicht zu erkennen. Auch am Becken und bei der linken Hand fanden sich keine frischen Knochenverletzungen. Die Röntgenaufnahmen des Beckens, der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule und der linken Hand wurden ordnungsgemäß durchgeführt. Die Diagnose am Aufnahmetag lautete:
"Bluterguss an der linken Hand, Zerrung der Lendenwirbelsäule sowie Zerrung der Nackenmuskulatur". Als Behandlung wurde an der linken Hand eine Schiene angelegt, eine Salbenbehandlung durchgeführt und die Klägerin erhielt für ein paar Tage eine weiche Schanzkrawatte. Die Klägerin wurde für den 2. 1. 2002 zur Kontrolle wieder bestellt. Bei dieser Kontrolluntersuchung gab die Klägerin an, dass die Beschwerden weitgehend abgeklungen seien. Die Klägerin wurde daraufhin nicht mehr wieder bestellt, da es für weitergehende Untersuchungen und weitere Röntgenaufnahmen keine Veranlassung gab. Sie wurde auf eigenem Wunsch mit 3. 1. 2002 wieder für arbeitsfähig erklärt.
In der Folge begab sich die Klägerin auf Grund anhaltender Schmerzen am 15. 4. 2002 in die fachärztliche Behandlung eines Orthopäden, der einen Kompressionsbruch des 11. und 12. Brustwirbels feststellte. Die Klägerin befand sich daraufhin vom 16. 4. 2002 bis zum 14. 7. 2002 im Krankenstand. Bei einer neuerlichen Röntgenuntersuchung der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten am 7. 4. 2003 wurde eine leichte Eindellung an der oberen Deckplatte als Zeichen einer möglicherweise stattgefundenen A-Fraktur am 11. und 12. Brustwirbel festgestellt. Die Klägerin begehrt von der Beklagten zuletzt die Zahlung von EUR 5.500,-- sA an Schmerzengeld mit der wesentlichen Begründung, die von den Ärzten der Beklagten nach dem Unfall durchgeführte Behandlung sei nicht lege artis erfolgt, weil infolge der unterlassenen Röntgenuntersuchung der Brustwirbelsäule ein Brustwirbelbruch übersehen worden sei. Bei ihrer Aufnahme im Krankenhaus habe sie dem zuständigen Arzt ihre Beschwerden im Gesamten, vor allem auch im unteren Bereich der Wirbelsäule geschildert. Die Ärzte hätten den Bruch im Bereich der Brustwirbelsäule nicht festgestellt und aus den angefertigten Röntgenbildern nicht die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen. Durch diese nicht lege artis durchgeführte Behandlung habe die Klägerin vermehrt Schmerzen erlitten, da die entsprechende Behandlung erst nach der Diagnose des Brustwirbelbruches im April 2002 begonnen habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, dass die Behandlung lege artis durchgeführt worden sei und sämtliche von der Klägerin behaupteten Schmerzen auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Die Klägerin sei klinisch genau untersucht worden und es seien die entsprechenden Röntgenbilder angefertigt worden. Sie habe bei ihrer Aufnahme nur über Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelregion und der linken Hand geklagt. Bei der Kontrolluntersuchung am 2. 1. 2002 habe die Klägerin erklärt, dass ihre Beschwerden weitgehend abgeklungen seien. Daher habe man auf eine weitere Diagnoseerstellung mit eventuellen Zielaufnahmen oder auf die Durchführung einer Computertomographie verzichtet.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es insbesondere noch fest, dass die Erstbehandlung der Klägerin am 30. 12. 2001 völlig korrekt erfolgt sei. Da die Klägerin im Bereich der unteren Brust- und der oberen Lendenwirbelsäule keine Schmerzen angegeben habe, habe für die Ärzte keine Notwendigkeit für eine Röntgenuntersuchung der Brustwirbelsäule bestanden. Die Klägerin sei am Unfallstag nicht bewusstlos, sondern ansprechbar und kontaktfähig gewesen, weshalb es nicht wie bei einem völlig alkoholisierten oder bewusstlosen Patienten erforderlich gewesen sei, die gesamte Wirbelsäule zu röntgen. Die Klägerin sei somit sehr wohl in der Lage gewesen, eventuell vorhandene Schmerzen in einem bestimmten Bereich der Wirbelsäule beim Abklopfen und Stauchen der Wirbelsäule anzugeben. Hinsichtlich der Brustwirbelsäule habe sie bei der Untersuchung keine Schmerzen angegeben, weshalb dieser Abschnitt nicht zu röntgen gewesen sei. Da auch bei der Kontrolluntersuchung am 2. 1. 2002 von der Klägerin keine Beschwerden betreffend die Wirbelsäule angegeben worden seien, sei im Verzicht auf eine weitere Diagnoseerstellung mit eventuellen Zielaufnahmen und auf die Durchführung einer Computertomographie kein Behandlungsfehler zu erblicken. Solche Röntgen- bzw CT- oder MR-Untersuchungen wären nur dann geboten gewesen, wenn die Klägerin Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule angegeben hätte.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung nach den geltenden medizinischen Regeln erfolgt seien und ein ärztlicher Kunstfehler daher nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es schloss sich in seiner rechtlichen Beurteilung der Rechtsansicht des Erstgerichtes an und sah die ordentliche Revision zunächst als nicht zulässig an, weil nicht revisible Tatsachenfragen im Vordergrund gestanden und Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen seien.
Über Antrag der Klägerin änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO doch zulässig sei. Das Berufungsgericht begründete dies damit, dass entsprechend den Rechtsmittelausführungen die Ansicht der Revisionswerberin, im Hinblick auf die nicht eindeutigen Röntgenbilder, ihre Angaben bei der Erstaufnahme sowie den Unfallshergang liege doch ein Kunstfehler der behandelnden Ärzte vor, nicht von der Hand zu weisen sei. Die Klägerin begehrt in ihrer Revision die Abänderung der Vorentscheidungen dahingehend, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben. Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage - der entgegenstehende Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Es ist zunächst den Revisionsausführungen insoweit beizupflichten, als nach ständiger Rechtsprechung ein dem Spitalsarzt anzulastendes Fehlverhalten, für welches der Krankenhausträger dem Patienten als Partner des abgeschlossenen Behandlungsvertrages zu haften hat (§ 1313a ABGB), dann vorliegt, wenn der Arzt nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen ist oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt hat. Den Beweis des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und seine Kausalität in Bezug auf den eingetretenen Schaden hat im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln grundsätzlich der Patient zu führen (SZ 69/198; SZ 69/199; JBl 1995, 453; SZ 67/9; SZ 62/53 uva; RIS-Justiz RS0038202, RS0026209).
Bei der Frage, ob dem behandelnden Arzt ein haftungsbegründender Vorwurf zu machen ist, handelt es sich grundsätzlich um eine revisible Rechtsfrage (RdM 1997/33). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Fragen nach der Wirksamkeit und der Zweckmäßigkeit einzelner fachbezogener Maßnahmen bzw ob diese dem Stand des ärztlichen Wissens und Könnens entsprachen, einer Wertung nach dem Wissens- und Erfahrungsstand der spezifischen Wissenschaft oder des Berufes unterliegen. Diese Wertung obliegt dem medizinischen Sachverständigen als Fachmann. Er hat sie dem Gericht, das sein Urteil auf diese Wertung zu gründen hat, auf dessen Befragen zur Bildung der richterlichen Überzeugung auch nach Tunlichkeit in den tatsächlichen Grundlagen und Ableitungen in nachvollziehbarer Weise darzulegen. Für die richterliche Urteilsbildung bleibt die erwähnte fachliche Wertungsfrage aber dennoch Tatfrage; die Frage nach der Überzeugungskraft der Darlegungen des Sachverständigen ist eine Beweisfrage (SZ 72/183 = JBl 2000, 657; SZ 62/125 ua; RIS-Justiz RS0026418, RS0043122 [T 9]).
Nach den der rechtlichen Beurteilung zu unterziehenden, vom Berufungsgericht übernommenen und auch für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichtes klagte die Klägerin bei der Aufnahme über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, des Beckens und der linken Hand. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, dem das Erstgericht bei seinen Feststellungen gefolgt ist, steht bei einem Wirbelbruch der Schmerz, der lokal begrenzt sein oder bei Kompression der Nervenwurzeln auch in eine oder beide Extremitäten ausstrahlen kann, im Vordergrund der klinischen Symptomatik. Hinweise auf eine Verletzung geben vor allem der lokale Druckschmerz und der Stauchungsschmerz der Wirbelsäule. Die Schmerzempfindlichkeit der Wirbelsäule wird durch Beklopfen und lokale Druckausübung auf den betroffenen Abschnitt untersucht. Das Vorliegen einer Schmerzempfindlichkeit muss zu einer genaueren röntgenologischen Untersuchung Anlass geben, wobei ein Hinweis auf Schmerzen naturgemäß nur beim ansprechbaren Patienten erwartet werden kann. Jeder, wenn auch nur diskrete Hinweise des Patienten, dass Schmerzen in der Wirbelsäule bestehen, muss zu einer entsprechenden klinischen Untersuchung und in weiterer Folge auch zu einer Röntgenuntersuchung führen (vgl die Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten S 7 f in ON 11). Nach den Feststellungen erfolgte bei der Klägerin eine klinische Untersuchung der Wirbelsäule, wobei im Bereich der gesamten Wirbelsäule kein Klopfschmerz und kein Stauchungsschmerz festgestellt werden konnte. Die Halswirbelsäule war unauffällig bei freier Beweglichkeit; im Bereich der Lumbalregion bestand ein Druckschmerz mit geringem muskulären Hartspann. Nach den weiteren Feststellungen erfolgte die Erstbehandlung der Klägerin am 30. 12. 2001 völlig fachgerecht. Da von der Klägerin im Bereich der unteren Brust- und der oberen Lendenwirbelsäule keine Schmerzen angegeben wurden, bestand für die Ärzte auch keine Notwendigkeit für eine Röntgenuntersuchung der Brustwirbelsäule (vgl dazu auch die entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Gutachtenserörterung S 4 in ON 19). Der medizinische Sachverständige hat ebenfalls dargelegt und wurde dies auch vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt, dass auf den angefertigten Röntgenbildern keine verletzungsbedingten Veränderungen bzw knöchernen Verletzungen zu erkennen waren und für die behandelnden Ärzte auf Grund der fehlenden klinischen Symptomatik auch keine Veranlassung bestand, weitere Röntgenbilder, insbesondere über den Bereich des 11. und 12. Brustwirbels, anfertigen zu lassen. Schließlich waren nach den eigenen Angaben der Klägerin bei der Kontrolluntersuchung am 2. 1. 2002 die Beschwerden weitgehend abgeklungen, sodass die Vornahme weiterer Röntgen- bzw CT- oder MR-Untersuchungen auch zu diesem Zeitpunkt nicht indiziert war. Insoweit die Revisionswerberin in ihren Ausführungen abweichend von diesen Feststellungen vom Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch die unterlassene Einholung weiterer Röntgenaufnahmen ausgeht, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Ihrem weiteren Vorbringen, ein Behandlungsfehler der Ärzte sei auch in der unvollständigen bzw falschen Aufnahme des Unfallherganges (Auffahrunfall, Verneinung des Transportes mit der Rettung) zu erblicken, hat bereits das Berufungsgericht entgegengehalten, dass es nicht nachvollziehbar sei, inwiefern diese unrichtige Darstellung in der Krankengeschichte Einfluss auf die Diagnose bzw Behandlung gehabt haben soll. Gegen diese Auffassung über das Fehlen der Kausalität werden auch in der Revision keine inhaltlichen Argumente vorgetragen.
Bei Haftungsprozessen wegen angeblicher ärztlicher Kunstfehler handelt es sich meist um Einzelfälle, denen in der Regel keine darüber hinausgehende generelle Bedeutung zuerkannt werden kann. Die Vorinstanzen sind bei ihrer Entscheidung von den in der Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten eines Arztes entwickelten Grundsätzen nicht abgewichen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird in den Rechtsmittelausführungen nicht aufgezeigt. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass ausgehend von diesen Grundsätzen der der Klägerin obliegende Beweis des Vorliegens eines kausalen Behandlungsfehlers nicht gelungen sei, ist mit Rücksicht auf die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden.
Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
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