OGH 10Ob50/24m

OGH10Ob50/24m19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen 1. A*, geboren * 2018, und 2. F*, geboren * 2021, *, beide vertreten durch das Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Magistrat der Stadt Wien, Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, 1150 Wien, Gasgasse 8–10), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der Kinder, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Juli 2024, GZ 45 R 148/24h‑14, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 5. März 2024, GZ 4 Pu 179/23g‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00050.24M.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wirdzurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der 2018 geborene A* und der 2021 geborene F* leben bei ihrer Mutter. Der Vater ist aufgrund des am 12. Dezember 2023 vor dem Bezirksgericht Fünfhaus geschlossenen Vergleichs verpflichtet, seinen Kindern einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je 400 EUR zu leisten.

[2] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Februar 2024, AZ *, wurde über das Vermögen des Vaters, Inhaber der prot. Firma G*, das Konkursverfahren eröffnet, ihm die Eigenverwaltung entzogen und ein Masseverwalter bestellt.

[3] Mit Anträgen vom 29. Februar 2024 begehrten die Kinder die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG von je 400 EUR. Den Anträgen schlossen sie eine Gleichschrift des am selben Tag eingebrachten Antrags auf Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294 EO und § 295 EO an und wiesen auf die erwähnte Konkurseröffnung hin.

[4] Das Erstgericht stellte – aufgrund eines von ihm eingeholten Versicherungsdatenauszugs – fest, dass der Vater selbständig erwerbstätig sei, und wies die Vorschussanträge ab. Unterhaltsvorschüsse nach § 3 UVG könnten nur dann gewährt werden, wenn die in § 3 Z 2 UVG vorgesehenen Schritte gesetzt worden seien. Das sei bei selbständig tätigen Unterhaltsschuldnern die Fahrnisexekution kombiniert mit der Exekution nach § 372 EO. Wenn die Antragsteller daher bloß eine Gehaltsexekution initiierten, sei das nicht ausreichend.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Voraussetzung für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss sei bei selbständig erwerbstätigen Unterhaltsschuldnern die Einleitung eines Fahrnisexekutionsverfahrens, verbunden mit der Exekution zur Sicherstellung. Die Konkurseröffnung ändere daran nichts, weil weiter auf das nicht insolvenzverfangene Vermögen zugegriffen werden könne. Dass sie von solcherart verwertbarem Vermögen keine Kenntnis gehabt und deshalb die in § 3 Z 2 UVG vorgesehenen exekutiven Schritte nicht eingeleitet hätten, hätten die Kinder nicht behauptet.

[6] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob auch im Fall der Insolvenz des Unterhaltsschuldners die Fahrnisexekution und die Exekution nach § 372 EO beantragt oder vorgebracht werden müsse, keine Kenntnis von insolvenzfreiem Vermögen zu haben, noch nicht Stellung genommen habe.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller in dem sie beantragen, den Vorschussanträgen stattzugeben.

[8] Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[10] 1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung setzt die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner den nach § 3 Z 2 UVG „richtigen“ Schritt setzt (10 Ob 61/19x ErwGr 2.1.; Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB5 § 3 UVG Rz 23 ua). Welcher Schritt das ist, hängt davon ab, welcher der beiden Gruppen des § 3 Z 2 UVG der Unterhaltsschuldner zuzurechnen ist. Ausschlaggebend dafür ist seine sozialwirtschaftliche Einordnung im Zeitpunkt des Exekutionsantrags, sofern dieser in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit dem Vorschussantrag steht (RS0131663; 10 Ob 51/20b Rz 13 f; 10 Ob 24/17b ErwGr 6. ua). Selbständig erwerbstätige Unterhaltsschuldner sind demgemäß der zweiten Gruppe, also jener ohne laufende Bezüge iSd § 290a EO (Lohn, Gehalt etc), zuzurechnen, sodass nach dem Grundfall des § 3 Z 2 UVG ein Antrag auf Fahrnisexekution kombiniert mit einer Exekution nach § 372 EO erforderlich ist (10 Ob 24/17b ErwGr 4.; 10 Ob 56/15f ErwGr 3.4. und 3.5.; 10 Ob 59/09p ErwGr 3.2. ua).

[11] 1.2. Gemäß § 10 Abs 1 IO kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 2 Abs 1 IO) wegen einer Forderung gegen den Schuldner an den zur Insolvenzmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden (RS0064140; RS0063882). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt somit, dass Einzelexekutionen gegen den Schuldner nur mehr ausnahmsweise zulässig sind (vgl RS0064140 [T1, T2]). Trotz Exekutionssperre bleibt vor allem die Exekution in das insolvenzfreie Vermögen zulässig, was unter anderem für die Hereinbringung (laufender und rückständiger) gesetzlicher Unterhaltsansprüche gilt (RS0115221; RS0037165; RS0108515; Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze § 10 IO Rz 29; vgl RS0013502).

[12] Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen in der Regel noch nicht die Annahme, eine Exekutionsführung sei iSd § 4 Z 1 UVG aussichtslos (RS0076082; RS0063910; Neumayr aaO § 4 UVG Rz 7).

[13] 2. Diese Grundsätze ziehen die Rekurswerber grundsätzlich nicht in Zweifel. Sie beziehen sich vielmehr auf die Entscheidung 10 Ob 40/14a und leiten daraus ab, dass in der Insolvenz des Unterhaltsschuldners die Fahrnisexekution in Verbindung mit der Sicherungsexekution unzulässig sei. Zudem vertreten sie den Standpunkt, die in dieser Entscheidung vertretene Ansicht sei mit dem Wortlaut des § 3 Z 2 UVG unvereinbar, weil die darin geforderten exekutiven Maßnahmen keinem der Fälle des § 3 Z 2 UVG zugeordnet werden könnten.

[14] 3. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu begründen.

[15] 3.1. Wenn die Rekurswerber aus 10 Ob 40/14a die generelle Unzulässigkeit der Exekutionsführung im Fall der Insolvenz des Unterhaltsschuldners ableiten, lässt sich der Entscheidung eine dahingehende Aussage nicht entnehmen. Tatsächlich wurde dort die Ansicht des Rekursgerichts, der Betreibende habe im Exekutionsantrag darzulegen, dass die Exekution trotz der Exekutionssperre ausnahmsweise zulässig sei (RS0000387; RS0102734), gebilligt und daraus abgeleitet, der dort gestellte Exekutionsantrag sei deshalb – und nicht wegen der Exekutionssperre – von vornherein untauglich iSd § 3 UVG gewesen (10 Ob 40/14a ErwGr 2.1.).

[16] 3.2. Worauf die Rekurswerber mit dem Einwand, die von der Rechtsprechung geforderten exekutiven Schritte seien nicht von § 3 Z 2 UVG gedeckt, hinaus wollen, ist nicht ganz klar. Selbst wenn mit der in § 3 Z 2 UVG vorgesehenen Fahrnisexekution – wovon sie anscheinend ausgehen – ein dem Vater überlassenes „Einkommen“ nicht in Exekution gezogen werden könnte, übersehen sie, dass dem Schuldner nach § 5 Abs 1 IO nicht nur ein (Erwerbs-)Einkommen aus eigener Tätigkeit, sondern auch alles zu überlassen ist, was ihm während des Insolvenzverfahrens unentgeltlich zugewendet wird. Darunter fallen sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen, unabhängig davon, von wem sie stammen und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (zB auch Schenkungen Dritter, Erbschaften etc; vgl Zoppel in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 § 5 Rz 8; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 § 5 KO Rz 17; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 5 KO Rz 14). Warum angesichts dessen eine Fahrnisexekution in Kombination mit der Exekution zur Sicherstellung stets von vornherein untauglich sein soll, erklären die Kläger nicht.

[17] 4. Die Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG und die in diesem Kontext vom Rekursgericht als erheblich erachtete Zulassungsfrage werden im Revisionsrekurs nicht (weiter) angesprochen. Es kann dazu mit dem Hinweis sein Bewenden finden, dass diese anhand der bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden kann: Zu 10 Ob 40/14a wurde klargestellt, dass im Fall der Insolvenz des Unterhaltsschuldners im Vorschussantrag die Umstände angeführt werden müssen, aus denen die Annahme einer Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung ableitbar wäre (ErwGr 3.1. und 3.3.). Das wären (dort wie im Anlassfall) konkrete und nachvollziehbare Gründe gewesen, warum exekutive Schritte nach § 3 Z 2 UVG trotz der Möglichkeit einer Exekution auf das insolvenzfreie Vermögen unterblieben sind.

[18] 5. Zusammenfassend wird im Revisionsrekurs somit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG angesprochen, sodass er zurückzuweisen ist.

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