European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00004.17M.0221.000
Spruch:
1. Der Ablehnungsantrag gegen alle Richter des Oberlandesgerichts Wien wird zurückgewiesen.
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
B e g r ü n d u n g :
Die (nunmehr volljährige) Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 28. 4. 2004, GZ 16 P 99/00g‑363, war der Antragsgegner zur Zahlung eines Unterhalts ab 1. 8. 2004 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin in Höhe von monatlich 250 EUR verpflichtet worden.
Am 20. 9. 2016 beantragte die Antragstellerin beim Bezirksgericht Josefstadt die Erhöhung der monatlichen Unterhaltszahlung auf 440 EUR ab 1. 9. 2016.
Im Rahmen seiner Äußerung zu diesem Unterhaltserhöhungsantrag lehnte der Antragsgegner jeweils alle Richter des Bezirksgerichts Josefstadt und des diesem übergeordneten Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien ab. Er fühle sich durch das seine Tochter betreffende Pflegschaftsverfahren und insbesondere durch das darin inkludierte Unterhaltsverfahren, aus dem der Exekutionstitel hervorgegangen sei, in seinem Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung und Familie verletzt. Es sei der Tatbestand des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB, wahrscheinlich aber auch jener des Hochverrats nach § 242 StGB, zumindest auf der objektiven Tatseite verwirklicht. Da mehrere Senate des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht an dem genannten Verhalten beteiligt gewesen seien, sei auch das gesamte Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als befangen anzusehen, über den nunmehr geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu entscheiden.
Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag mangels Vorliegens von Befangenheitsgründen zurück. Es seien weder einzelne namentlich bezeichnete Richter abgelehnt worden, noch sei ein tauglicher Ablehnungsgrund geltend gemacht worden. Allein die Unzufriedenheit des Ablehnungswerbers mit dem Ausgang des vorangegangenen Unterhaltsverfahrens berechtige nicht zur pauschalen Ablehnung des gesamten Gerichtshofs.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners, verbunden mit einem Ablehnungsantrag wegen Befangenheit aller Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien:
Auch als Begründung für den Ablehnungsantrag wegen Befangenheit aller Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien führt der Ablehnungswerber aus, es sei im (seine Tochter betreffenden) Pflegschaftsverfahren zu kriminellen Handlungen, insbesondere zu Hochverrat nach § 242 StGB gekommen, wodurch sowohl ihm als auch seiner Tochter unwiederbringlicher Schaden an Lebensqualität und persönlicher Identität verursacht worden sei. Nicht nur die Mitglieder des an der Entscheidung beteiligten Senats des Oberlandesgerichts Wien, sondern alle Richter dieses Gerichts seien am Hochverrat an der Republik Österreich, an ihm selbst sowie seiner Tochter beteiligt.
Der Ablehnungsantrag ist nicht berechtigt:
1.1 Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung, falls der abgelehnte Richter einem Gerichtshof angehört und dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlussunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof. Dies gilt auch, wenn sämtliche Richter eines Gerichtshofs abgelehnt werden, mag die Ablehnung auch nur pauschal erfolgen (RIS‑Justiz RS0109137). Da der Ablehnungswerber alle Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien ablehnt, ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung berufen (RIS‑Justiz RS0045997).
1.2 Gemäß § 22 JN sind zugleich mit der Ablehnung die Umstände genau anzugeben, welche die Ablehnung begründen und glaubhaft machen. Eine Anführung der individuellen Befangenheitsgründe für jeden einzelnen einer Mehrheit von abgelehnten Richtern ist nur dann nicht zu verlangen, wenn die dargelegten Gründe offenkundig auf sämtliche abgelehnten gleichermaßen zutreffen (RIS‑Justiz RS0045983 [T11]). Allerdings muss es sich auch bei diesen Gründen um solche handeln, deren Tatsachengehalt zumindest eine Überprüfung auf ihre sachliche Berechtigung zulässt.
1.3 Diesem Erfordernis entsprechen die Ausführungen des Ablehnungswerbers nicht:
Konkrete Umstände und Tatsachenbehauptungen, worauf sich die Ablehnung in tatsächlicher Hinsicht beziehen soll, sind dem Ablehnungsantrag nicht zu entnehmen. Inwiefern die Mitglieder des an der Entscheidung beteiligten Senats des Oberlandesgerichts Wien, aber auch alle anderen Richter und Richterinnen dieses Gerichtshofs den Tatbestand des Hochverrats nach § 242 StGB erfüllt haben sollten – indem sie es unternommen hätten, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen –, wird im Ablehnungsantrag nicht näher begründet und ausgeführt.
Der Ablehnungsantrag war daher zurückzuweisen.
2. Der Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Jänner 2017 ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN; RIS‑Justiz RS0043830); er ist aber nicht berechtigt.
2.1 Wie bereits ausgeführt setzt die sachliche Erledigung einer Ablehnungserklärung gemäß § 22 Abs 1 JN voraus, dass sämtliche die Ablehnung begründenden Umstände in dem Schriftsatz, in dem die Ablehnung erklärt wird, genau angegeben sind (RIS‑Justiz RS0045962). Im Rahmen unzulässiger Pauschalablehnungen ausgesprochene Vorwürfe und Beschuldigungen, die wegen ihres mangelnden Tatsachengehalts nicht auf ihre Berechtigung überprüft werden können und die ihren Grund offenbar in der Missbilligung vorangegangener Entscheidungen haben, sind unbeachtlich und können die Entscheidung durch die dazu berufenen Richter nicht hindern (RIS‑Justiz RS0046011).
2.2 Von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Oberlandesgericht Wien bei seiner Entscheidung nicht abgewichen, wenn es den Ablehnungsantrag gegen alle Richter und Richterinnen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und des Bezirksgerichts Josefstadt als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt zurückgewiesen hat. Auch mit seinem Rekursvorbringen, mehrere Gerichte hätten systematisch bei der Verletzung von Menschenrechten zusammengewirkt, die im familienrechtlichen Verfahren (insbesondere bei der einstweiligen Wegweisungsverfügung) mit Gewalt bewehrt geschehen sei, sodass von gewaltsamer Verfassungsänderung und somit von Hochverrat die Rede sei, werden keine tauglichen Ablehnungsgründe aufgezeigt. Dies gilt auch für den Vorwurf, die an den Entscheidungen im familienrechtlichen Verfahren nicht mitwirkenden Richter, wären deshalb im Sinne des § 242 StGB am Unternehmen des Hochverrats beteiligt, weil sie rechtswidrig untätig geblieben seien.
2.3 Eine Äußerung eines abgelehnten Richters im Sinne des § 22 Abs 3 JN muss nur zu einem ausreichend substantiierten Ablehnungsantrag eingeholt werden. Wird hingegen kein tauglicher Ablehnungsantrag geltend gemacht, kann von der Einholung einer Äußerung Abstand genommen werden. Eine Stellungnahme der Partei zur Äußerung des Richters ist nicht vorgesehen (10 ObS 52/15t mwN, RIS‑Justiz RS0115955).
2.4 Im Hinblick auf die offenkundige Unbegründetheit des gestellten Ablehnungsantrags konnte von der Einholung einer Rekursbeantwortung abgesehen werden (RIS‑Justiz RS0126587 [T2]).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
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