Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs gegen den Beschluss vom 14. 2. 2006 (ON 195) zu entscheiden.
Text
Begründung
Die Minderjährigen Christian, Nathalie, Matthias und Bianca sind die ehelichen Kinder von Elisabeth und Andreas Sch*****, deren Ehe am 5. 11. 2001 geschieden wurde. Jedenfalls seit der Scheidung werden die Kinder von der väterlichen Großmutter Herta S***** versorgt, der mit Beschlüssen vom 17. 12. 2001 (ON 70) und 10. 7. 2003 (ON 107) die Obsorge über alle vier Minderjährige übertragen wurde. Aufgrund der äußerst schwierigen sozialen und finanziellen Verhältnisse, in denen alle Bezugspersonen leben, und weil die festgestellte Überforderung der väterlichen Großmutter eine Gefährdung des Kindeswohles darstellte, übertrug das Erstgericht mit Beschluss vom 10. 8. 2005 (ON 177) die Obsorge für die minderjährigen Christian und Nathalie dem Jugendwohlfahrtsträger (im Folgenden: JWT), die Obsorge für Matthias dem Vater und die Obsorge für Bianca einstweilig dem JWT. Mit Beschluss vom 14. 2. 2006 (ON 195) wies es den Antrag der väterlichen Großmutter und des Vaters auf „Neuzustellung" dieses „Obsorgebeschlusses" ab und stellte dazu folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschluss ON 177 wurde dem minderjährigen Christian und der väterlichen Großmutter am 12. 9. 2005 durch Hinterlegung an der Adresse B*****straße 108, *****, sowie dem Vater am 9. 9. 2005 an der Adresse J*****weg 15/8, *****, ebenfalls durch Hinterlegung, zugestellt.
Die Minderjährigen Christian, Nathalie, und Bianca sowie die väterliche Großmutter waren vom 8. 8. bis 19. 10. 2005 an der Adresse B*****straße 108 gemeldet; ab 19. 10. 2005 sind alle in der P*****straße 52 gemeldet.
Matthias war vom 29. 9. 2004 bis 19. 10. 2005 an der ***** Adresse J*****weg 15, gemeldet, ab 19. 10. 2005 ist er ebenfalls an der P*****straße 52 gemeldet.
Der Vater war vom 15. 10. 2004 bis 8. 9. 2005 in *****, S*****straße 62/19, gemeldet; ab 9. 9. 2005 bis laufend ist er in *****, St*****straße 37/28, gemeldet. Er hat in ON 131 seine aktuelle Adresse [jedoch] mit *****, J*****weg 15/8 bekanntgegeben. Die Entscheidung, die mit dem Beschluss ON 177 gefasst wurde, war sämtlichen Beteiligten schon seit 20. 7. 2005, an dem eine Tagsatzung auch mit dem Jugendamt stattgefunden hatte, bekannt. Am selben Tag war eine Kindesabnahme geplant gewesen, die aber aufgrund der Zusagen der väterlichen Großmutter und des Vaters [dass sie die Kinder zum Jugendamt bringen würden, was sie jedoch unterließen] nicht durchgeführt wurde.
Am 16. 12. 2005 kamen der Vater und die „mütterliche" (richtig : väterliche) Großmutter zu Gericht und gaben bekannt, dass sie den Obsorgebeschluss nicht erhalten hätten. Sie brachten vor, dass beide mit allen vier Kindern Ende August 2005 in die P*****straße 52 gezogen seien. Dies sei auch den Meldebehörden bekannt gegeben worden. Den Geburtstag von Matthias, am 31. 7. 2005 hätten sie schon im neuen Haus gefeiert. Zum Hinterlegungszeitpunkt, am 12. 9. 2005, hätten sie nicht mehr in der B*****straße 108 gewohnt, sondern schon das neue Haus in der P*****straße 52 gemietet.
Die Großmutter gab ergänzend an, sie hätten das Postkästchen in der B*****straße 108 nicht benützen können, weil die Vermieterin den Schlüssel nicht ausgehändigt habe. Der Umzug sei amtlich gemeldet worden, auch ein Mietvertrag könne vorgelegt werden. Weder der Mietvertrag noch die Meldeauskunft wurden jedoch vorgelegt. Auch die amtlich eingeholte Zentralmelderegisterauskunft ergab, dass die Ummeldung in die P*****straße 52 erst am 19. 10. 2005 stattfand. Diese Feststellungen beurteilte das Erstgericht dahin, es sei davon auszugehen, dass auch der Umzug erst zur Zeit der Ummeldung stattgefunden habe. Die Parteien seien diesbezüglich vollkommen unglaubwürdig. Ihre Angaben stünden miteinander und auch mit der Meldeauskunft in Widerspruch. Der Vater sei noch nie in G***** gemeldet gewesen, habe aber in ON 131 seine tatsächliche Adresse mit J*****weg 15/8 bekannt gegeben. Das sei - wie sich auch daraus ableiten lasse, dass Matthias dort gemeldet gewesen sei - die Adresse der Lebensgefährtin. Es sei auch vollkommen unglaubwürdig, dass die „erste ursprüngliche" Adresse B*****straße 108 nur für wenige Tage bewohnt worden sei. Dass das dortige Postkästchen nicht benutzbar gewesen sei, hätten sich die Parteien selbst zuzuschreiben. Sie hätten genau gewusst, dass ein Obsorgebeschluss zu erwarten sei und dafür Sorge tragen müssen, dass er ihnen auch zugestellt werden könne. Dies lasse „wieder einmal" die Vorgangsweise der Parteien erkennen, das Verfahren unnötig herauszuzögern.
Die Parteien hätten ihre oftmaligen Umzüge noch nie selbständig dem Gericht mitgeteilt, obwohl sie immer wieder darauf hingewiesen worden seien, dass das notwendig wäre. Die Zustellung sei an einer Adresse erfolgt, an der die Parteien zu diesem Zeitpunkt auch gemeldet gewesen seien. Es könne vom Gericht nicht verlangt werden, dass Zustellungen an anderen Adressen vorgenommen werden. Die Parteien hätten nicht angeben können, weshalb sie einen Umzug, der schon Ende August stattgefunden haben sollte, erst am 19. 10. amtlich gemeldet hätten. Auch daraus könne nur geschlossen werden, dass die Angaben der Parteien unrichtig seien. Deshalb sei der Antrag (auf Neuzustellung des Obsorgebeschlusses) abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 13. 3. 2006 (ON 197) erhoben die Antragssteller daraufhin
- 1. Rekurs gegen den Beschluss vom 14. 2. 2006 (ON 195), beantragten
- 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist gegen den Beschluss vom 10. 8. 2005 (ON 177) und holten „unter einem" den
3. Rekurs gegen den Beschluss vom 10. 8. 2005 (ON 177) nach. Entgegen dieser eindeutigen Reihung (des Rechtsmittels des Rekurses gegen die Abweisung des Zustellantrages einerseits und des Rechtsbehelfs der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist andererseits) und der daraufhin erfolgten Rechtsmittelvorlage stellte das Rekursgericht dem Erstgericht den Akt nicht nur zur Nachholung der noch fehlenden Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses (an den Minderjährigen Christian) zurück, sondern auch deshalb, weil es folgende - unzutreffende - Rechtsansicht vertrat:
Auch wenn die Abweisung eines Antrags auf Zustellung von Beschlussausfertigungen nicht von der Rechtsmittelbeschränkung des § 87 Abs 2 ZPO iVm § 24 AußStrG nF erfasst werde, sei - im Hinblick auf den „untrennbaren Zusammenhang" der beiden angefochtenen Beschlüsse - eine Rekursentscheidung, die sich allein auf die Abweisung des Zustellantrages beziehe, „ausgeschlossen". Es sei aufzugreifen, dass das Erstgericht in der Entscheidung ON 195 von einer wirksamen Zustellung des Beschlusses ON 177 an die Rechtsmittelwerber ausgehe, weshalb - auch im Hinblick auf die Reihung der Rechtsmittel bzw Rechtsbehelfe in der Rekursschrift ON 197 - zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden sei. Das Erstgericht werde daher das Wiedereinsetzungsverfahren abzuführen und die neuerliche Rekursvorlage erst nach „diesbezüglicher Beschlussfassung" oder aber mit dem gegen den zu fassenden Beschluss erhobenen Rechtsmittel neuerlich „vorzulegen" (gemeint: vorzunehmen) haben. Daraufhin wies das Erstgericht mit Beschluss vom 1. 6. 2006 (ON 204) auch den Antrag der väterlichen Großmutter und des Vaters auf „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" ab. Es wiederholte die Begründung des Beschlusses ON 195, die es lediglich um die beiden Sätze ergänzte, dass „keiner" der zugestellten Schriftstücke als „nicht behoben" zurückgekommen sei, und dass der (Wiedereinsetzungs-)Antrag abzuweisen sei, weil weder ein unvorhergesehenes noch unabwendbares Ereignis vorliege. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs der Antragsteller gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Beschluss vom 1. 6. 2006, „ON 195" [richtig: ON 204]) nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gemäß § 21 AußStrG nF seien die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ausgenommen § 154 ZPO, sinngemäß anzuwenden, wenn der aus der Versäumung einer Frist oder Tagsatzung entstehende Rechtsnachteil nicht durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden könne. Das Gesetz erwähne einen Sonderfall eines „unvorhergesehenen" oder „unabwendbaren" Ereignisses ausdrücklich, nämlich die unverschuldete Unkenntnis einer Partei von einer Zustellung. Daher müsse zunächst geprüft werden, ob der mit Rekurs angefochtene Beschluss ON 177 den beiden Rechtsmittelwerbern rechtswirksam zugestellt worden sei. Das Erstgericht habe [zwar] nach der Fassung des Beschlusses ON 177, aber noch vor dessen Zustellung mit Amtsvermerk vom 16. 8. 2005 festgehalten, dass nach telefonischer Mitteilung der „Frau J*****" (nach der Aktenlage eine Mitarbeiterin des JWT) „die Großmutter derzeit mit den Kindern in *****, B*****straße 108" wohne, wobei „eine Kollegin in ***** vom Vater gehört habe, dass alle (auch der Vater) Anfang September in ein Haus (P*****straße) ziehen" würden; „eine genaue Adresse wegen Zustellung" werde sie mitteilen (ON 178). Die vom Erstgericht am 5. 9. 2005 eingeholte Anfrage beim zentralen Melderegister habe [jedoch] ergeben, dass die väterliche Großmutter seit 8. 8. 2005 unter der Anschrift „B*****straße 108, *****" (als Hauptwohnsitz und einzige Adresse) gemeldet gewesen sei (ON 180), worauf das Erstgericht die Zustellung des Beschlusses ON 177 an den Vater unter dessen bis dahin unverändert bekanntgegebenen Anschrift „J*****weg 15/8, *****" sowie an die väterliche Großmutter unter der aus der eingeholten Meldeauskunft ersichtlichen Anschrift „B*****straße 108, *****" verfügt habe.
Das Erstgericht habe eine andere Abgabestelle, als die aus der eingeholten Meldeauskunft ersichtliche, nicht ohne Schwierigkeiten im Sinne des § 8 ZustG feststellen können. Es habe die Mitteilung des JWT (ON 178) zum Anlass genommen, eine Meldeanfrage einzuholen. Wenn sich diese auch zunächst nur auf die väterliche Großmutter Herta S***** bezogen habe (ON 180), sei zu beachten, dass die später eingeholte Meldeauskunft hinsichtlich des Vaters ergeben habe, dass dieser - bezogen auf den hier maßgeblichen Zustellungszeitraum im September 2005 - bis 8. 9. 2005 unter der Anschrift „S*****straße 62/19, *****" und sodann beginnend ab 9. 9. 2005 unter „St*****straße 37/28, *****" gemeldet gewesen sei (ON 192). Nach dem Rechtsmittelvorbringen habe der Vater unter jener Anschrift, an der ihm der Beschluss ON 177 zugestellt wurde, nicht gewohnt, sondern tatsächlich nur unter der Anschrift „P*****straße 52" in *****. Eine vor der veranlassten Zustellung des Beschlusses ON 177 bewirkte Einholung einer Meldeauskunft in Bezug auf den Vater hätte daher keine Bekanntgabe der im Rekurs behaupteten Abgabestelle bewirken können, weshalb ungeachtet der unterbliebenen Einholung einer ihn betreffenden Meldeauskunft die Zustellung unter der bisher bekannten, vom Vater auch persönlich bekanntgegebenen Anschrift „J*****weg 15/8, *****" im Sinn des § 8 ZustG zulässig gewesen sei.
Beide Rekurswerber hätten ihre neuen Abgabestellen - nachdem diese Adressen erst im Rahmen der am 6. 12. 2005 vor dem Bezirksgericht Graz eingelangten Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers dem Gericht bekannt geworden waren - erstmals anlässlich ihrer Vorsprache am 16. 12. 2005 vor dem Bezirksgericht Graz mit „P*****straße 52a, *****" mitgeteilt. Diese verspätete Bekanntgabe gehe insoweit zu Lasten der säumigen Rekurswerber, als die nach § 8 ZustG wirksamen Zustellungen des Beschlusses ON 177 „wirksam blieben" (vgl Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 Anh § 87 ZPO § 8 ZustG Rz 9). Dem Einwand der Rekurswerber, sich im Zustellzeitpunkt des Beschlusses ON 177 nicht unter der vom Erstgericht als Abgabestelle herangezogenen Wohnanschrift aufgehalten zu haben, sei zu erwidern, dass dies an der Wirksamkeit der bewirkten Zustellung nichts zu ändern vermöge. Ändere - wie im vorliegenden Fall - die Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis habe, die Abgabestelle, ohne dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, und werde die Aufgabe der bisherigen Abgabestelle dem Gericht auch nicht auf andere Weise bekannt, so könne weiterhin an der bisherigen Abgabestelle zugestellt werden. Eine Hinterlegung nach § 17 ZustG wirke daher als Zustellung, und zwar unabhängig davon, wo sich die Partei befinde und welche Abgabestelle für sie sonst in Betracht gekommen wäre (RIS-Justiz RS0115725). Nach dieser oberstgerichtlichen Judikatur (4 Ob 174/01v) sei davon auszugehen, dass dann, wenn die Zustellbehörde die Änderung der Abgabestelle - wegen fehlender postalischer Vermerke - nicht erkennen könne, die Verletzung der Mitteilungspflicht des Empfängers zur Folge habe, schon die - erste weitere - Zustellung an der alten Abgabestelle wirksam werden zu lassen (Stumvoll aaO § 8 ZustG Rz 10). Erlange nämlich das Gericht - wie hier - von der Änderung der Abgabestelle keine Kenntnis, so sei ihm die - in § 8 Abs 2 ZustG vor Anordnung der Zustellung durch vorausgehenden Zustellversuch aufgetragene - Feststellung der nunmehrigen Abgabestelle regelmäßig schon deshalb nicht „ohne Schwierigkeiten" möglich, weil es gar keinen Grund habe, Nachforschungen anzustellen. Dies gelte um so mehr, wenn auch aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt für die Annahme aufscheine, dass die verzogene Partei nach dem behaupteten Verlassen der gerichtlich bekannten Abgabestelle über eine Abgabestelle verfügt hätte, deren Feststellung dem Gericht möglich gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115726). Die Zustellungen des Beschlusses ON 177 durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG an die beiden Rekurswerber (9. 9. 2005 an den Vater, 12. 9. 2005 an die väterliche Großmutter) seien daher wirksam, sodass sich ihr erst am 13. 3. 2006 zur Post gegebener, gegen den Beschluss ON 177 eingebrachter Rekurs als verspätet erweise.
Da sich § 146 Abs 1 letzter Satz ZPO, wonach ein minderer Grad des Versehens die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindere, auch auf den im Gesetzestext erwähnten Sonderfall der Unkenntnis einer Partei von einer Zustellung beziehe, sei die Wiedereinsetzung der Partei auch dann zu gewähren, wenn sie von der gesetzmäßigen Zustellung leicht fahrlässig keine Kenntnis erlangt habe (vgl Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 II/2 § 146 ZPO Rz 25). Im vorliegenden Fall hätten die Rekurswerber das Erstgericht nicht von ihrer behaupteten, im Zustellungszeitpunkt aktuellen Abgabestelle in Kenntnis gesetzt, obwohl sie von der Anhängigkeit des pflegschaftsgerichtlichen Verfahrensabschnittes, der zudem durch das Begehren des Vaters unter Beitritt der väterlichen Großmutter eingeleitet worden sei, in Kenntnis gewesen seien. Dieser Verstoß gegen die Mitteilungsverpflichtung nach § 8 ZustG werde auch im Rekurs nicht in Zweifel gezogen. Auf die im Rechtsmittel in den Vordergrund gestellten Erwägungen, zu welchem Zeitpunkt die Rekurswerber nicht mehr „in der B*****straße 108", sondern tatsächlich „in der P*****straße 52" wohnhaft gewesen sein sollen, komme es daher nicht an.
Im Übrigen sei das Rekursvorbringen nicht geeignet, Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu erwecken Das Erstgericht habe zutreffend die sich aus den Parteiaussagen der Rechtsmittelwerber ergebenden Widersprüche verwertet, welchen das Rekursvorbringen nichts Stichhältiges entgegensetzen könne. Außerdem sei von den Parteien - trotz entsprechenden gerichtlichen Auftrags - jener Mietvertrag in Bezug auf „das Haus in der P*****straße 52a" sowie der darauf Bezug nehmende Meldezettel nicht vorgelegt worden, wodurch sie den von ihnen behaupteten Beginn dieses Mietverhältnisses hätten bescheinigen können. Ebenso sei das Vorbringen, dass „das Postkästchen an der Adresse B*****straße" nicht benutzbar gewesen sei, mit Ausnahme der im Rahmen der Parteienvernehmung aufgestellten diesbezüglichen Behauptung nicht weiter bescheinigt worden. Davon ausgehend sei dem Erstgericht dahin beizupflichten, dass die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zufolge der beiden Rechtsmittelwerbern anzulastenden groben Fahrlässigkeit an der Unkenntnis von der Zustellung des Beschlusses ON 177 abzuweisen sei. Soweit im Rekurs abschließend releviert werde, dass es hier „um Kinder gehe, deren Zukunft/Wohl hoffentlich nicht von einer - nach Ansicht des Gerichtes - versäumten Frist abhängt", sei anzumerken, dass durch die gemäß § 21 AußStrG nF iVm § 146 ZPO zu treffende Entscheidung eine weitere Antragstellung der Parteien in der Frage der Obsorgezuteilung unter dem Aspekt der Wahrung des Kindeswohls nicht gehindert werde. Demnach könne der durch die Versäumung der Frist entstehende Rechtsnachteil im Sinn des § 21 AußStrG nF durchaus auch durch einen neuen Antrag abgewendet werden.
Da nach § 21 AußStrG nF nicht auf die sonstigen Rechtsmittelbestimmungen der ZPO verweisen werde, seien insoweit die Bestimmungen des AußStrG anzuwenden (Fucik/Kloiber, AußStrG § 21 Rz 2). Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nF zulässig, weil im Rahmen der hier als Vorfrage zu lösenden Problemstellung der Wirksamkeit der Zustellung das Rekursgericht der zu § 8 ZustG ergangenen, jedoch bisher - soweit überblickbar - vereinzelt gebliebenen oberstgerichtlichen Entscheidung 4 Ob 174/01v gefolgt sei; (im Einzelfall noch nicht entschiedungserheblich vgl hiezu 8 Ob 103/03h [richtig: 8 Ob 103/03k] und 1 Ob 282/03g), wonach dann, wenn die Zustellbehörde die Änderung der Abgabestelle - wegen fehlender postalischer Vermerke - nicht erkennen konnte, die Verletzung der Mitteilungspflicht des Empfängers zur Folge habe, schon die erste weitere Zustellung an der alten Abgabestelle wirksam werden zu lassen (vgl auch Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 Anh § 87 ZPO, § 8 ZustG Rz 10). Außerdem liege noch keine oberstgerichtliche Judikatur zu der in § 21 AußStrG nF normierten weiteren Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung vor, wonach der sich aus der Versäumung ergebende Nachteil weder durch ein Rechtsmittel, noch durch einen neuen Antrag abgewendet werden könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit den Anträgen, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rekursfrist gegen den Beschluss vom 10. 8. 2005 (ON 177) bewilligen, in eventu die angefochtenen Beschlüsse aufheben und die Rechtssache an das Erst- oder Rekursgericht zurückverweisen. Die Kinder haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die Rekurswerber vertreten weiterhin den Standpunkt, der „Obsorgebeschluss" (ON 177) sei nicht rechtswirksam an sie zugestellt worden. Da dem Erstgericht noch vor der Zustellung durch eine Mitarbeiterin des JWT mitgeteilt worden sei, diese habe von einer Kollegin gehört, dass „alle" (gemeint die Antragsteller mit den Kindern) in das Haus P*****straße 10 ziehen würden, wobei sie (auch) die Mitteilung der genauen Zustelladresse angekündigt habe, sei der vorliegende Fall mit der Entscheidung 4 Ob 174/01v nicht vergleichbar. Das Erstgericht habe die Nachforschungspflicht verletzt, weil es die konkrete Zustellanschrift bei den zuständigen Mitarbeitern des JWT ohne Schwierigkeiten hätte erfahren können. Die Zustellung sei daher nicht rechtswirksam und das angelastete Fehlverhalten nur als minderer Grad des Versehens anzusehen. Die Antragsteller hätten die behördliche Ummeldung zwar nicht sofort, aber doch im Oktober 2005 vorgenommen und die neue Anschrift bei einer persönlichen Vorsprache vor Gericht im Dezember 2005 ohnehin bekannt gegeben.
Dazu ist vorweg Folgendes festzuhalten:
Das Rekursgericht hat die Wirksamkeit der Zustellung des Beschlusses ON 177 an die Antragsteller (durch Hinterlegung) mit der Begründung bejaht, eine solche sei iSd § 8 ZustG zulässig gewesen. Nach dieser Gesetzesstelle, die auch in Verfahren außer Streitsachen anzuwenden ist (§ 24 Abs 1 AußStrG), hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen (Abs 1); wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (Abs 2). Die Behörde hat also Erhebungen zur Ermittlung einer neuen Abgabestelle durchzuführen, wobei allerdings nur die Verpflichtung besteht, einfache, zumutbare Hilfsmittel heranzuziehen (9 Ob 296/00w mwN). Nach der Rechtsprechung entspricht die Behörde [grundsätzlich] der Ausforschungspflicht, wenn sie bei natürlichen Personen eine entsprechende Anfrage an die Meldebehörde richtet; ob eine Feststellung der neuen Abgabestelle „ohne Schwierigkeiten" möglich ist, muss jedoch [immer] nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (RIS-Justiz RS0115026).
Demgemäß berufen sich die Rekurswerber zu Recht weiterhin auf fehlende Rechtswirksamkeit der Zustellung des Beschlusses ON 177, weil das Erstgericht im vorliegenden Fall jedenfalls auch Rücksprache mit dem JWT hätte halten müssen, um die nach der Information über die Adressänderung (Amtsvermerk vom 16. 8. 2005, ON 178) bestehende Ausforschungspflicht iSd zitierten Gesetzesstelle zu erfüllen; dies wäre nämlich „ohne Schwierigkeiten" (9 Ob 296/00w mwN) möglich gewesen, bevor die Zustellung dieses Beschlusses verfügt wurde: Hatte doch eine Mitarbeiterin des JWT am 16. 8. 2005 nicht nur auf die unmittelbar bevorstehende Änderung der Abgabestelle der Minderjährigen und der Antragsteller (Übersiedlung in ein Haus in der P*****straße ab „Anfang September") hingewiesen, sondern auch die Mitteilung einer genauen Adresse „wegen Zustellung des Beschlusses" angekündigt.
Damit waren aber auch die von der neueren Judikatur (4 Ob 174/01v = RIS-Justiz RS0115725 und RS0115726; RS0115026; [vgl auch: 1 Ob 282/03g und 8 Ob 103/03k]) geforderten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der - ersten weiteren - Zustellung an der alten Abgabestelle, auf die sich die Rekursentscheidung beruft, nicht erfüllt. Mit der somit (auch bei einer Beurteilung der Hinterlegung nach § 8 ZustG) gegebenen Gesetzwidrigkeit der Zustellung des Beschlusses ON 177 an die Antragsteller hätte sich das Rekursgericht aber bereits aufgrund des gegen die Abweisung ihres Zustellantrages erhobenen Rekurses, über den bisher noch nicht entscheiden wurde, beschäftigen müssen. Hier ist jedoch der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu behandeln und zunächst auf die Zulässigkeit diese Rechtsmittels einzugehen:
Gemäß § 17 AußStrG aF fanden die Vorschriften der Prozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder Tagsatzung auch in Geschäften außer Streitsachen Anwendung, sofern mit der Versäumung ein Rechtsnachteil verbunden war, der nicht durch eine Beschwerde an den höheren Richter oder durch eine Eingabe gutgemacht werden konnte. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung in der jeweils geltenden Fassung über die Wiedereinsetzung waren nach ständiger Rechtsprechung auch für die Rechtsmittelordnung anzuwenden, sodass in diesem Teilbereich nicht nur die Bestimmung des § 153 ZPO, sondern auch die des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO galt, wonach der Revisionsrekurs gegen bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichtes jedenfalls unzulässig war (RIS-Justiz RS0007113; RS0007118; zuletzt: 6 Ob 317/03s). Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Rekursgerichtes, mit dem - wie hier - die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestätigt wurde, war daher gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht zulässig (5 Ob 94/04s mwN). Im vorliegenden Fall ist der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichtes im Wiedereinsetzungsverfahren jedoch bereits nach § 21 AußStrG nF zu beurteilen. Darin ist zwar weiterhin die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand normiert; das neue Außerstreitgesetz hat aber nunmehr (auch insoweit) folgende Verweisungstechnik gewählt: Wird im Allgemeinen Teil des Außerstreitgesetzes auf verfahrensrechtliche Institute der ZPO (zB Wiedereinsetzung) verwiesen, so soll damit grundsätzlich nur auf das Rechtsinstitut und die dort - in Abweichung von den allgemeinen Regeln der ZPO - festgelegten Sondervorschriften (zB hinsichtlich Fristen, Kosten, Anfechtbarkeit, usw) als lex specialis verwiesen werden, nicht jedoch auch auf die allgemeinen Regeln der ZPO in diesem Bereich. Für das Beispiel der Wiedereinsetzung bedeutet dies, dass zwar die Rechtsmittelbeschränkung des § 153 ZPO gilt, nicht jedoch die allgemeine Regel des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, wonach gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz über die Verweigerung der Wiedereinsetzung ein Revisionsrekurs unzulässig ist (ErläutRV, zitiert bei Fucik/Kloiber, AußStrG 13).
Da auf die sonstigen Rechtsmittelbestimmungen der ZPO somit nicht verwiesen wird, ist nun auch bei derartigen bestätigenden Entscheidungen ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht (mehr) ausgeschlossen sondern zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen (Fucik/Kloiber aaO § 21 AußStrG Rz 2; Rechberger in Rechberger AußStrG [2006] § 21 Rz 4). Davon ist hier jedenfalls auszugehen, weil der Rechtsansicht, eine Entscheidung des Rekursgerichtes über den Rekurs gegen die Abweisung des Zustellantrages sei (wegen des „untrennbaren Zusammenhanges" zwischen den angefochtenen Entscheidungen) „ausgeschlossen", wenn dieser Rekurs - wie hier - neben einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die (allenfalls doch versäumte) Rekursfrist erhoben wird, wobei „unter einem" auch der - allenfalls versäumte - Rekurs (gegen den Beschluss ON 177) nachgeholt wird, die Grundlage fehlt:
Richtig ist, dass ein Rekurs gegen die Abweisung eines Zustellantrages nicht der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung nach § 87 Abs 2 ZPO iVm § 24 Abs 1 AußStrG unterliegt; damit sind nämlich nur Anordnungen nach dem mit „Zustellungen" überschriebenen zweiten Titel, Zweiter Abschnitt, Erster Teil der ZPO gemeint, worunter neben der Zustellverfügung (§ 123 ff Geo) auch die Anordnung der neuerlichen Zustellung einer Entscheidung verstanden wird (RIS-Justiz RS0113341 = 3 Ob 227/99z). Darüber hinausgehende Entscheidungen des Gerichts, wie etwa die Abweisung eines Antrags auf Zustellung von Beschlussausfertigungen, sind hingegen von der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung nicht erfasst, weil andernfalls Verfahrensbeteiligten die Rechtsmittelmöglichkeit auch gegen die in der Sache selbst ergehenden Beschlüsse abgeschnitten werden könnte (RIS-Justiz RS0102243; 1 Ob 632/95; Stumvoll in Fasching/Konecny² II/2 § 87 ZPO Rz 11).
Ist von einer (abgesonderten) Anfechtbarkeit des Beschlusses ON 195 auszugehen, dann haben aber die Vorinstanzen die Reihung der Anträge im Schriftsatz vom 13. 3. 2006 (ON 197), die nach ständiger Rechtsprechung keine unzulässige bedingte Verfahrenshandlung darstellt (10 ObS 128/01y; RIS-Justiz RS0006429; RS0006441; RS0036501; RS0037502; RS0043274), missachtet, wenn sie - vor Erledigung des Rekurses gegen die Abweisung des Zustellantrags - bereits die Berechtigung des Antrags auf Wiedereinsetzung prüften. Nach § 107 Abs 1 Z 2 AußStrG können angefochtene Beschlüsse zwar auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei geändert werden, wenn dies das Wohl des betroffenen Minderjährigen verlangt. Daraus folgt, dass dann, wenn es das Kindeswohl verlangt, auch von einer Reihung der Anträge abgegangen werden kann. Eine derartige Vorgangsweise ist im vorliegenden Fall im Interesse der Minderjährigen aber nicht geboten. Da - nach der eindeutigen Reihung der Rekursschrift ON 197 - in erster Linie Rekurs gegen die Abweisung des Zustellantrages erhoben wurde und außerdem ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde, ist hier also zunächst über den Rekurs zu entscheiden (RIS-Justiz RS0007046). Auf den Wiedereinsetzungsantrag wäre hingegen erst einzugehen, wenn die Rechtswirksamkeit der Zustellung des Beschlusses ON 177 an die Antragsteller endgültig feststünde, also erst nach Rechtskraft der abweisenden Entscheidung über ihren Zustellantrag. Das Gericht zweiter Instanz hätte daher die verfrühte Beschlussfassung des Erstgerichtes über den Wiedereinsetzungsantrag aufheben, über den (mittlerweile an sämtliche Parteien zugestellten) - zuvor erhobenen -, Rekurs gegen die Abweisung des Zustellantrages entscheiden und dem Erstgericht die Zustellung des Beschlusses ON 177 gegebenenfalls an die Antragsteller auftragen müssen. Dies wird nunmehr (nach der Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen) nachzuholen sein.
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