OGH 10Ob61/07d

OGH10Ob61/07d26.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin B*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann, Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V***** L*****- und H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen EUR 192.583,01 sA und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,- -), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Februar 2007, GZ 3 R 137/06f-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. August 2006, GZ 6 Cg 25/06y-10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Bank hat dem Kläger, einem in Bregenz wohnhaften Hilfsarbeiter, im August 2001 für eine ihr von ihm - nach einem Lottogewinn - in der Höhe von ATS 7,881.996,-- überlassene Spareinlage zu Konto Nr ***** ein auf seinen Namen lautendes und durch ein Losungswort gesichertes Sparbuch ausgestellt, welches über Ersuchen des Klägers vorerst von der Beklagten in Verwahrung genommen wurde.

In diesem Sparbuch waren folgende - auszugsweise wiedergegebene - „Bestimmungen für Spareinlagen" abgedruckt:

„Losungswort

Um unbefugte Abhebungen zu verhindern, kann der aus einer Spareinlage Berechtigte den Vorbehalt machen, dass Verfügungen nur gegen Angabe eines von ihm bestimmten Losungswortes oder gegen Abgabe seiner Unterschrift vorgenommen werden dürfen ...

Rückzahlungen

...

2.) Unbeschadet des Rechtes der L***** auf Prüfung der Legitimation ist diese berechtigt, aber nicht verpflichtet, an jeden Vorleger des Sparbuches - ohne Rücksicht auf die Bezeichnung - Zahlungen zu leisten, soweit nicht eine Meldung über den Verlust des Sparbuches, ein behördliches Verbot oder eine behördliche Sperre die Auszahlung hemmen ...".

Da der Kläger beabsichtigte, seiner Bekannten Claudia S***** eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, erkundigte er sich telefonisch bei Matthias L*****, einem Mitarbeiter der Beklagten, ob und wie eine Behebung eines Geldbetrages von seinem Sparbuch durch seine Bekannte Claudia S***** möglich sei. Der erwähnte Mitarbeiter der Beklagten teilte dem Kläger mit, dass dessen Bekannte das Losungswort kennen müsse sowie zur Identifizierung einen Reisepass mitbringen solle.

In der Folge begab sich Claudia S***** am 25. 10. 2001 zur beklagten Bank, nannte das Losungswort, legte ihren auf Claudia D***** lautenden Reisepass vor, von welchem eine Kopie angefertigt wurde, und behob schließlich ATS 60.000,-- vom Sparbuch des Klägers, welches ihr auf Grund eines Versehens der Beklagten mitgegeben wurde. In weiterer Folge übergab Claudia S***** dem Kläger das Sparbuch. Dieser tätigte am 2. 11. 2001 eine weitere Abhebung über ATS 70.000,- -.

Wenige Tage später ersuchte Claudia S***** den Kläger um eine weitere Zuwendung, nunmehr in der Höhe von ATS 700.000,- -. Der Kläger fand sich bereit, Claudia S***** auch diesen Betrag zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck übergab er ihr das Sparbuch, worauf sich Claudia S***** abermals zu den Geschäftsräumen der Beklagten begab und am 12. 11. 2001 einen Betrag in der Höhe von ATS 700.000,-- vom Sparbuch des Klägers abhob.

Am darauf folgenden Tag (13.11. 2001) behob Claudia S***** weitere ATS 2,600.000,-- und am 15. 11. 2001 weitere ATS 50.000,-- vom Sparbuch des Klägers, wobei diese beiden Abhebungen ohne Wissen und Willen des Klägers erfolgten. Nach den beiden letzterwähnten Abhebungen hinterlegte Claudia S***** das Sparbuch des Klägers beim Schalter der Beklagten. Da sie in weiterer Folge für den Kläger nicht mehr erreichbar war und ihm auch das Sparbuch nicht mehr ausgefolgt hat, wandte sich der Kläger schließlich an die Beklagte, von welcher er über die beiden - ohne sein Wissen und gegen seinen Willen getätigten - letzten Abhebungen informiert wurde. Claudia S***** wurde schließlich mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch (AZ 21 Hv 11/05v) wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 tGB verurteilt und schuldig erkannt, dem Kläger als Privatbeteiligter EUR 182.583,01 zu bezahlen. Claudia S***** hat dem Kläger bisher die von ihr behobenen Geldbeträge von ATS 2,600.000,-- und ATS 50.000,-- nicht - auch nicht teilweise - ersetzt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen EUR 192.583,01 (= ATS 2,650.000,- -) samt 8 % Stufenzinsen zu bezahlen. Hilfsweise wird begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen auf seinem Sparbuch EUR 188.949,37 mit Wertstellung 13. 11. 2001 und EUR 3.633,64 mit Wertstellung 15. 11. 2001 als Guthaben einzubuchen. Mit diesem Leistungsbegehren verband der Kläger ein Feststellungsbegehren, wonach die Beklagte verpflichtet sei, ihm für alle künftigen nachteiligen Folgen der beiden verfahrensgegenständlichen Barauszahlungen vom 13. 11. 2001 und 15. 11. 2001 zu haften. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte schulde ihm den Hauptsachenbetrag von EUR 192.583,01 aus dem mit ihr geschlossenen Spareinlagenvertrag, verweigere jedoch zu Unrecht eine Rückzahlung des ihr überlassenen Betrages. Auf die beiden Auszahlungen an Claudia S***** könne sich die Beklagte mangels einer schuldbefreienden Wirkung dieser Zahlungen nicht mit Erfolg berufen. Gemäß § 32 Abs 4 BWG sei die Beklagte zu einer Auszahlung aus dem Sparbuch - einem sogenannten Großbetragssparbuch - nur an den Kläger als identifizierten Kunden berechtigt gewesen. Eine Vertretungsmacht der Claudia S***** habe nicht bestanden und habe die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer Anscheinsvollmacht gehabt. Aus einer vom Kläger gegen Claudia S***** sowie gegen andere - durch die behobenen Geldbeträge gleichfalls unberechtigt bereicherte - Personen beabsichtigte Rechtsverfolgung drohe dem Kläger ein weiterer - der Höhe nach derzeit noch nicht absehbarer - Schade, sodass er auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen nachteiligen Folgen aus den beiden verfahrensgegenständlichen Sparbuchbehebungen habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, die Klagsforderung bestehe nicht zu Recht, weil sie die beiden Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung an Claudia S***** geleistet habe. Diese habe nämlich in beiden Fällen der Beklagten das Sparbuch vorgelegt, das vom Kläger gewählte Losungswort genannt und ihre Identität durch Vorlage eines Reisepasses nachgewiesen, sodass die Beklagte auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 32 Abs 4 BWG zur Auszahlung an Claudia S***** als identifizierte Inhaberin der Sparurkunde berechtigt gewesen sei. Zwischen den Parteien sei überdies die Anwendung der „Bestimmungen für Spareinlagen" vereinbart gewesen. Jedenfalls habe die Beklagte auf eine Berechtigung der Claudia S***** vertrauen dürfen, zumal der Kläger ihr sein Sparbuch überlassen und ihr auch das mit der Beklagten vereinbarte Losungswort genannt habe. Auf Grund dieser Umstände müsse sich der Kläger seinen Schaden selbst zurechnen lassen; jedenfalls werde der Einwand eines erheblichen Mitverschuldens des Klägers erhoben. Das Feststellungsbegehren sei ebenfalls nicht berechtigt. Bestritten werde insbesondere auch, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, im Falle einer anderweitigen Veranlagung des Hauptsachenbetrages 8 % Zinsen hieraus zu lukrieren.

Der Kläger hielt dem entgegen, dass eine Anwendung der „Bestimmungen für Spareinlagen" zwischen den Parteien nicht vereinbart worden sei.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren vorerst auf eine Prüfung des Grundes des vom Kläger erhobenen Anspruches ein und wies schließlich das Klagebegehren zur Gänze ab. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt gelangte es in seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, die Beklagte sei berechtigt gewesen, die beiden verfahrensgegenständlichen Auszahlungen aus dem Sparguthaben des Klägers an Claudia S***** durchzuführen, nachdem ihr diese das Sparbuch des Klägers vorgelegt, das zwischen den Streitteilen vereinbarte Losungswort genannt und der Beklagten gegenüber ihre Identität durch Vorlage ihres Reisepasses nachgewiesen habe. Jedenfalls habe die Beklagte zu Recht davon ausgehen dürfen, dass Claudia S***** - wie bereits zuvor - zu weiteren Behebungen vom Sparbuch des Klägers berechtigt sei. Durch sein vorgängiges Verhalten habe der Kläger der Beklagten gegenüber jedenfalls den Anschein einer Bevollmächtigung der Claudia S***** geschaffen, sodass zumindest vom Vorliegen einer Anscheinsvollmacht auszugehen sei. Der Kläger müsse sich daher jedenfalls den Anschein einer Bevollmächtigung der Claudia S***** und damit auch deren Verhalten zurechnen lassen. § 32 Abs 4 BWG lasse Auszahlungen aus einem sogenannten Großbetragssparbuch (mit einem Einlagenstand von EUR 15.000,-- oder mehr) an einen Vertreter des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden weiterhin zu, sofern - wie hier - auch die Identität des Vertreters von der Bank geprüft und festgehalten werde.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung insbesondere darauf, dass nach der hier bereits anzuwendenden Bestimmung des § 32 Abs 4 Z 2 BWG idF der BWG-Novelle 2000 (BGBl I 2000/33) eine Auszahlung aus Spareinlagen, deren Guthabensstand mindestens S 200.000,-- oder Schilling-Gegenwert betrug, oder die auf den Namen des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden lauteten, nur an den gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden (= Kläger) vorgenommen werden dürfe. Die in den „Bestimmungen für Spareinlagen" unter „Rückzahlungen" enthaltene Klausel, wonach die Beklagte berechtigt, aber nicht verpflichtet sei, an jeden Vorleger des Sparbuches - ohne Rücksicht auf die Bezeichnung - Zahlungen zu leisten, soweit nicht eine Meldung über den Verlust des Sparbuches, ein behördliches Verbot oder eine behördliche Sperre die Auszahlung hemme, verstoße daher gegen die zwingende Bestimmung des § 32 Abs 4 Z 2 BWG idF der BWG-Novelle 2000 und könne daher schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung gelangen. Als Folge der durch diese BWG-Novelle 2000 bewirkten Änderung der Bestimmungen des § 32 Abs 4 BWG seien sogenannte „Großbetragssparbücher" (mit einem Guthabensstand von mindestens S 200.000,-- - nunmehr zumindest EUR 15.000,- -) nicht weiter als Inhaberpapiere, sondern als Rektapapiere (in der Form qualifizierter Legitimationspapiere) zu beurteilen. Es dürfe daher - schon nach dem Wortlaut des Gesetzes - eine Auszahlung aus einem sogenannten Großbetragssparbuch nur an den gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden vorgenommen werden. Darüber hinaus stehe der Wortlaut des § 32 Abs 4 BWG einer Auszahlung - aus einem Großbetragssparbuch - an einen (wirklichen) Vertreter des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden nicht entgegen, wenn eine Identifizierung (im Sinn des § 40 Abs 1 BWG) auch des Vertreters erfolge. Demgemäß seien auch Auszahlungen aus Großbetragssparbüchern an Personen, die zwar nicht tatsächlich bevollmächtigt seien, die jedoch nach den Regeln der Anscheinsvollmacht dem nach § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden zuzurechnen seien, als rechtswirksam zu beurteilen. Dazu sei jedoch erforderlich, dass der Anschein durch ein Verhalten des nach § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden geschaffen worden sei.

Es treffe zwar zu, dass sich der Kläger zunächst mit einem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch in Verbindung gesetzt und sich bei diesem erkundigt habe, „ob und wie es möglich sei, dass seine Bekannte Claudia S***** einen Geldbetrag von seinem Sparbuch beheben könne", doch sei hieraus eine Mitteilung des Klägers an die Beklagte über eine generelle Ermächtigung der Claudia S*****, jederzeit einen Betrag beliebiger Höhe von seinem Sparbuch beheben zu dürfen, nicht ableitbar. Auch sei aus dem Umstand, dass der Kläger vor den beiden verfahrensgegenständlichen Behebungen Claudia S***** das mit der Beklagten vereinbarte Losungswort mitgeteilt und zwei vorgängige Behebungen durch Claudia S***** zugelassen habe, nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ableitbar, er habe sie auch zur Durchführung der beiden verfahrensgegenständlichen Sparbuchbehebungen ermächtigt. Das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht sei grundsätzlich - im vorliegenden Fall insbesondere auch unter Bedachtnahme auf § 32 Abs 4 BWG - streng zu prüfen und - wie hier - im Falle jedenfalls verbliebener Zweifel zu verneinen. Das Berufungsgericht gelange daher zu dem Ergebnis, dass den beiden verfahrensgegenständlichen Auszahlungen der Beklagten aus dem Sparguthaben des Klägers eine schuldbefreiende Wirkung nicht zukomme, sodass die Beklagte dem Begehren des Klägers, ihm aus dem Sparguthaben EUR 192.583,01 (= ATS 2,650.000,- -) auszuzahlen, nicht mit Erfolg die von ihr ohne schuldbefreiende Wirkung an Claudia S***** vorgenommenen Auszahlungen gleicher Höhe entgegenhalten könne.

Dennoch sei die Sache noch nicht spruchreif im Sinne der Stattgebung des Leistungsbegehrens, weil Auszahlungen aus einer Spareinlage nur gegen Vorlage einer Sparurkunde zu leisten seien und im Falle eines Verfügungsvorbehaltes nach § 31 Abs 3 BWG dem Kreditinstitut das vereinbarte Losungswort zu nennen sei. Neben diesen beiden für die vom Kläger begehrte Auszahlung zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen werde das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien auch die Berechtigung des Feststellungs- sowie des Zinsenbegehrens des Klägers näher zu erörtern und die dazu notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 32 Abs 4 Z 2 BWG und insbesondere auch zu der - im Schrifttum umstrittenen - Frage des wertpapierrechtlichen Charakters der sogenannten Großbetragssparbücher nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteiles abzuändern.

Der Kläger beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben bzw ihm dahin Folge zu geben, dass dem Haupt- oder Eventualbegehren unter Einfügung des Passus, dass die Zahlung bzw Einbuchung gegen Vorlage des Namens - und Großbetragssparbuches „Martin B*****, Nr *****" und gegen Nennung des Losungswortes „*****" zu erfolgen habe, stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass sich bei richtiger Auslegung der BWG-Novelle 2000 an der Rechtsnatur des Sparbuches als Inhaberpapier nichts geändert habe, weshalb sie berechtigt gewesen sei, die verfahrensgegenständlichen Auszahlungen an Claudia S***** mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber dem Kläger vorzunehmen. Im Übrigen habe die Beklagte von einer Vollmacht der Claudia S***** zur Behebung der Beträge ausgehen dürfen. Der Kläger habe sich zumindest schlüssig mit der Auszahlung der verfahrensgegenständlichen Beträge an Claudia S***** gegen Nennung des Losungswortes und Identifizierung - wie sie auch nach den Sparbuchbedingungen zulässig sei - einverstanden erklärt.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach der bis 31. 10. 2000 geltenden Fassung des § 32 Abs 4 BWG war das Kreditinstitut - von hier nicht weiter in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - berechtigt, an jeden Vorleger einer Sparurkunde Zahlung zu leisten, auch wenn sie auf eine bestimmte Bezeichnung, insbesondere auf Namen, lautet, soweit nicht eine Meldung über den Verlust der Sparurkunde, ein behördliches Verbot oder eine behördliche Sperre die Auszahlung hemmt. In diesem Sinne sahen auch die auf der Rückseite des Sparbuches des Klägers noch abgedruckten „Bestimmungen für Spareinlagen" vor, dass unbeschadet des Rechtes der L***** auf Prüfung der Legitimation diese berechtigt, aber nicht verpflichtet sei, an jeden Vorleger des Sparbuches - ohne Rücksicht auf die Bezeichnung - Zahlungen zu leisten, soweit nicht eine Meldung über den Verlust des Sparbuches, ein behördliches Verbot oder eine behördliche Sperre die Auszahlung hemmen. Nach dieser Rechtslage durfte daher die Bank (selbst bei Ausgabe eines Sparbuches als Namenspapier) auf Grund der Bestimmung des § 32 Abs 4 BWG aF grundsätzlich schuldbefreiend Auszahlungen an jeden Vorleger des Sparbuches ohne Prüfung dessen materieller Berechtigung leisten (vgl Wbl 2005/125, 232) und darüber hinaus traf die Bank weder bei Abschluss des Spareinlagevertrages noch bei Auszahlungen eine Verpflichtung zur Feststellung der Identität des Kunden.

Durch die BWG-Novelle 2000 (BGBl I 2000/33) sollte - über Drängen insbesondere auch der Financial Action Task Force (FATF) - die sogenannte „Geldwäsche-Richtlinie" (91/308/EWG) umgesetzt und hiezu - zumindest ab einem gewissen Schwellenwert - die Anonymität der Sparbücher beseitigt werden. Die BWG-Novelle (und damit die Aufhebung der Sparbuchanonymität) trat mit 1. 11. 2000 in Kraft (§ 103b BWG). Seit diesem Zeitpunkt ist die Bank (bei sonstiger Verwaltungsstrafe gemäß § 98 Abs 2 Z 6 BWG) verpflichtet, in jedem Falle einer Sparbucheröffnung eine Identifizierung des Kunden gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BWG vorzunehmen. Weiters darf die Bank gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG bei Spareinlagen, deren Guthabensstand mindestens S 200.000,-- oder Schilling-Gegenwert (nunmehr EUR 15.000,-- oder EUR-Gegenwert) beträgt oder die auf den Namen des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden lauten, jegliche Auszahlungen nur an den identifizierten Kunden vornehmen. Wie Roth, Die Rechtsnatur des Sparbuches nach neuem Recht, ÖBA 2001, 295 ff [298 f] überzeugend nachgewiesen hat, ist in der in § 32 Abs 4 Z 2 BWG normierten Einschränkung der Auszahlungsbefugnis „an den gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden" grundsätzlich die Auszahlung an den ursprünglichen Sparkunden und Kontoinhaber, den Eröffner des Sparkontos, gemeint (vgl auch 7 Ob 65/06v = JBl 2007,  78 [Anm Dullinger/Nußbaumer] = ÖBA 2007/1387, 56 [Anm Apathy]). In diesem Sinne formulierte auch der Finanzausschuss in seinem Bericht (vgl AB 157 BlgNR XXI. GP 3), dass „(grundsätzlich) nur an den identifizierten Kunden selbst ausbezahlt werden" dürfe sowie das Finanzministerium in seinen Schreiben vom 25. 7. und 7. 9. 2000, dass „es sich zweifelsfrei um jenen Kunden" handle, „der bei erstmaliger Anknüpfung der dauernden Geschäftsbeziehung identifiziert wurde" (vgl Roth aaO ÖBA 2001, 298 f mwN). Auch die Finanzmarktaufsichtsbehörde hat in einem Rundschreiben zur Identitätsfeststellung vom 30. 1. 2006 (Beil 2) dahingehend Stellung genommen, dass aus Spareinlagen, deren Guthabensstand mindestens EURO 15.000,-- oder EURO-Gegenwert beträgt, nur an den Kunden ausbezahlt werden darf, der im Rahmen der Anknüpfung der dauernden Geschäftsbeziehung identifiziert wurde und auf den die Spareinlage lautet (§ 32 Abs 4 Z 2 BWG aE). Sollte das Sparbuch von einer anderen Person präsentiert werden, so ist diese zu identifizieren und es ist eine Bescheinigung zu verlangen, die belegt, dass die Rechtsnachfolge oder entsprechende Bevollmächtigung in der Person gründet, die zuletzt zu diesem Sparbuch identifiziert wurde. Die Kreditinstitute haben einen entsprechend hohen Sorgfaltsmaßstab anzuwenden (vgl Pkt. 57 der Beil 2).

Unabhängig von der im Schrifttum strittigen Frage der wertpapierrechtlichen Qualifikation der Namenssparbücher und Großbetragssparbücher nach der BWG-Novelle 2000 (vgl dazu Nitsche, Sparbuch: Anonymität und Wertpapiercharakter, ÖBA 2000, 1055 ff; Roth aaO ÖBA 2001, 295 ff; Nußbaumer, Die Umsetzung der Geldwäscherichtlinie in Österreich [2004] 137 ff; Aicher/F. Schuhmacher, Wertpapierrecht [2006] 70 ua) handelt es sich beim Verbot der Auszahlung an einen anderen als den erstidentifizierten Sparbuchinhaber gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG jedenfalls um eine gesetzliche Bestimmung, welche die Berechtigung der Bank zur (schuldbefreienden) Zahlung regelt. In der österreichischen Judikatur und Lehre wurde nämlich nie gezögert, die einschlägigen Vorschriften des BWG und des früheren KWG als Rechtsgrundlage für die Bestimmung der Rechtsnatur des Sparbuches und anderer (privatrechtlicher) Rechtsfolgen heranzuziehen (vgl Roth aaO ÖBA 2001, 296; SZ 50/127; SZ 43/121 ua). Da es sich bei der Bestimmung des § 32 Abs 4 Z 2 BWG um (allseits) zwingendes Recht handelt, kann die Anwendung dieser Regelung durch Parteienvereinbarung nicht mehr ausgeschlossen werden. Daher sind die im Sparbuch des Klägers enthaltenen „Bestimmungen für Spareinlagen", selbst wenn sie durch Parteienvereinbarung zum Inhalt des Spareinlagevertrages gemacht worden wären, jedenfalls insoweit wirkungslos, als sie das Auszahlungsverbot des § 32 Abs 4 Z 2 BWG abändern wollen.

Im vorliegenden Fall muss nicht weiter untersucht werden, ob trotz des einschränkenden Wortlautes des Auszahlungsverbotes nach § 32 Abs 4 Z 2 BWG auch Spareinlagen im Sinne dieser Gesetzesstelle übertragen werden können (vgl dazu jüngst 8 Ob 22/07d Roth aaO ÖBA 2001, 299 f; Dullinger/Nußbaumer in ihrer Entscheidungsanmerkung in JBl 2007, 179 f), da eine solche Übertragung der Spareinlage durch den Kläger an Claudia S***** nicht festgestellt und von der Beklagten auch gar nicht behauptet wurde. Hinreichend geltend gemacht wurde von der Beklagten hingegen der Einwand, dass sie mit Recht auf eine Bevollmächtigung der Claudia S***** zur Abhebung der beiden verfahrensgegenständlichen Beträge vertraut habe, da ihr der Kläger sein Sparbuch überlassen und ihr auch das mit der Beklagten vereinbarte Losungswort genannt habe. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der Wortlaut des Auszahlungsverbotes des § 32 Abs 4 Z 2 BWG einer Auszahlung an einen - mit einer banküblichen Vollmacht oder einem sonstigen Nachweis einer Vertretungsmacht ausgestatteten - Bevollmächtigten des Kunden nicht entgegen (Apathy aaO ÖBA 2007, 58; Roth aaO ÖBA 2001, 299 mwN). Auszahlungen an den (wirklichen) Vertreter des identifizierten Kunden sind daher in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechtes und § 1424 ABGB wirksam. Die Bestimmung des § 32 Abs 1 Z 4 BWG will die Geldwäsche verhindern, wofür es genügt, wenn sich der Vertreter entsprechend § 40 Abs 1 BWG identifiziert und seine Vertretungsbefugnis anhand geeigneter Bescheinigungen überprüft wird. Demgemäß sind auch Auszahlungen aus Namenssparbüchern bzw Großbetragssparbüchern an Personen, die zwar nicht tatsächlich bevollmächtigt sind, die jedoch nach den Regeln der Anscheinsvollmacht dem nach § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden zuzurechnen sind, als rechtswirksam zu beurteilen. Dazu ist jedoch erforderlich, dass der Anschein durch ein Verhalten des identifizierten Kunden geschaffen wurde (Apathy aaO ÖBA 2007, 58 mwN).

Während eine stillschweigende Vollmachtserteilung im Sinne des § 863 ABGB voraussetzt, dass der Dritte aus dem Verhalten des Vertretenen folgern darf, dieser wolle hiemit Vollmacht erteilen, darf Anscheinsvollmacht hingegen nur dann angenommen werden, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen nur der Schluss abgeleitet werden kann, er habe - bereits früher - Vollmacht erteilt (Wbl 1990, 247 ua; RIS-Justiz RS0014300). Der Anschein hat nicht vom Vertreter auszugehen, sondern von einem Verhalten des Vertretenen. Der Dritte durfte bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit davon ausgehen, dass der als Vertreter Handelnde tatsächlich bevollmächtigt ist. Musste der Dritte hingegen bei gehöriger Aufmerksamkeit Zweifel über die Vertretungsmacht haben, so kann er nicht auf diese vertrauen, sondern muss nachfragen (Apathy in Schwimann, ABGB3 § 1029 Rz 8 mwN). Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht müssen stets mit aller Strenge geprüft werden, weil sie die Gefahr von Scheinbegründungen in sich birgt (SZ 2003/60 mwN).

Geht man von dieser Rechtslage aus, dann hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer schlüssigen Bevollmächtigung der Claudia S***** durch den Kläger bzw das Vorliegen einer entsprechenden Anscheinsvollmacht zutreffend verneint. Soweit der Beklagte nunmehr darauf verweist, der Kläger habe einen ihrer Mitarbeiter angerufen und sich erkundigt, wie es möglich wäre, dass seine Bekannte Claudia S***** einen Geldbetrag von seinem Sparbuch abhebe, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gespräch nach den Feststellungen bereits unmittelbar vor der ersten Behebung von ATS 60.000,-- durch Claudia S***** am 25. 10. 2001 stattgefunden hat. Auch aus dem weiteren Umstand, dass der Kläger nach dieser ersten Behebung durch Claudia S***** am 2. 11. 2001 selbst eine Sparbuchbehebung durchgeführt hat, das Losungswort dabei nicht geändert hat, ist eine generelle Ermächtigung der Claudia S*****, jederzeit einen Betrag beliebiger Höhe vom Sparbuch des Klägers beheben zu dürfen, jedenfalls nicht ableitbar. Mit Rücksicht auf den vergleichsweise geringen Betrag der ersten Behebung von ATS 60.000,-- hätten der Beklagten insbesondere die ungewöhnlich hohen Barbehebungen durch Claudia S***** an zwei aufeinanderfolgenden Tagen (12. 11. 2001: ATS 700.000,- -; 13. 11. 2001: ATS 2,600.000,- -) auffallen müssen. Die Beklagte war daher auf Grund der sie treffenden Sorgfaltspflicht verpflichtet, sich insbesondere vor der Barauszahlung des Betrages von ATS 2,600.000,-- zu erkundigen, ob der Kläger Claudia S***** zur Behebung dieses außergewöhnlich hohen Bargeldbetrages ermächtigt hatte. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes hatte die Beklagte jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, Claudia S***** wäre zur Behebung dieses außergewöhnlich hohen Geldbetrages für den Kläger bevollmächtigt. Zutreffend gelangte somit das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass den beiden verfahrensgegenständlichen Auszahlungen der Beklagten aus dem Sparguthaben des Klägers eine schuldbefreiende Wirkung nicht zukommt.

Soweit das Berufungsgericht ausgehend von einer dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegenden richtigen Rechtsansicht das Leistungsbegehren einschließlich des Zinsenbegehrens sowie das Feststellungsbegehren des Klägers noch für erörterungsbedürftig hielt und in diesem Zusammenhang auch für die Entscheidung wesentliche Feststellungen vermisste, kann der Oberste Gerichtshof dieser vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung nicht entgegentreten (E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 26 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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