OGH 10ObS52/15t

OGH10ObS52/15t30.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Ausgleichszulage, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 6. März 2015, GZ 8 Nc 4/15f‑2, womit der gegen den Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr. A*****, gerichtete Ablehnungsantrag zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00052.15T.0630.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Mit Urteil vom 26. August 2014, GZ 75 Cgs 55/14v‑24, hat das Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht das Begehren des Klägers, die beklagte Pensionsversicherungsanstalt zur Gewährung der Ausgleichszulage oder einer einmaligen Abfertigung seines Anspruchs zu verpflichten, abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger rechtzeitig Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen. Nach dessen Geschäftsverteilung für das Geschäftsverteilungsjahr 2015 hat darüber der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** mit der Richterin des Oberlandesgerichts Dr. E***** unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. W***** zu entscheiden.

Der Kläger hat beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht mehrere Klagen in Sozialrechtsverfahren gegen die Pensionsversicherungsanstalt eingebracht. Im Zusammenhang mit seinen Kosten für die Zureise zu einem Verhandlungstermin vor dem Landesgericht Innsbruck am 15. Dezember 2014 wandte sich der Kläger im Jänner 2015 mehrmals an die Justiz‑Ombudsstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck. Die Bearbeitung dieser schriftlichen Beschwerden nahm der auch in der Justiz‑Ombudsstelle tätige Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** vor. Er verfasste am 5. Februar 2015 ein (Antwort-)Schreiben an den Kläger, in dem unter anderem Folgendes dargelegt wird:

„Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Ihre Anträge von den zuständigen Sachbearbeitern stets umgehend und zweckentsprechend behandelt wurden. Zu Ihren inhaltlichen Ausführungen betreffend die Stellungnahme der PVA in der Beschwerde vom 30. 01. 2015 ist auszuführen, dass die Justiz‑Ombudsstelle als Beschwerdestelle im Bereich der Justizverwaltung keine Kompetenz für eine rechtliche Erörterung des Sachverhalts besitzt und die Entscheidung über die Kostenerstattung der erkennenden Behörde obliegt. Im Hinblick auf Ihre Beschwerde betreffend die Änderungen im Kostenerstattungsverfahren ist auf das von Ihnen angestrengte Verfahren vor dem BVwG zu GZ … und die dazu ergangene Entscheidung des angerufenen Gerichts vom 13. 08. 2014 ‑ insbesondere die Begründung auf den Seiten 8 und 9 ‑ zu verweisen, wo ausdrücklich festgehalten wird, dass eine konkrete Aufschlüsselung der Kosten erforderlich ist und die erkennende Behörde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor Erlassung eines Bescheides sowohl dem Beschwerdeführer als auch der beklagten Partei im Rahmen des Parteiengehörs vorzuhalten hat.

Zumal offensichtlich keine dienstrechtlichen Verstöße oder organisatorische Mängel vorliegen, welche die Grundlage weiterer Veranlassungen durch die Justiz‑Ombudsstelle darstellen könnten, ist ein weiteres Tätigwerden unsererseits in dieser Causa nicht beabsichtigt.“

Mit einer per E-Mail an die Justiz‑Ombudsstelle gerichteten Eingabe vom 9. Februar 2015 mit dem Betreff „Beschwerde wegen V.a. Freunderlwirtschaft gegen Richter ...“ (gemeint ist offensichtlich der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A*****) beschwerte sich der Kläger über „mut‑ und böswillige Verzögerungen und unnötige Nachfragen zu längst geklärten Sachverhalten“, die in Innsbruck keine dienstrechtlichen Verstöße darstellen würden; „das ganze [verfolgt] nur einen Zweck …, nämlich eine Verzögerung ohne Rechtsgrund (siehe Beweise im Schreiben vom 06.02.2015)! Ein Richter, der das so beurteilt, macht sich der Freundlwirtschaft verdächtig und muss abgelehnt werden.“ Aus der Anrede in dem E-Mail geht hervor, dass mit dem Schreiben offensichtlich der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** angesprochen wird.

Darauf wandte sich der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** am 16. Februar 2015 mit folgender Eingabe an den Präsidenten des Oberlandesgerichts:

„Betrifft: Ablehnungsantrag

Herr … [Kläger] hat beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eine Reihe von Klagen gegen die Pensionsversicherungsanstalt eingebracht und hat sich in der Folge mit diversen Eingaben, in der er sich über seiner Ansicht nach bestehende Unzulänglichkeiten bei der Behandlung dieser Klagen beschwerte, an die Justiz‑Ombudsstelle des OLG Innsbruck gewandt. Diese zu 4 Jv 45/14z erfassten Eingaben an die Justiz‑Ombudsstelle wurden von mir bearbeitet. Meine Antworten fielen offenbar nicht zur Zufriedenheit von Herrn … aus, jedenfalls übermittelte er mir am 9. 2. 2015 das beigeschlossene E‑Mail, in dem er [gegen] mich u.a. ausführte, dass ein Richter, der das so beurteile, sich der Freunderlwirtschaft verdächtig mache und abgelehnt werden müsse.

Am 11. 2. 2015 langten beim OLG Innsbruck zu 25 Rs 12/15y und 25 Rs 13/15w zwei Berufungen von … [Kläger] gegen die Urteile des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht zu 75 Cgs 5/13i und 75 Cgs 55/14v ein. Ich bin nicht nur Mitglied des zur Entscheidung über diese Rechtsmittel berufenen Senats, sondern auch der jeweilige Berichterstatter.

Unter gleichzeitiger Vorlage aller bezughabenden Akten ersuche ich um Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag, wobei ich dazu ausführe, dass mir … [Kläger] persönlich vollkommen unbekannt ist, ich mich sowohl bei der Bearbeitung der Eingaben zu 4 Jv 45/14z als auch bei der Behandlung der Rechtsmittel zu 25 Rs 12/15y und 25 Rs 13/15w leiten ließ bzw lassen werde und Herrn … vollkommen unvoreingenommen gegenüberstehe.“

Mit dem angefochtenen Beschluss erachtete das Oberlandesgericht Innsbruck den Ablehnungsantrag des Klägers als nicht berechtigt. Wenngleich der Kläger den Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** nicht konkret in Bezug auf das Rechtsmittelverfahren zu AZ 25 Rs 13/15w abgelehnt habe, sei seine Eingabe an die Justiz‑Ombudsstelle vom 9. Februar 2015 doch als allgemeiner Antrag auf Ablehnung zu werten, der seine Wirkung auf sämtliche Verfahren entfalte, an denen der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** beteiligt sei. Laut dem Inhalt seiner Eingabe vom 9. Februar 2015 gehe der Kläger davon aus, dass der Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** als zuständiger Sachbearbeiter der Justiz‑Ombudsstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck in den genannten Verfahren des Landesgerichts Innsbruck mehrere dienstrechtliche Verstöße in Form von „mut‑ und böswilligen Verzögerungen“ sowie Verstöße gegen die gerichtliche Manuduktionspflicht und gegen Art 6 EMRK feststellen hätte müssen. Da er keine solchen Verstöße erkannt habe, mache er sich der „Freundlwirtschaft“ verdächtig und sei daher abzulehnen. Dieser bloße Vorwurf und der daraus pauschal gezogene Schluss, dass er nicht unvoreingenommen agiere, sei allerdings kein ausreichend konkret dargelegter Umstand einer Befangenheit im Sinn des § 19 JN.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung ‑ nach Verfahrensergänzung ‑ an das Ober-landesgericht Innsbruck zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN); er ist jedoch nicht berechtigt.

In seinem Rechtsmittel bringt der Kläger vor, das Oberlandesgericht Innsbruck hätte ihm vor seiner Entscheidung die Stellungnahme des abgelehnten Richters zustellen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, vor allem deswegen, weil nicht vorauszusehen gewesen sei, dass die Eingabe als Ablehnungsantrag gewertet werde. Aus diesem Grund wäre er anzuleiten gewesen, die Ablehnungsgründe konkretisiert darzulegen und zu bescheinigen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden und das Gericht sei auf unzureichender Sachverhaltsgrundlage zu einer falschen Entscheidung gekommen.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

1. Angesichts der Adressierung und des Betreffs der Eingabe des Klägers vom 9. Februar 2015 besteht im Zusammenhang mit ihrem Inhalt kein Zweifel, dass der Kläger den Richter des Oberlandesgerichts Dr. A***** wegen Verdachts der „Freundlwirtschaft“ generell als befangen ablehnt.

2. Die Ablehnungsgründe sind bereits im Ablehnungsantrag konkret und genau anzuführen (§ 22 Abs 1 Satz 2 JN; RIS‑Justiz RS0045962). Bei Fehlen der Angabe von gesetzmäßigen Ablehnungsgründen ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten (RIS‑Justiz RS0045962 [T8]), dessen es nicht bedarf, wenn die geltend gemachten Ablehnungsgründe für eine stattgebende Entscheidung nicht ausreichend sind (Mayr in Rechberger, ZPO4 § 22 JN Rz 1).

3. Es mag dahingestellt bleiben, ob in concreto ein Verbesserungsverfahren einzuleiten oder der Kläger in sonstiger Weise anzuleiten gewesen wäre. Der Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens setzt nämlich die Darlegung der Erheblichkeit des Mangels voraus. In diesem Sinn hat der Rekurswerber auszuführen, welches Vorbringen er erstattet hätte, wäre das Gericht mit einem Verbesserungsauftrag oder einer Anleitung vorgegangen (RIS‑Justiz RS0037095 [T14] ua). In diese Richtung ist allerdings dem Rekurs keinerlei Vorbringen zu entnehmen.

4. Der abgelehnte Richter hat eine Äußerung zum Ablehnungsantrag abzugeben (§ 22 Abs 2 JN). Eine Stellungnahme der Partei zur Äußerung des Richters ist nicht vorgesehen (6 Ob 616/91).

5. Aus diesen Gründen muss dem Rekurs des Ablehnungswerbers ein Erfolg versagt bleiben.

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