OGH 10Ob34/12s

OGH10Ob34/12s10.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M*****, geboren am 31. März 2004, und der mj J*****, geboren am 5. November 2006, beide *****, beide vertreten durch das Land Oberösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, 4041 Linz, Hauptstraße 1‑5), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. November 2011, GZ 15 R 189/11m‑124, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 21. März 2011, GZ 4 PU 68/09d‑112, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die beiden Minderjährigen sind die Töchter von Dr. C***** und R*****. Die Eltern leben seit Oktober 2007 getrennt; ihre Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 25. 9. 2009 im Einvernehmen geschieden. Die beiden Kinder wohnen seit der Trennung bei der Mutter und werden von ihr betreut.

Der Vater ist aufgrund des insoweit in Rechtskraft erwachsenen Beschlusses des Erstgerichts vom 8. 8. 2008, GZ 4 P 174/07f‑U24, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von jeweils 170 EUR für die beiden Minderjährigen ab 1. 4. 2008 verpflichtet.

Die beiden durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Minderjährigen beantragten zuletzt am 21. 10. 2010, den Vater ab 1. 11. 2007 zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von jeweils 191 EUR, ab 1. 10. 2009 von jeweils 250 EUR und für die minderjährige M***** ab 1. 4. 2010 von 280 EUR zu verpflichten. Der Vater erziele seit 14. 9. 2009 als Lehrer ein monatliches Einkommen von 1.863 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen und als Rafting‑Guide ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 200 EUR. Unter Anrechnung der Familienbeihilfe und nach Abzug von 15 % für das überdurchschnittliche Besuchsrecht des Vaters ergäben sich die begehrten Unterhaltsbeträge (ON 93).

Der Vater beantragte zuletzt die Festsetzung bzw Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge ab 1. 11. 2007 auf jeweils 110 EUR monatlich, da sich die Minderjährigen weit über das übliche Besuchsrecht hinaus (insgesamt 140 Tage im Jahr) bei ihm aufhalten würden. Er habe seit 1. 11. 2007 in teilweiser Erfüllung seiner Unterhaltspflicht für die Kinder regelmäßig Kleidung und Windeln gekauft, da die Mutter den Kindern weder Windeln noch Winterkleidung mitgebe. Es bleibe dem Vater nichts anderes übrig, als den Kindern die notwendigen Sachen zu kaufen, damit sie sich draußen bewegen könnten (ON 38). In seiner Eingabe vom 17. 3. 2009 (ON 51) führte der Vater unter anderem aus, er habe für Windeln im letzten Jahr 259,80 EUR und für Kleidung (3 Overalls, Handschuhe, Stiefel, Hosen) ca 245 EUR aufgewendet. In seiner Äußerung am 12. 11. 2010 (ON 95) wiederholte der Vater, er habe seit 1. 11. 2007 regelmäßig Kleidung und Windeln für die Kinder gekauft. Im Schreiben vom 18. 11. 2010 (ON 98) erklärte der Vater, dass er seine Aufwendungen für Kleidung und Windeln mit 50 EUR je Kind beziffern würde. Der Kauf der Kleidung sei auch deshalb erforderlich gewesen, weil die den Kindern von der Mutter mitgegebene Kleidung teilweise unbrauchbar gewesen sei.

Die beiden Minderjährigen, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, hielten diesem Vorbringen entgegen, die vom Vater geltend gemachten Aufwendungen für Kleidung würden nicht als unterhaltsmindernd anerkannt. So sei es wiederholt vorgekommen, dass Kleidung und Schuhe vom Vater gar nicht mehr oder nur mit großer Zeitverzögerung und nach wiederholter Aufforderung retourniert worden seien. Deshalb werde den Kindern nur noch Kleidung mitgegeben, die für ihren Aufenthalt bei der Mutter entbehrlich seien. Diese Kleidungsstücke seien in ordentlichem Zustand und würden der jeweiligen Jahreszeit und der Anzahl der beim Vater zu verbringenden Tage entsprechen (ON 100).

Das Erstgericht setzte den vom Vater für seine Töchter zu leistenden monatlichen Unterhalt für den Zeitraum vom 1. 11. 2007 bis 31. 3. 2008 mit jeweils 189 EUR fest. Weiters verpflichtete es den Vater, zusätzlich zu den ab 1. 4. 2008 festgesetzten Unterhaltsbeträgen von monatlich jeweils 170 EUR für den Zeitraum vom 1. 4. 2008 bis 31. 3. 2011 für die minderjährige M***** einen weiteren Betrag von insgesamt 1.674 EUR abzüglich eines Betrags von 50 EUR an geleistetem Naturalunterhalt (Bekleidung), insgesamt daher 1.624 EUR, und für die minderjährige J***** einen weiteren Betrag von insgesamt 1.326 EUR abzüglich eines Betrags von 50 EUR an geleistetem Naturalunterhalt (Bekleidung), insgesamt daher 1.276 EUR zu bezahlen. Ab 1. 4. 2011 verpflichtete es den Vater zusätzlich zu den ab 1. 4. 2008 festgesetzten Unterhaltsbeträgen von jeweils 170 EUR monatlich für die minderjährige M***** einen weiteren Betrag von 83 EUR monatlich (insgesamt daher 253 EUR monatlich) und für die minderjährige J***** einen weiteren Betrag von 54 EUR monatlich (insgesamt daher 224 EUR monatlich) bis auf Weiteres zu leisten. Das Unterhaltsmehrbegehren der Minderjährigen sowie das Mehrbegehren des Vaters auf Herabsetzung der Unterhaltsbeträge ab 1. 4. 2008 auf jeweils 110 EUR monatlich wies das Erstgericht ab. Nach seinen Feststellungen wäre der Vater unter Anspannung seiner Kräfte in der Lage gewesen, ab 1. 11. 2007 ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 EUR (12 mal jährlich) zu verdienen. Ab 1. 10. 2009 erzielte der Vater, der keine weiteren Unterhaltspflichten hat, als Vertragslehrer und Rafting‑Guide ein monatliches Nettoeinkommen von 1.840 EUR. Der Vater übt ein übermäßiges Besuchsrecht im Ausmaß von rund 1,5 Tagen pro Woche aus. Im Jahr 2010 kaufte er für seine beiden Kinder Kleidung im Wert von jeweils 50 EUR. Der Ankauf dieser Kleidung war notwendig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Vater habe bezüglich des Ankaufs der Kleidung wie ein pflichtbewusster Familienvater gehandelt. Dieser Ankauf sei jedenfalls den Kindern zu Gute gekommen. Insgesamt würden sich unter Berücksichtigung der gebotenen steuerlichen Entlastung des Vaters im Zusammenhang mit dem Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter und des übermäßigen Besuchsrechts des Vaters die jeweils festgesetzten Unterhaltsbeträge ergeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters insoweit Folge, als es den Zuspruch des Unterhalts für die beiden Minderjährigen für den Zeitraum vom 1. 4. 2008 bis 31. 3. 2011 unter Abzug eines Betrags von jeweils 400 EUR an geleistetem Naturalunterhalt (Bekleidung) bei der minderjährigen M***** auf insgesamt 1.274 EUR und bei der minderjährigen J***** auf insgesamt 926 EUR reduzierte. Es führte dazu im Wesentlichen aus, dass bei der Entscheidung über einen (an sich berechtigten) Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung die in der Vergangenheit erbrachten, die ursprünglich titulierte Unterhaltspflicht übersteigenden Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter anspruchsmindernd anzurechnen seien, und zwar unabhängig von der Zustimmung des erziehungsberechtigten Elternteils. Auch vereinzelte Naturalunterhaltszuwendungen wie Sportausrüstungen, Bekleidungsstücke, Schikurskostenanteile oder angemessene Freizeitreisekosten seien geldunterhaltsmindernd anzurechnen.

Im vorliegenden Fall stehe grundsätzlich fest, dass der Vater in der Vergangenheit Kleidungsankäufe für beide Kinder getätigt habe, welche angebracht und notwendig gewesen seien. Der Umstand der Kleidungsanschaffung sei auch vom Vertreter bzw der Mutter der Minderjährigen nicht substanziiert bestritten worden. Es sei daher die Anrechnung der objektiv gerechtfertigten Aufwendungen auf den Geldunterhaltsanspruch geboten. Dem Rekursgericht erscheine dabei unter Anwendung des § 34 AußStrG der vom Rekurswerber angegebene Betrag von jeweils 400 EUR für den rückwirkenden Erhöhungszeitraum angemessen. Der Rekurs des Vaters sei somit in Bezug auf die Anrechnung der in der Vergangenheit erbrachten Naturalunterhaltsleistungen berechtigt. Hingegen komme eine Anrechnung von Naturalleistungen auf den laufenden bzw zukünftigen Geldunterhalt wegen der diesbezüglichen Ablehnung durch die erziehungsberechtigte Mutter nicht in Betracht.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich mit der Begründung zu, es liege noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vor, ob eine Anrechnung von Naturalleistungen in der besonderen Fallkonstellation möglich sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Vater hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig, weil das Rekursgericht in der Frage der Anwendung des § 34 AußStrG von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts auch berechtigt.

Die Rechtsmittelausführungen der Minderjährigen lassen sich dahin zusammenfassen, dass vom Vater nach ihrer Antragstellung auf Unterhaltsfestsetzung vom 20. 11. 2007 erbrachte Naturalleistungen nicht angerechnet werden könnten. Es liege daher ein sekundärer Feststellungsmangel insofern vor, als nicht festgestellt worden sei, dass die Naturalleistungen vom Vater vor dem 20. 11. 2007 erbracht worden seien. In der Judikatur sei außerdem bereits mehrfach die Anrechnung von Bekleidung als Naturalunterhalt abgelehnt worden. Das Rekursgericht sei ohne Beweiswiederholung von der Feststellung des Erstgerichts abgewichen, wonach der Vater nur Kleidung im Wert von jeweils 50 EUR pro Kind gekauft habe. Die Anwendung des § 34 AußStrG sei in diesem Zusammenhang verfehlt. Das Rekursgericht sei insoweit auch nicht seiner Anleitungspflicht (§ 14 AußStrG) nachgekommen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Es hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Entscheidung über einen (an sich berechtigten) Antrag auf rückwirkende Erstbemessung oder rückwirkende Unterhaltserhöhung die in der Vergangenheit erbrachten, die ursprünglich titulierte Unterhaltspflicht übersteigenden Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter anspruchsmindernd anzurechnen sind, und zwar unabhängig von der Zustimmung des obsorgeberechtigten Elternteils. Unterhaltscharakter haben vergangene Naturalleistungen in diesem Zusammenhang dann, wenn sie ohne Schenkungsabsicht ‑ also in Alimentationsabsicht (was vermutet wird) ‑ erbracht wurden und zu einer ausgewogenen Deckung des gesamten angemessenen Lebensbedarfs des Kindes beigetragen haben, ohne dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Bedürfnisbereich um den Preis eines Deckungsdefizits in einem anderen Bedürfnisbereich hingenommen werden darf (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht6 155 mwN).

1.1 Aber auch in Schenkungsabsicht erbrachte Naturalleistungen können nicht dazu führen, dass der bereits in natura gedeckte Bedarf quasi fiktiv aufrechterhalten wird und dem Unterhaltspflichtigen nochmals die Deckung des fiktiven Bedarfs in Geld auferlegt wird und es damit zu einer Doppelversorgung kommt, auf die der Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch hat. Wird daher etwa ein Begehren auf Erhöhung der Geldunterhaltsverpflichtung auf die Bedürfnissteigerung des Kindes infolge des Wachstums und die notwendig gewordene Anschaffung neuer Kleidung gestützt, wird der Geldunterhaltspflichtige erfolgreich einwenden können, dass er einen Teil des Bedarfs bereits durch die Anschaffung passender und objektiv angemessener Kleidung gedeckt hat, auch wenn dies in Schenkungsabsicht erfolgt ist, da eben der Bedarf und damit der Unterhaltsanspruch (teilweise) gedeckt wurde und daher nicht weiter besteht. Voraussetzung dabei ist jedoch immer, dass es sich dabei um für das Kind brauchbare, zweckentsprechende, bedürfnisgerechte Naturalleistungen handelt (Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 140 Rz 484 mwN).

1.2 Bei einer rückwirkenden Unterhaltserhöhung kann es (anders als bei der Ermittlung der Unterhaltsverletzung und der Anrechnung auf den laufenden Unterhalt) gerechtfertigt sein, nicht nur Naturalleistungen zur regelmäßigen oder längerfristigen Bedürfnisbefriedigung, sondern auch vereinzelte Unterhaltszuwendungen wie Sportausrüstung, Bekleidungsstücke, Schikurskosten oder angemessene Freizeitreisekosten geldunterhaltsmindernd anzurechnen (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht6 155; Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 140 Rz 485 jeweils mwN). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass längerfristige Anschaffungen wie etwa Kleidung grundsätzlich geldunterhaltsmindernd anzurechnen sind, ist daher nicht zu beanstanden.

2. Die Frage, inwieweit aber grundsätzlich anrechenbare Leistungen bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (5 Ob 544/91 ua). Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass der Vater im Jahr 2010 für beide Kinder Kleidung im Wert von jeweils insgesamt 50 EUR gekauft hat, wobei dieser Ankauf notwendig war und jedenfalls den Kindern zu Gute gekommen ist. Der Vater machte in seinem Rekurs unter anderem geltend, dass für den rückwirkenden Unterhalt eine Anrechnung von jeweils 400 EUR pro Kind gerechtfertigt sei, weil er jede Kleidung, Schuhe etc für die Kinder habe kaufen müssen. Das Rekursgericht hat dazu die Ansicht vertreten, dass unter Anwendung des § 34 AußStrG der vom Rekurswerber angegebene Betrag von jeweils 400 EUR pro Kind für den rückwirkenden Erhöhungszeitraum angemessen erscheine.

3. Soweit die Minderjährigen gegen diese Vorgangsweise des Rekursgerichts ins Treffen führen, das Rekursgericht hätte gemäß § 488 Abs 4 ZPO den Parteien bekannt geben müssen, dass es von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen erwägt, und es hätte zur Frage der Anrechnung ein eigenes Beweisverfahren durchführen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass sich nunmehr in § 52 Abs 2 AußStrG eine dem § 488 Abs 4 ZPO nachgebildete Vorschrift befindet. Danach darf das Rekursgericht, wenn es erwägt, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen, für die Feststellungen maßgeblichen Beweises Abstand nehmen kann, wenn es vorher den Parteien bekannt gegeben hat, dass es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Rekursgericht zu beantragen. Diese Vorschrift des § 52 Abs 2 AußStrG bezieht sich nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut aber nur auf in erster Instanz unmittelbar aufgenommene Beweise. Soweit das Erstgericht seine Feststellungen ‑ wie im vorliegenden Fall zur Frage des Ankaufs von Bekleidung für die beiden Minderjährigen durch den Vater ‑ nicht aufgrund unmittelbar aufgenommener Beweise getroffen hat, darf daher das Rekursgericht die Feststellungen des Erstgerichts abändern oder auch ergänzen, ohne die in § 52 Abs 2 AußStrG vorgesehene Vorgangsweise einzuhalten (vgl RIS‑Justiz RS0126460, RS0122252 ua). Das Rekursgericht hat somit nicht gegen die Vorschrift des § 52 Abs 2 AußStrG verstoßen, weil es mangels unmittelbarer Beweisaufnahme zu diesem Thema in erster Instanz zu einer Beweiswiederholung nicht verpflichtet war (vgl 2 Ob 90/09p). Auch eine in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung der Anleitungspflicht nach § 14 AußStrG liegt nicht vor.

3.1 Wenn feststeht, dass einer Partei eine Geldleistung zusteht, die Erhebung der Höhe des Betrags jedoch nicht möglich ist oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre, so kann das Gericht gemäß § 34 AußStrG auf Antrag oder von Amts wegen auch unter Abstandnahme von der Aufnahme angebotener Beweise die Höhe des Betrags nach freier Überzeugung festsetzen. Mit dieser Bestimmung wurde § 273 Abs 1 ZPO ‑ den Bedürfnissen des Außerstreitverfahrens angepasst ‑ in das Außerstreitgesetz integriert. Nach der Rechtsprechung darf die Regel des § 273 Abs 1 ZPO zwar unter „Übergehung“, also Unterlassung der Aufnahme eines Beweises, auch noch unter Nichtberücksichtigung bereits erhobener Beweise, nicht aber erstmals vom Berufungsgericht unter Abgehen von der Beweiswürdigung des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung angewendet werden, da das Ergebnis dieser Anwendung vom Rechtsmittelgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nur überprüfbar ist, wenn schon das Prozessgericht diese Gesetzesstelle anwendet (vgl RIS‑Justiz RS0040419). Wenn daher das Erstgericht beispielsweise den Beweis des Werts eines abhanden gekommenen Gegenstands für erbringbar hielt und den Wert feststellte, kann das Berufungsgericht ohne Beweisrüge und Beweiswiederholung nicht erstmals § 273 Abs 1 ZPO anwenden (RIS‑Justiz RS0040490 ua). Nichts anderes kann grundsätzlich für § 34 AußStrG gelten, der § 273 Abs 1 ZPO nachgebildet ist (RIS‑Justiz RS0040419 [T2]).

3.2 Die Minderjährigen haben sich im vorliegenden Revisionsrekurs auch dagegen beschwert, dass das Rekursgericht bei der Feststellung des Werts der vom Vater für sie gekauften Kleidung die Bestimmung des § 34 AußStrG angewendet hat, obwohl das Erstgericht ohnehin Feststellungen über den Wert der vom Vater für sie gekauften Kleidung getroffen hat. Die Tatsache, dass das Erstgericht eine entsprechende Feststellung getroffen hat, hätte das Rekursgericht zunächst zu einer Überprüfung der gegen diese Feststellung im Rekurs des Vaters vorgebrachten Argumente veranlassen müssen, statt ohne Überprüfung dieser Argumente sogleich von der Bestimmung des § 34 AußStrG Gebrauch zu machen. Erst wenn das Rekursgericht nach Behandlung der Beweisrüge im Rekurs des Vaters zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass es die vom Erstgericht getroffene Feststellung nicht übernehmen könnte, wäre es seinerseits zur Anwendung des § 34 AußStrG berechtigt. Damit haftet der rekursgerichtlichen Entscheidung ein Verfahrensmangel an, der gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifen war und zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss.

4. Das Rekursgericht wird sich daher im fortzusetzenden Verfahren in Ansehung des bekämpften Werts der vom Vater für die beiden Minderjährigen gekauften Kleidung zunächst in gesetzmäßiger Weise mit der im Rekurs des Vaters erhobenen Feststellungsrüge inhaltlich auseinandersetzen müssen. Sollte es bei der Überprüfung dieser Feststellungsrüge zu dem Ergebnis gelangen, dass der Vater für die beiden Minderjährigen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 1. 4. 2008 bis 31. 3. 2011 Kleidung in einer die unbekämpft gebliebene Höhe von insgesamt 50 EUR pro Kind übersteigenden Höhe gekauft hat, wird es sich auch mit dem weiteren Einwand der Minderjährigen, dass diese Kleidung vom Vater bei sich behalten und der Mutter nicht zur Verfügung gestellt worden sei, inhaltlich auseinanderzusetzen haben.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der beiden Minderjährigen spruchgemäß zu entscheiden.

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