OGH 10Ob291/99p

OGH10Ob291/99p25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans W*****, Facharzt, *****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei W*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Handl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 500.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. Juni 1999, GZ 17 R 289/98s-40, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 1500 ABGB ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers einer Liegenschaft ausgeschlossen, wenn er in schuldhafter Weise Indizien für das Abweichen des Grundbuchsstandes von den tatsächlichen Verhältnissen ignoriert. Es genügt hiebei leichte Fahrlässigkeit. Der Umfang der Sorgfaltspflicht bestimmt sich nach der Verkehrsübung (SZ 66/152 ua). Der Erwerber einer Liegenschaft ist zu Nachforschungen verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuches ergeben (RIS-Justiz RS0011676). Dies ist der Fall, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen kann, das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (NZ 1995, 108). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen aber nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (SZ 57/38; RIS-Justiz RS0034776). Wenn auch das Grundbuch für Dienstbarkeiten von vornherein eine geringere Aussagekraft besitzt, weil diese Rechte nicht immer lückenlos verbüchert sind (RIS-Justiz RS0011669), muss der Erwerber einer Liegenschaft das Bestehen nicht verbücherter Benützungsrechte nicht geradezu vermuten (SZ 62/62). Für den mangelnden guten Glauben des Erwerbers einer Liegenschaft hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ist der angebliche Dienstbarkeitsberechtigte (hier: Kläger) beweispflichtig (Schwimann/Mader, ABGB2 VII, § 1500 Rz 15; RIS-Justiz RS0013489, RS0034837). Der Erwerb im Vertrauen auf das Grundbuch macht eine vollendete Ersitzung wirkungslos (Schwimann/Mader aaO Rz 14; NZ 1984, 86; RIS-Justiz RS0012151).

Ob im Zeitpunkt des Erwerbes des dienenden Grundstückes Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen ließen und eine Erkundigungspflicht auslösten, ist in der Regel eine Frage der Umstände des Einzelfalles (Schwimann/Mader aaO Rz 8 und 11; JBl 1976, 642; RIS-Justiz RS0034870, RS0079882, RS0107329; 1 Ob 112/97w; vgl auch 8 Ob 1505/96), wovon im Übrigen auch der Revisionswerber ausgeht (S. 8 d. Rev.), der dann nicht die im § 502 Abs 1 ZPO geforderte Qualität zukommt, wenn die Verneinung dieser Fragen durch das Berufungsgericht nicht im Widerspruch zur dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht (7 Ob 209/98f mwN).

Ein solcher Widerspruch ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass nach innen aufgehende Fensterflügel in einer an der Grundstücksgrenze gelegenen Feuermauer keine besondere Erkundigungspflicht des Erwerbers des benachbarten Grundstückes in Richtung eines allfälligen Fensteröffnungsrechtes auslösten, kann keine unvertretbare Fehlbeurteilung erblickt werden. Derjenige, der in der eigenen Wand (eines an der Grundgrenze stehenden Gebäudes) Fenster herstellt, ohne damit (etwa durch nach außen aufgehende Fensterflügel) unmittelbar auf den fremden Luftraum einzuwirken, greift noch nicht in die Rechtssphäre seines Nachbarn ein, sondern macht nur von dem Recht Gebrauch, sein eigenes Grundstück nach seiner Willkür zu benützen (§ 362 ABGB). Er bringt mit einer solchen Handlungsweise kein Verbot zum Ausdruck, dass der Nachbar etwas, was ihm sonst zu tun freistünde, zu unterlassen habe (Petrasch in Rummel ABGB2 § 488 Rz 1; Schwimann/Kiendl-Wendner, ABGB2 II § 488 Rz 2; Rainer in NZ 1990, 248 [250]; JBl 1962, 637; NZ 1983, 41; MietSlg 35.274; RIS-Justiz RS0011564). Dass Jahre vor dem Liegenschaftserwerb der Beklagten Fenster existierten, die nach außen aufgingen, war für die (allfällige) Ersitzung eines Fensteröffnungsrechtes durch den Kläger von Relevanz, nicht jedoch für die spätere Erkundigungspflicht der Beklagten beim Vorliegen lediglich nach innen aufgehender Fenster. Aus der Entscheidung 1 Ob 696/81 (= NZ 1983, 41) ist insoweit für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts abzuleiten.

Dass die "Bedeutung des Fensterrechtes der Gebäudeservituten an und für sich nicht hoch genug bewertet werden" könne, dass "derartige Servituten einen ernst zu nehmenden ökonomischen Faktor darstellen" und dass "gerade in der jetzigen Zeit Werte wie Licht und Aussicht besonders schützenswert" seien, begründet für sich allein entgegen der Ansicht des Revisionswerbers noch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 503 Abs 1 ZPO. Die aus diesem Grund unzulässige Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

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