OGH 1Ob112/97w

OGH1Ob112/97w24.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing.Walter M*****, und 2.) M***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr.Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Ilse B*****, vertreten durch Dr.Reinhard Pitschmann und Dr.Rainer Santner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 80.000 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 28.Jänner 1997, GZ 2 R 17/97h-21, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Eigentümer einer Liegenschaft mit den GSt 447/1 und 500/2 Weg. Mit der Behauptung, daß sich die beklagte Grundnachbarin die nicht verbücherten Dienstbarkeiten des Abstellens von Pkw auf diesem Weg, der Überdachung des Wegs und der Anbringung eines grundsätzlich verschlossen zu haltenden Tors am Weg anmaße, begehrten die Kläger die Feststellung des Nichtbestehens solchen Dienstbarkeiten sowie die Unterlassung deren Anmaßung und Ausübung.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Die außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig, wobei folgende rechtliche Klarstellungen geboten erscheinen:

Rechtliche Beurteilung

Die hier zu beurteilende, nicht verbücherte Dienstbarkeit auf dem zum Gutsbestand einer seit 1995 im Eigentum der beiden Kläger stehenden Liegenschaft gehördenden Grundstück 500/2 Weg war nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen zuerst eine unbestrittene Wege- und Fahr-Dienstbarkeit, die Mitte der 50iger Jahre um die zugunsten des Rechtsvorgängers der Beklagten als des damaligen Eigentümers der herrschenden Liegenschaft durch zumindest schlüssige vertragliche Einräumung begründete Dienstbarkeit, den Zugang zum Weg versperrt zu halten, den Weg teilweise zu überdachen und (darunter) Kraftfahrzeuge abzustellen, erweitert wurde. Gegenleistung war das Abtragen der alten und die Errichtung einer neuen, rund 3 m hohen Grenz- und Stützmauer. Ob diese Erweiterungen der Servitut auch Elemente einer Personaldienstbarkeit hatten, kann auf sich beruhen, weil nach neuester Rechtsprechung des erkennenden Senats (1 Ob 587/95 = SZ 68/194 = JBl 1996, 458 = ecolex 1996, 96 mwN; RIS-Justiz RS0079882) auch eine Wohnungs-Dienstbarkeit, somit eine Personaldienstbarkeit, nach den Umständen des Einzelfalls entsprechend den bei der Grund-Dienstbarkeit herausgebildeten Kriterien - es können vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (stRspr: 2 Ob 448/51 uva; RIS-Justiz RS0034803) - offenkundig sein kann, wenn bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmbar seien, die deren Bestehen oder Erweiterung vermuten lassen. Damit wurde von der früherern Rechtsprechung, nach der nur Grund-Dienstbarkeiten, keineswegs aber persönliche Dienstbarkeiten offenkundig sein könnten, weil deren Bestehen von außen her nicht wahrgenommen werden könne (SZ 28/30, 2 Ob 527/86 = MietSlg 38.852 ua; RIS-Justiz RS0011633), ausdrücklich abgegangen.

Die Berechtigung des Klagebegehrens auf Feststellung des Nichtbestands der (erweiterten) Dienstbarkeit und auf Unterlassung könnte nur dann erfolgreich sein, wenn der Beklagten als der Dienstbarkeitsberechtigten keine dieser Dienstbarkeiten zustehen sollte oder, ungeachtet dessen, die Kläger durch § 1500 ABGB geschützt sein sollten. Dienstbarkeiten werden wie andere dingliche Rechte nach den Regeln von titulus und modus (§§ 480 f ABGB) erworben. Als Titel kommt auch ein Vertrag in Frage; es fehlte indes mangels Verbücherung am modus, der Eintragung im Grundbuch. Die in Vorarlberg geltende Ausnahme nach Art I des Gesetzes RGBl 1905/33, wonach als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten überhaupt von der Eintragung ins Grundbuch ausgenommen sind und daher § 1500 ABGB insoweit nicht anzuwenden ist (SZ 58/98 ua; Mader in Schwimann 2, § 1500 ABGB Rz 4 mwN) sind, kommt bei den hier zu beurteilenden Dienstbarkeiten nicht zum Tragen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner nicht veröffentlichten Entscheidung 5 Ob 103/95 ausgesprochen, das Recht auf Abstellen von PKW und einspurigen Fahrzeugen sei nicht als Feld-Dienstbarkeit iSd Art I des Gesetzes RGBl 1905/33 anzusehen.

Das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht kann aber demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, nicht zum Nachteil gereichen (§ 1500 ABGB). Dem gutgläubigen Erwerber kann somit die außerbücherliche Erweiterung einer Dienstbarkeit nicht erfolgreich entgegengehalten werden. Dieser Grundsatz des Vertrauens auf das öffentliche Buch, der für ganze Grundbuchskörper, einzelne Grundstücke, aber auch Grundstücksteile Anwendung findet (SZ 55/191 ua; Mader aaO § 1500 ABGB Rz 1), gilt eben nicht uneingeschränkt. Der im § 1500 ABGB normierte Vertrauensgrundsatz versagt seinen Schutz gegen vertraglich begründete oder ersessene, aber noch nicht einverleibte Dienstbarkeiten als Auswirkung des grundbücherlichen Publizitätsprinzips demgegenüber, der - auch nur leicht (SZ 63/35, SZ 66/152 mwN) - fahrlässig handelt, weil er den Widerspruch zwischen grundbücherlichem und tatsächlichem Stand bei gehöriger Aufmerksamkeit zumindest hätte feststellen können (stRspr: RIS-Justiz RS0011676; Schubert in Rummel 2, § 1500 ABGB Rz 3; Mader aaO Rz 11, je mwN). Daher ist Gutgläubigkeit insbesondere bei offenkundigen Dienstbarkeiten ausgeschlossen (1 Ob 587, 588/92; Schubert aaO Rz 3; Mader aaO Rz 11). Neben der Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit gibt es noch andere Fälle, in denen schuldhaftes Übersehen oder Versäumnisse bei der Erkundung des wahren Sachverhalts zum Verlust des guten Glaubens führen können (Schubert aaO Rz 3, der die offenkundige Dienstbarkeit ausdrücklich nur als Beispiel für den Ausschluß des guten Glaubens nennt; ihm folgend 1 Ob 587, 588/92 und SZ 66/152 mwN). Als solche kommen Umstände in Betracht, die nicht unmittelbar aufgrund von Besonderheiten des Grundstücks selbst, sondern angesichts „sonstiger Vorgänge“ Bedenken erregen, die dem Erwerber der Liegenschaft gleichfalls zumutbare Nachforschungen nach Dienstbarkeiten etwa eines Nachbarn gebieten. Als solche kommen etwa ernst zunehmende Hinweise von Nachbarn in Frage. Erfährt etwa der Liegenschaftserwerber von der Behauptung eines Fahrtrechts und sind die daraus resultierenden Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs nicht durch andere Informationen ausgeräumt, verliert er den Vertrauensschutz des § 1500 ABGB, wenn er keine Nachforschungen anstellt (vgl SZ 55/46 ua). Indizien für ein Wegerecht, die sich etwa aus der Lage, Geländeformation und Bewirtschaftung von Grundstücken ergeben, können dabei den Anstoß für die Erkundigungspflicht noch verstärken, selbst wenn sie nicht den Grad der Offenkundigkeit einer dienenden Funktion des erworbenen Grundstücks erreichen (SZ 66/152). In diesem Sinn ist die Entscheidung des Berufungsgerichts zu verstehen. Infolge der Einzelfallbezogenheit ist dabei aber keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen, wenn es darum geht, welche „Einrichtungen“ oder „Vorgänge“ im Einzelfall wahrnehmbar vorliegen müssen, die das Bestehen oder, wie hier, die Erweiterung einer Dienstbarkeit vermuten lassen und deshalb den Liegenschaftserwerber zu geeigneter Nachforschung nötigen (vgl SZ 68/194), richtet sich doch auch der Umfang der Sorgfaltspflicht nach der Verkehrsübung. Die Frage, ob die hier zu beurteilenden Einrichtungen (versperrtes Tor ohne Zugangsmöglichkeit für die nun klagenden Eigentümer mangels Schlüssels, teilweise Überdachung des Wegs neben dem Haus der Beklagten, Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf dem Weg) nicht ohnehin offenkundig sind, muß daher nicht mehr beurteilt werden.

Zwar kann ein bloß obligatorisches Recht, das nach dem Willen der Parteien nicht verbüchert werden soll, einer nicht verbücherten Dienstbarkeit nicht gleichgesetzt werden, sodaß die (restriktiv zu handhabenden) Grundsätze betreffend die Durchbrechung des Eintragungsprinzips auf solche Rechte gar nicht angewendet werden könnten (8 Ob 2024/96x = NZ 1996, 302; RIS-Justiz RS0097244), doch war den Feststellungen der Vorinstanzen zufolge nach der Parteienabsicht angesichts des auf Dauer angelegten Bestand die Begründung eines bloß obligatorischen Rechts ohnedies nicht beabsichtigt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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