European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00005.14D.0225.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1500 ABGB ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers einer Liegenschaft ausgeschlossen, wenn er in schuldhafter Weise Indizien für das Abweichen des Grundbuchsstandes von der tatsächlichen Rechtslage ignoriert. Es genügt hiebei leichte Fahrlässigkeit. Der Umfang der Sorgfaltsplicht richtet sich nach der Verkehrsübung (SZ 66/152 ua). Da das Grundbuch für Dienstbarkeiten von vornherein eine geringere Aussagekraft besitzt, weil diese Rechte nicht immer lückenlos verbüchert und im Nachbarschaftsverhältnis Liegenschaften vielfach seit Generationen in dem guten Glauben mitbenützt werden, dass hiezu ein Recht bestehe, ist der Erwerber einer Liegenschaft zu Nachforschungen verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs ergeben (RIS‑Justiz RS0011676 [T1], RS0011669 ua). Eine derartige Nachforschungspflicht ist etwa dann anzunehmen, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen kann, das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (= offenkundige Dienstbarkeit ‑ RIS‑Justiz RS0011633, RS0034803). Führen diese Nachforschungen nicht zu einer Bestätigung oder zumindest zu Indizien hinsichtlich des fraglichen ersessenen Rechts, so hindert dies den Gutglaubenserwerb nicht (SZ 66/152 ua).
1.1 Nach der Rechtsprechung ist für die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit des Fahrweges ein bloßer Grasweg oder Gehweg nicht ausreichend für die Vermutung, dass hier regelmäßig gefahren wird, ein „gebahnter“ Fahrweg oder 20 cm tiefe deutlich sichtbare Fahrspuren hingegen schon (vgl RZ 1962, 173; SZ 36/92; MietSlg 32.031 ua). Offenkundig ist jedenfalls ein durch seine charakteristische terrassenförmige Anlage gekennzeichneter Bringungsweg (MietSlg 37.031 = RIS‑Justiz RS0011656). Indizien für ein Wegerecht, die sich etwa aus der Lage, Geländeformation und Bewirtschaftung von Grundstücken ergeben, können dabei den Anstoß für die Erkundigungspflicht noch verstärken, selbst wenn sie nicht den Grad der Offenkundigkeit einer dienenden Funktion des erworbenen Grundstücks erreichen (SZ 66/152; RIS‑Justiz RS0107329). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen aber nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (SZ 57/38; RIS‑Justiz RS0034776). So ist beispielsweise der Frage nach der Erreichbarkeit von Nachbargrundstücken ‑ und damit nach einem allfälligen Wegerecht ‑ in der Regel nicht nachzugehen, weil der Erwerber das Bestehen nicht verbücherter Benützungsrechte nicht geradezu vermuten muss (SZ 62/62 = RIS‑Justiz RS0034801). Für den mangelnden guten Glauben des Erwerbers einer Liegenschaft hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ist der angebliche Dienstbarkeitsberechtigte (hier: Kläger) beweispflichtig (RIS‑Justiz RS0013489, RS0034837). Der Erwerb im Vertrauen auf das Grundbuch macht eine vollendete Ersitzung wirkungslos (RIS‑Justiz RS0012151).
1.2 Ob Gründe vorliegen, die den guten Glauben an den Grundbuchsstand ausschließen, insbesondere ob im Zeitpunkt des Erwerbs des dienenden Grundstücks Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen ließen und eine Erkundigungspflicht auslösten, ist in der Regel eine Frage der Umstände des Einzelfalls, der dann nicht die in § 502 Abs 1 ZPO gefordert Qualität zukommt, wenn die Verneinung dieser Fragen durch das Berufungsgericht nicht im Widerspruch zur dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht (10 Ob 291/99p mwN ua; RIS‑Justiz RS0034870, RS0107329, RS0113777).
2. Ein solcher Widerspruch ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts ist davon auszugehen, dass im Grundbuch keine Dienstbarkeit zugunsten des Klägers bzw dessen oberhalb der vom Beklagten erworbenen Liegenschaft befindlichen Liegenschaften eingetragen war und dem Beklagten von der Nebenintervenientin als Verkäuferin der Liegenschaft zugesichert worden war, dass abgesehen von den Rechten der Oberlieger im Rahmen ihrer landwirtschaftlichen Winterbringungsrechte keine weiteren Rechte an der Liegenschaft bestehen. Der Beklagte hat die Liegenschaft mehrfach besichtigt und hat keinerlei Fahrspuren oder Gehspuren auf dieser Liegenschaft, insbesondere auch nicht auf dem vom Kläger behaupteten Geh‑ und Fahrweg, wahrgenommen. Hinsichtlich der Schneise im Wald im Bereich des nordwestlichen Teils des Grundstücks wurde ihm mitgeteilt, dass diese Schneise durch Holz‑ und Heutransporte entstanden ist. Der Beklagte wusste, dass es im Bregenzerwald üblich ist, dass Holz‑ und Heutransporte von Oberliegern im Winter über sämtliche Liegenschaften gestattet sind. Der Beklagte nahm auch wahr, dass sich auf seiner Liegenschaft vor der Schranke eine dreiecksförmige Fläche befindet, auf der Parkplätze angelegt sind. Ihm wurde allerdings mitgeteilt, dass bestimmte Personen, nämlich Herr F***** und Frau G***** dort als Gegenleistung dafür, dass sie den Parkplatz errichtet haben, ein prekaristisches Parkrecht hätten. Dass weitere Personen dort Rechte welcher Art auch immer haben, wurde dem Beklagten nicht mitgeteilt. Der Beklagte kannte das Fahrzeug des Klägers nicht und wusste nicht, dass eines oder zwei der dort parkenden Fahrzeuge dem Kläger zuzuordnen sind.
2.1 Das Berufungsgericht vertrat dazu in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, es sei für den Beklagten in natura nicht erkennbar gewesen, dass die von ihm erworbene Liegenschaft vom Kläger durch Begehen und Befahren in Anspruch genommen werde. Auch aus dem Umstand, dass an der nördlichen Grenze seiner Liegenschaft eine „Durchfahrtsschneise“ für landwirtschaftliche Winterbringungsrechte von Oberliegern bestanden habe, habe der Beklagte nicht auf ein Geh‑ und Fahrrecht des Klägers schließen müssen, weil von dort keine Fahr‑ oder Gehspuren zum weiter entfernten Ferienwohnhaus des Klägers geführt haben. Aufgrund des Umstands, dass westlich seiner Liegenschaft ein deutlich sichtbarer Gehweg vorbeiführe, hätten für den Beklagten auch keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass parallel dazu allenfalls auch noch ein weiterer „Geh‑ bzw Fahrweg“ über die „grüne Wiese“ führen könnte.
3. Eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung kann in dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichts ebenso wenig erblickt werden wie in der weiteren Rechtsansicht, der Beklagte sei auch bezüglich der Nutzung von Parkplätzen im Bereich der von ihm erworbenen Liegenschaft seiner Nachforschungspflicht in ausreichendem Ausmaß nachgekommen. So hat sich der Beklagte bei seinem Rechtsvorgänger erkundigt und es wurde ihm mitgeteilt, dass zwei unmittelbare Nachbarn als Gegenleistung dafür, dass sie den Parkplatz errichtet haben, ein prekaristisches Parkrecht hätten. Eine weitergehende Nachforschungspflicht (Ausforschung der Zulassungsbesitzer der in diesem Bereich parkenden Fahrzeuge) traf den Beklagten mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass einem weiter entfernten Grundstückseigentümer (Kläger) ein weitergehendes „Parkrecht“ zukommen könnte, nicht. Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es an einer Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit fehlt, wenn erst durch Nachforschung der Zulassungsbesitzer der einzelnen Fahrzeuge eine Rechtsausübung auch durch den Kläger in Erfahrung gebracht werden hätte können (vgl 5 Ob 238/00d).
4. Das Berufungsgericht hat daher dadurch, dass es den gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb durch den Beklagten sowohl hinsichtlich des Geh‑ und Fahrrechts als auch hinsichtlich der Parkplätze bejahte, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen und insofern keine Rechtsansicht vertreten, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Weitere erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO werden in diesem Zusammenhang in der außerordentlichen Revision des Klägers nicht aufgezeigt.
5. Schließlich wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die von ihm im Berufungsverfahren jedenfalls hilfsweise begehrte urteilsmäßige Feststellung des Bestehens eines landwirtschaftlichen Bringungsrechts für die Wintermonate stelle ein „aliud“ und kein „minus“ zu dem von ihm konkret erhobenen Feststellungsbegehren dar und es komme daher ein diesbezüglicher Zuspruch aufgrund der Bestimmung des § 405 ZPO nicht in Betracht. Dazu ist auszuführen, dass zwar auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines „minus“ grundsätzlich zulässig ist. Eine Überschreitung des § 405 ZPO liegt hiebei dann nicht vor, wenn entweder ein quantitativ geringerer Umfang des Rechts, dessen Feststellung begehrt wird, urteilsmäßig festgestellt wird oder aber anstelle des begehrten Rechts ein qualitativ geringeres Recht festgestellt wird, das aber begrifflich in dem Recht oder Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, zur Gänze seine Deckung findet (RIS‑Justiz RS0037485). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger die Feststellung eines von ihm in der Klage näher umschriebenen Geh‑ und Fahrrechts „gemäß Einzeichnung im beiliegenden Lichtbild“ auf der Liegenschaft des Beklagten begehrt. Dass der Kläger die Feststellung dieser Dienstbarkeit auch im Rahmen eines landwirtschaftlichen Winterbringungsrechts in einem anderen als in der Klage angeführten Bereich oder auch bloß an einem Teil dieses Bereichs anstrebt, ist seinem Vorbringen in keiner Weise zu entnehmen. Die Festlegung eines Geh‑ und Fahrrechts in einem anderen als in der Klage näher umschriebenen Bereich würde daher im erhobenen Begehren keine Deckung finden, somit schon aus diesem Grund den Zuspruch eines vom Begehren nicht umfassten „aliud“ bedeuten (vgl 6 Ob 226/00d = NZ 2001, 470) und daher gegen die Bestimmung des § 405 ZPO verstoßen. Auch in diesem Zusammenhang ist eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen.
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