OGH 10Ob25/24k

OGH10Ob25/24k13.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Schober als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula, Dr. Weber, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.805 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 14. März 2024, GZ 1 R 15/24k‑31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 21. Dezember 2023, GZ 13 C 671/20z‑25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00025.24K.0813.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 597,52 EUR (darin enthalten 95,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, vermag sie doch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 1. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Klärung verschiedener Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Grund des geltend gemachten Anspruchs zu, die in der Revision allerdings nicht mehr releviert werden. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretische Rechtsfragen, deren Lösung durch die zweite Instanz gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, vermögen jene Rechtsfragen die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen (vgl RS0102059).

[3] 2. Die Klägerin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision darüber hinaus damit, die von den Vorinstanzen vorgenommene Schadensschätzung nach § 273 ZPO stehe im Widerspruch zur jüngst ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 204/23p, wonach der Schaden gemäß § 874 ABGB aufgrund der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln sei. Lasse sich die Wertminderung auf diese Weise mithilfe eines Sachverständigen berechnen, scheide nach der Judikatur ein Rückgriff auf § 273 ZPO aus. Die Vorinstanzen hätten die Voraussetzungen dieser Bestimmung zu Unrecht angenommen.

[4] Dem ist zu entgegnen, dass die Entscheidung, ob § 273 ZPO angewendet werden darf, rein verfahrensrechtlicher Natur ist. Wurde die Anwendbarkeit des § 273 ZPO zu Unrecht bejaht oder verneint, müsste dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RS0040282). Eine solche hat die Klägerin im Berufungsverfahren allerdings nicht nur nicht erhoben, sondern in ihren Rechtsmittelausführungen sogar die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO im vorliegenden Fall als „durchaus zulässig“ bezeichnet. Allfällige Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die in der Berufung nicht beanstandet wurden, können nicht mit Erfolg erstmals in der Revision geltend gemacht werden (RS0043111). Schon deshalb kann in der Billigung der im Ersturteil erfolgten Anwendung des § 273 ZPO durch das Berufungsgericht keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen.

[5] 3. Soweit sich die Klägerin in ihrer Rechtsrüge gegen das Ergebnis der Schadensschätzung durch die Vorinstanzen wendet, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass dem Gericht bei Anwendung des § 273 ZPO die Befugnis zukommt, die Höhe des Anspruchs nach freier Überzeugung festzusetzen (RS0040459 [T1]). Für die Ausübung des richterlichen Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (vgl RS0121220 [T1]; RS0111576 [T2]). Es können daher nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (9 ObA 31/23h; RS0007104 [insb T1, T5]). Dass die Vorinstanzen bei ihrer Ausmittlung der zu ersetzenden Wertminderung die Grenzen des gebundenen Ermessens überschritten hätten, zeigt die Revision nicht auf. Der Zuspruch eines Betrags von 10 % des Kaufpreises hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen.

[6] Dass die von der Rechtsprechung für die Haftung bei Schutzgesetzverletzungen entwickelte, aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben von der innerstaatlichen Systematik abweichende Methodik der Schadensberechnung – also die Festsetzung eines Schadensbetrags nach freier Überzeugung im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des gezahlten und dem Wert des Fahrzeugs angemessenen Kaufpreises – bei Heranziehung der § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB als Anspruchsgrundlagen nicht zur Anwendung kommt, hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen (vgl nur 6 Ob 34/24d Rz 7 mwN; RS0134498 [T7]).

[7] Ausgehend davon weist die Klägerin zwar im Allgemeinen zutreffend darauf hin, dass der ihr auf Basis dieser Vorschriften gebührende Ersatzbetrag grundsätzlich nicht nach oben hin mit 15 % des bezahlten Kaufpreises begrenztwäre. Ein darüber hinausgehender Schaden (Wertminderung) wurde aber nicht festgestellt. Mit dem bloßen Verweis auf eine theoretisch mögliche höhere Betragsfestsetzung spricht die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO an (s RS0111271).

[8] 4. Wieso trotz der rein innerstaatlichen Berechnung des Schadens unionsrechtliche Überlegungen relevant sein sollen und zu einem Ersatz von mindestens 15 % des Kaufpreises führen müssten, während bei Arglist jedenfalls 30 % des Kaufpreises zu ersetzen wären, führt die Klägerin in ihrer Revision nicht nachvollziehbar aus. Im Übrigen ist geklärt, dass bei dieser Schadensbemessung kein „Abschreckungszuschlag“ zusätzlich zum anzunehmenden Minderwert des von der Manipulation betroffenen Fahrzeugs miteinzuberechnen ist (5 Ob 33/24z unter ausdrücklicher Ablehnung des entsprechenden Vorschlags Maderbachers,Angemessener Schadenersatz in Abgasfällen, VbR 2023/63, 77 [79]; zu Recht kritisch dazu zuletzt auch Lutschounig, Neue Haftungs‑ und Beweisfragen in Dieselmassenverfahren, ZVR 2024/35, 103 [107]).

[9] 5. Schließlich vermag die Klägerin auch mit ihren sonstigen Überlegungen zur Schadensermittlung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Dass die Vorinstanzen bei der Ermittlung des objektiven Minderwerts des Fahrzeugs auf einen anderen Zeitpunkt abgestellt hätten als auf jenen des Kaufvertragsabschlusses, trifft nicht zu. Inwiefern die unterbliebene Schadensbeseitigung durch die Beklagte einen Einfluss auf die Schadensbemessung nach § 273 ZPO haben soll, legt die Klägerin nicht plausibel dar.

[10] 6. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu.

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