Spruch:
Das als außerordentliche Revision zu behandelnde Rechtsmittel wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte „ihr, [gemeint: für Schäden, die] aufgrund der unsachgemäßen Montage der Isolierglasscheiben an der Fassade des Kongresshauses Salzburg entstehen, haftet“.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest, dass die Beklagte der Klägerin „für den Schaden an den Isolierglasscheiben“ an der Fassade des Kongresshauses Salzburg zu haften habe.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klageabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag der Klägerin, den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO in eine Zulassung der ordentlichen Revision abzuändern, ist verfehlt:
Nach dem Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ist hier die (außerordentliche) Revision (nur) zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt.
Die vermeintliche Unrichtigkeit des Ausspruchs des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision kann nur in einer außerordentlichen Revision geltend gemacht werden, wobei sich die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision gemäß § 508 Abs 1 ZPO inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO zu decken hat.
Der Abänderungsantrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO samt ordentlicher Revision ist daher in eine außerordentliche Revision umzudeuten (RIS-Justiz RS0110049; 5 Ob 70/07s; 10 ObS 210/09v; 9 ObA 22/10s), die jedoch unzulässig ist, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen.
In der Zulassungsbeschwerde leitet die Klägerin ihr Feststellungsinteresse daraus ab, dass ein punktueller Austausch der Glasscheiben vom Sachverständigen nicht ausgeschlossen worden sei und es ihr überlassen bleiben müsse, wie sie den Schaden beheben wolle (durch Gesamtreparatur oder Einzelaustausch bereits korrodierter Scheiben). Jedenfalls hätte ihr durch Erörterung die Möglichkeit gegeben werden müssen, ihr verfehltes Klagebegehren (weil nach dem Sachverständigengutachten kein Montagefehler und ein bereits zu beziffernder Schaden vorliege) „entsprechend“ zu ändern. Es blieben aber ohnehin Schadenersatzansprüche offen, deren Höhe erst festgestellt werden könne, wenn der Austausch der Scheiben erfolgt sei. Da das Berufungsurteil das Ersturteil im Sinn einer Klagsabweisung abändere, werde außerdem § 473a ZPO verletzt. Nach dieser Bestimmung hätte das Berufungsgericht, das seine Entscheidung auf die Feststellungen im Verfahren erster Instanz stütze, vorgehen (und zu weiterem Vorbringen auffordern) müssen.
Dem ist zu erwidern:
1. Es trifft zu, dass die Anleitungspflicht des § 182a ZPO idF ZVN 2002 insofern als erweitert angesehen wird, als nun auf ein verfehltes Klagebegehren, das nicht dem offenkundig verfolgten Rechtsschutzziel der Partei entspricht, aufmerksam zu machen und dem Kläger Gelegenheit zu geben ist, sein Klagebegehren auch dann zu ändern, wenn dies eine Klageänderung bildet.
1.1. Die jeweilige genaue Abgrenzung der vom Gericht wahrzunehmenden Prozessleitungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und geht jedenfalls nicht so weit, den Kläger etwa auf Rechtsgründe, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen und allenfalls zu ergänzenden oder zu präzisierenden Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern, hinweisen zu müssen (RIS-Justiz RS0120057).
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung hat § 182a ZPO daran nichts geändert, dass es der richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen nicht bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt vielmehr selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nämlich nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS-Justiz RS0122365; 3 Ob 207/10b; jüngst: 8 ObS 2/11v).
2. Die Frage, ob ein Verstoß der Vorinstanzen gegen die Manuduktionspflicht vorliegt, ist jeweils nur einzelfallbezogen zu beantworten und vermag daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen (RIS-Justiz RS0037300 [T31]; RS0114544; RS0120057 [T1]; jüngst: 9 ObA 87/11a; 8 ObA 23/11g; 6 Ob 108/11t). Das gilt auch für die hier beanstandete Beurteilung des Berufungsgerichts, die schon deshalb im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung liegt, weil die Beklagte sowohl den Klagsbehauptungen zur angeblich „unsachgemäßen Montage“, als auch jenen zum Vorliegen des Feststellungsinteresses (Seite 2 und 3 der Klage), von Anfang an (unter anderem) folgende konkrete Einwendungen entgegengehalten hat:
2.1. Der Einbau der Isolierglasscheiben sei nicht fehlerhaft vorgenommen worden; ein solcher Fehler habe auch nicht zum Schadenseintritt geführt; das verwendete Montagesystem („Raico“) sei vielmehr gar nie beanstandet worden; der Klägerin sei bereits möglich, eine Leistungsklage einzubringen, sodass es ihr am Feststellungsinteresse fehle (AS 10 ff = Seite 6 ff der Klagebeantwortung).
2.2. Von diesen Einwendungen ausgehend hatte die Klägerin ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen; kann doch (wie bereits ausgeführt) auch die Pflicht nach § 182a ZPO nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Prozessvorbringens der Klägerin zu zwingen, dessen Schwächen die Beklagte ohnehin bereits aufzeigte.
3. Demgemäß sind die weiteren Ausführungen zum Feststellungsinteresse darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht die Klage (auch) deshalb abgewiesen hat, weil unbekämpft feststeht, dass „keine Montagemängel“ vorlagen, die Klägerin den „Ausspruch“ der Haftung der Beklagten aber „aufgrund der unsachgemäßen Montage der Isolierglasscheiben“ anstrebt. Wie die Klägerin selbst festhält (P 5 der Rechtsmittelausführungen) hat sie ihr Begehren (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung) „ausschließlich“ darauf gestützt, dass die „klagende“ (gemeint: beklagte) Partei durch eine „fehlerhafte Montage“ einen Schaden verursacht habe. Dem Feststellungsbegehren fehlte daher schon mangels „unsachgemäßer“ Montage die Berechtigung, sodass sich die im Rechtsmittel erörterten Fragen eines Wegfalls des Feststellungsinteresses bzw einer Anleitung zur Änderung in ein Leistungsbegehren gar nicht stellen.
4. Wenn die Rechtsmittelwerberin demgegenüber davon ausgeht, bei der Montage sei der Beklagten (doch) ein Fehler „in der Weise“ unterlaufen, dass sie „ein fehlerhaftes Teil“ (nicht fachgerecht produzierte Fensterelemente) einbaute, obwohl der Sachverständige „festgestellt“ habe, die Beklagte hätte beim Einbau erkennen müssen, dass die Elemente nicht fachgerecht gefertigt worden seien, entfernt sie sich von den zu P 3. wiedergegebenen Feststellungen:
4.1. Danach liegt die Ursache der Schäden nämlich in einem Versagen des Randverbundes der Isolierglaseinheiten (nicht ordnungsgemäße Randversiegelung an den Ecken durch verklebte Entwässerungsrinnen), die dem verantwortlichen Produzenten bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte auffallen müssen; inwieweit dieser Mangel (auch) anlässlich der Montage der Isolierglasscheiben erkennbar war, haben die Tatsacheninstanzen hingegen ausdrücklich nicht festgestellt, sondern die Feststellung getroffen, dass keine Montagemängel vorlagen (Seite 7 f des Ersturteils = AS 331 f bzw Seite 7 f der Berufungsentscheidung = AS 379 f).
5. Auch die zuletzt gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist zu verneinen; zum Vorgehen nach § 473a ZPO wäre das Berufungsgericht nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur dann verpflichtet gewesen, wenn es seine Entscheidung auf in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts „verborgene“ Feststellungen hätte gründen wollen (RIS-Justiz RS0112020 [T6 bis T8 und T13]), nicht hingegen, wenn sich diese Entscheidung - wie die Revision selbst festhält - ohnehin „auf Feststellungen im erstinstanzlichen Verfahren“ (vgl RIS-Justiz RS0113473) stützt.
5.1. Da die Revisionswerberin weder geltend macht, dass das Berufungsgericht „verborgene“ Feststellungen herangezogen hätte (5 Ob 32/11h), noch erkennbar ist, welche konkreten Feststellungen des Erstgerichts die Klägerin hätte rügen wollen (5 Ob 276/08m), wird auch damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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